Publikation der Zwischenergebnisse der Women's-Health-Initiative-Studie aus den USA

Politik
Ausgabe
2002/47
DOI:
https://doi.org/10.4414/saez.2002.09388
Schweiz Ärzteztg. 2002;83(47):2546–2548

Publiziert am 20.11.2002

Mit Interesse habe ich die Artikel über Geschlechtsinkongruenz (= das Geschlecht wird von der betroffenen Person anders wahrgenommen, als es ihr bei der Geburt anhand der Genitalien zugewiesen wurde) gelesen.
Nachvollziehbar ist, dass dieses subjektive Gefühl nicht objektiv gewertet werden kann, das heisst die geschlechtsinkongruente Person ist selbst und allein «Expert:in für die Wahrnehmung, Definition und Gestaltung des eigenen Geschlechts».
Diskutierbar ist aber der neulich negierte Krankheitscharakter. Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) definiert nicht die Krankheit, sondern den Gegenbegriff der Gesundheit [1]: «Ein Zustand des umfassenden körperlichen, geistigen und sozialen Wohlbefindens und nicht lediglich das Freisein von Krankheit und Schwäche». Ob dieses Wohlbefinden wirklich von den trans Personen erlebt wird und nur einige die (von aussen) verursachte Geschlechtsdysphorie spüren (= «psychisches Leiden, basierend auf Nichtübereinstimmung zwischen körperlichen, psychischen und/oder sozialen geschlechtlich normierten Merkmalen und der Geschlechtsidentität einer Person»), scheint doch fraglich.
Und, wenn die Geschlechtsinkongruenz keine Krankheit ist, wie immer man diese definiert, dann frage ich mich, warum die Krankenkasse die teuren «Therapien» (Operationen, Hormone, Psychotherapie) bezahlen soll.
Das grundlegende Problem aber stellt sich mir mit der fehlenden Definition von «Frau» und «Mann», da man sich ja nicht mehr auf die biologischen Tatsachen beruft. Inwiefern fühlt sich der geschlechtsinkongruente, biologisch definierte «Mann» als «Frau»? Es können ja nicht die biologischen Geschlechtsmerkmale wie Penis, fehlende Brüste, Bartwuchs etc. sein. Wie definieren wir Mann und Frau, wenn wir uns nicht mehr auf die anatomisch-physiologischen, geschlechtsspezifischen Merkmale berufen können?
Und zuletzt noch ein ketzerischer Vergleich, der vielleicht etwas hinkt: Inwiefern ist der Schizophrene krank, oder eben gesund, wenn er sich als Napoleon fühlt? Er allein ist doch Experte für diese Überzeugung, oder?
Dr. med. Andreas Osterwalder, Cureggia
Die Replik auf den Leserbrief finden Sie unter https://doi.org/10.4414/smf.2023.09389.
Der Autor hat deklariert, keine potentiellen Interessenskonflikte zu haben.
1 www.who.int/about/governance/constitution