Tribüne
Lean Management – auch in der Arztpraxis von Vorteil!
Executive MBA, Facharzt Allgemeine Innere Medizin, Mitglied FMH
Wenn im Zusammenhang mit dem Gesundheitswesen von «Lean Management» die Rede ist, denkt man im Allgemeinen an Massnahmen zur Effizienzverbesserung in Spitälern. Der folgende Beitrag beschreibt die Erfahrungen mit Lean Management in einem Praxisbetrieb.
Vorwiegend Spitäler setzen im Rahmen von Projekten die Prinzipien des Lean Managements um. Über die Verbreitung in Arztpraxen ist noch wenig bekannt. Dies ist schade, denn gerade der ambulante Bereich ist prädestiniert für eine konsequente Umsetzung. Einzelne Grundsätze sind bereits ansatzweise in den Arztpraxen vorhanden. Der Sprechstundenalltag ist getaktet, was eine effiziente Organisation erfordert und Spitalärzte oftmals überfordert, wenn sie in den Praxisalltag wechseln. Einzelpraxen sind bezüglich Prozessen oft hocheffizient, solange das Behandlungsteam (Arzt–MPA) gut eingespielt ist und keine Ausfälle oder Wechsel im Personal eintreten. Bei Gruppenpraxen ist der Organisationsaufwand höher, und positive Skaleneffekte werden durch diesen wieder geschmälert. Gerade da bietet das Lean Management riesige Chancen. Bereits bei der Planung und Umsetzung der Arztpraxis Glattpark mit dem Versorgungsangebot Allgemeine Innere Medizin haben wir die Prinzipien des Lean Managements verwirklicht und besitzen nun über ein Jahr Erfahrung im Praxisalltag.
Résumé
Le lean management est répandu dans les hôpitaux, mais pas encore dans les cabinets médicaux. C’est dommage, car c’est justement la médecine ambulatoire qui est prédestinée à un bouleversement important. Le quotidien des consultations qui s’enchaînent exige une organisation efficace. L’optimisation des procédures et l’adaptation au patient sont des éléments-clés du lean management. La modification des exigences envers les infrastructures et les équipements, ainsi que l’ajustement des procédures dans les cabinets médicaux, aboutissent à une plus grande efficacité. L’esprit d’équipe est un autre incontournable du lean management, car il permet d’augmenter le brassage de niveaux et de compétences au sein du cabinet. Le concept de lean management est vivement recommandé aux cabinets médicaux tournés vers l’avenir.
1. Kundenorientierung (Patient im Zentrum)
Im Lean-Management-geführten Betrieb ist nicht nur das Praxispersonal «Kunden»-orientiert, sondern vor allem die Prozesse. Die Prozesse stellen den Patienten ins Zentrum und nicht die Ressourcenverfügbarkeit. Herkömmliche Arztpraxen haben fixe Raumzuteilungen (Wartezimmer, Sprechzimmer, EKG-, Blutentnahme-Raum etc.). Diese Zuteilung führt zu Engpässen, wenn der entsprechende Raum belegt ist, und bedeutet für den Patienten unnötige Wege und Zimmerwechsel. Besonders für geh- oder sehbehinderte Patienten ist dies eine Erschwernis. Bei uns werden die medizinischen Massnahmen konsequent im Behandlungszimmer durchgeführt, welches der Patient direkt nach Eintreffen in der Praxis betritt und mit den notwendigen Informationen (inkl. Nachkontroll-Termin etc.) wieder verlässt. Sämtliche Handlungen am Patienten werden in diesem Zimmer ausgeübt (Dienstleistung kommt zum Patienten). Dieser Komfort wird von den Patienten sehr geschätzt.
2. Wertstromverständnis
Administrative Tätigkeiten des Arztes und der MPA sind nicht wertschöpfend und werden konsequent ausgelagert. Somit entsteht ein Gewinn an Arbeitskapazität für wertschöpfende Tätigkeiten, nämlich die Betreuung der Patienten.
3. Verschwendungsfreie Prozesse
Das Layout der Räume und deren Ausstattung sind die wichtigsten strukturellen Kriterien. Anfängliche Investitionen zahlen sich im täglichen Einsatz mehrfach wieder aus. Zu den organisatorischen Kriterien zählen z.B. Teamarbeit. Wir arbeiten in Behandlungsteams (Arzt und MPA). Die Tätigkeit der MPA ist also nach Teamzuteilung definiert und nicht nach Arbeitsbereich (Labor/Röntgen/EKG etc.). Sie wird somit enger in die Behandlung eingebunden. Schnittstellen, welche bekanntlich zu den grössten Faktoren für Fehlerentstehung zählen, werden aufs Minimum reduziert.
4. Standardisierung
Standardisierung in den Abläufen bewirkt eine Reduktion der Fehlerquote, die einfachere Einarbeitung von neuen Mitarbeitern und bietet die Chance, Optimierungspotential schneller zu entdecken und umzusetzen. Standardisierung von Abläufen darf nicht verwechselt werden mit der Standardisierung von Behandlung oder Einsatz von medizinischen Massnahmen. Diese erfolgen weiterhin höchst individuell und werden mit dem Patienten besprochen. Die medizinische Behandlungsvarianz wird nicht beeinträchtigt.
5. Kontinuierliche Verbesserung
Ärzte bilden sich weiter in medizinischen Themen. Abläufe in der Praxis erfolgen jedoch über Jahre unverändert. Nicht alle davon sind optimiert, oder nur aus der Sicht eines einzelnen am Prozess Beteiligten. Es müssen sämtliche Beteiligten miteinbezogen werden. Die strukturierte Bearbeitung solcher Verbesserungsideen bewirkt, dass der Betrieb nicht in Routine verfällt, sondern sich den aktuellen oder künftigen Herausforderungen anpasst. Der Einbezug sämtlicher Mitarbeiter führt zur besseren Identifikation mit dem Betrieb, zur gesteigerten Mitarbeiterzufriedenheit und im Idealfall zu weniger Fluktuation. Davon profitiert wiederum der Patient.
Fazit
Es ergibt sich somit folgende Schlussfolgerung: Lean Management in der Arztpraxis dient sämtlichen Beteiligten, den Patienten, dem Personal und der Versorgungsqualität. Besuchen Sie Lean-Management-Betriebe im Alltag und lassen Sie sich von der Begeisterung anstecken!
Credits
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Korrespondenzadresse
Korespondenz:
Michael F. Bagattini,
executive MBA
Facharzt Allgemeine Innere Medizin
Inhaber und Leiter Arztpraxis Glattpark
Thurgauerstrasse 106/108
CH-8152 Glattpark
michael.bagattini[at]hin.ch
Literatur
1 Sax A. Round Table-Gespräch zum Thema «Lean Hospital»:
«Wo die Standardisierung aufhört, fängt das Denken an».
Schweiz Ärztezeitung. 2017;98(6):191–4.
2 Moser D, Angerer A. Eine anwendungsorientierte Ergänzung des Lean-Ansatzes mittels der Engpass-Theorie: Fokussierte Prozess-
optimierung im Spital. Schweiz Ärztezeitung. 2017;98(9):287–9.
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Wenn im Zusammenhang mit dem Gesundheitswesen von «Lean Management» die Rede ist, assoziiert man damit primär Verfahren zur Verbesserung der Unternehmensleistung von Spitälern. In der SÄZ sind dazu kürzlich zwei Beiträge erschienen [1, 2]. Ergänzend dazu soll der folgende Artikel veranschaulichen, dass die Prinzipien des Lean Management auch in der Arztpraxis nutzbringend umgesetzt werden können.
Die Redaktion