Lean Management – auch in der Arztpraxis von Vorteil!

Tribüne
Ausgabe
2017/10
DOI:
https://doi.org/10.4414/saez.2017.05199
Schweiz Ärzteztg. 2017;98(10):322–323

Affiliations
Executive MBA, Facharzt Allgemeine Innere Medizin, Mitglied FMH

Publiziert am 08.03.2017

Wenn im Zusammenhang mit dem Gesundheitswesen von «Lean Management» die Rede ist, denkt man im Allgemeinen an Massnahmen zur Effizienzverbesserung in Spitälern. Der folgende Beitrag beschreibt die Erfahrungen mit Lean Mana­gement in einem Praxisbetrieb.
Vorwiegend Spitäler setzen im Rahmen von Projekten die Prinzipien des Lean Managements um. Über die Verbreitung in Arztpraxen ist noch wenig bekannt. Dies ist schade, denn gerade der ambulante Bereich 
ist prädestiniert für eine konsequente Umsetzung. ­Einzelne Grundsätze sind bereits ansatzweise in den Arztpraxen vorhanden. Der Sprechstundenalltag ist ge­taktet, was eine effiziente Organisation erfordert und Spitalärzte oftmals überfordert, wenn sie in den Praxis­alltag wechseln. Einzelpraxen sind bezüglich Prozessen oft hocheffizient, solange das Behandlungs­team (Arzt–MPA) gut eingespielt ist und keine Ausfälle oder Wechsel im Personal eintreten. Bei Gruppenpraxen ist der Organisationsaufwand höher, und positive Skaleneffekte werden durch diesen wieder geschmälert. Gerade da bietet das Lean Management riesige Chancen. Bereits bei der Planung und Umsetzung der Arztpraxis Glattpark mit dem Versorgungsangebot Allgemeine Innere Medizin haben wir die Prinzipien des Lean Managements verwirklicht und besitzen nun über ein Jahr Erfahrung im Praxisalltag.

Résumé

Le lean management est répandu dans les hôpitaux, mais pas encore dans les cabinets médicaux. C’est dommage, car c’est justement la médecine ambulatoire qui est prédestinée à un bouleversement important. Le quotidien des consultations qui s’enchaînent exige une organisation efficace. L’optimisation des procédures et l’adaptation au patient sont des éléments-clés du lean management. La modification des exigences envers les infra­structures et les équipements, ainsi que l’ajustement des procédures dans les cabinets médicaux, aboutissent à une plus grande efficacité. L’esprit d’équipe est un autre incontournable du lean management, car il permet d’augmenter le brassage de niveaux et de compétences au sein du cabinet. Le concept de lean management est vivement recommandé aux cabinets médicaux tournés vers l’avenir.

1. Kundenorientierung 
(Patient im Zentrum)

Im Lean-Management-geführten Betrieb ist nicht nur das Praxispersonal «Kunden»-orientiert, sondern vor allem die Prozesse. Die Prozesse stellen den Patienten ins Zentrum und nicht die Ressourcenverfügbarkeit. Herkömmliche Arztpraxen haben fixe Raumzutei­lungen (Wartezimmer, Sprechzimmer, EKG-, Blut­entnahme-Raum etc.). Diese Zuteilung führt zu Eng­pässen, wenn der entsprechende Raum belegt ist, und bedeutet für den Patienten unnötige Wege und Zimmerwechsel. Besonders für geh- oder sehbehinderte Patienten ist dies eine Erschwernis. Bei uns werden die medizinischen Massnahmen konsequent im Behandlungszimmer durchgeführt, welches der Pa­tient direkt nach Eintreffen in der Praxis betritt und mit den notwendigen Informationen (inkl. Nachkontroll-Termin etc.) wieder verlässt. Sämtliche Handlungen am Patienten werden in diesem Zimmer aus­geübt (Dienstleistung kommt zum Patienten). Dieser Komfort wird von den Patienten sehr geschätzt.

2. Wertstromverständnis

Administrative Tätigkeiten des Arztes und der MPA sind nicht wertschöpfend und werden konsequent ausgelagert. Somit entsteht ein Gewinn an Arbeitskapa­zität für wertschöpfende Tätigkeiten, nämlich die Betreuung der Patienten.

3. Verschwendungsfreie Prozesse

Das Layout der Räume und deren Ausstattung sind 
die wichtigsten strukturellen Kriterien. Anfängliche Investitionen zahlen sich im täglichen Einsatz mehrfach wieder aus. Zu den organisatorischen Kriterien zählen z.B. Teamarbeit. Wir arbeiten in Behandlungsteams (Arzt und MPA). Die Tätigkeit der MPA ist also nach Teamzuteilung definiert und nicht nach Arbeitsbereich (Labor/Röntgen/EKG etc.). Sie wird somit enger in die Behandlung eingebunden. Schnittstellen, welche bekanntlich zu den grössten Faktoren für Fehler­entstehung zählen, werden aufs Minimum reduziert.

4. Standardisierung

Standardisierung in den Abläufen bewirkt eine Reduktion der Fehlerquote, die einfachere Einarbeitung von neuen Mitarbeitern und bietet die Chance, Optimierungspotential schneller zu entdecken und umzu­setzen. Standardisierung von Abläufen darf nicht ­verwechselt werden mit der Standardisierung von Behandlung oder Einsatz von medizinischen Massnahmen. Diese erfolgen weiterhin höchst individuell und werden mit dem Patienten besprochen. Die medizinische Behandlungsvarianz wird nicht beeinträchtigt.

5. Kontinuierliche Verbesserung

Ärzte bilden sich weiter in medizinischen Themen. ­Abläufe in der Praxis erfolgen jedoch über Jahre unverändert. Nicht alle davon sind optimiert, oder nur aus der Sicht eines einzelnen am Prozess Beteiligten. Es müssen sämtliche Beteiligten miteinbezogen werden. Die strukturierte Bearbeitung solcher Verbesserungsideen bewirkt, dass der Betrieb nicht in Routine ­verfällt, sondern sich den aktuellen oder künftigen Her­ausforderungen anpasst. Der Einbezug sämtlicher Mitarbeiter führt zur besseren Identifikation mit dem Betrieb, zur gesteigerten Mitarbeiterzufriedenheit und im Idealfall zu weniger Fluktuation. Davon profitiert wiederum der Patient.

Fazit

Es ergibt sich somit folgende Schlussfolgerung: Lean Management in der Arztpraxis dient sämtlichen ­Beteiligten, den Patienten, dem Personal und der Ver­sorgungsqualität. Besuchen Sie Lean-Management-­Betriebe im Alltag und lassen Sie sich von der Begeisterung anstecken!
Korespondenz:
Michael F. Bagattini,
executive MBA
Facharzt Allgemeine Innere Medizin
Inhaber und Leiter Arzt­praxis Glattpark
Thurgauerstrasse 106/108
CH-8152 Glattpark
michael.bagattini[at]hin.ch
1 Sax A. Round Table-Gespräch zum Thema «Lean Hospital»:
«Wo die Standardisierung aufhört, fängt das Denken an».
Schweiz Ärztezeitung. 2017;98(6):191–4.
2 Moser D, Angerer A. Eine anwendungsorientierte Ergänzung des Lean-Ansatzes mittels der Engpass-Theorie: Fokussierte Prozess­­-
optimierung im Spital. Schweiz Ärztezeitung. 2017;98(9):287–9.