Aus philosophischer Sicht wird die Sachlage noch komplizierter. Verschiedenste Denker haben sich mit dem Begriff der Kausalität eingehend beschäftigt. So macht beispielsweise Gottfried Wilhelm Leibniz, der Vater des binären Zahlensystems und damit der Informatik, den ausreichenden Grund zu einem allgemeingültigen Prinzip, das die Welt und ihre Erscheinungen streng rational begründet. Neben mechanischen, der körperlichen Bewegung dienenden und einer wissenschaftlichen Untersuchung zugänglichen Kräften postuliert er zusätzlich im Seelischen wirksame sogenannte finale, das heisst nach Sinn und Zweck strebende Ursachen aller Dinge. Die körperlichen und seelischen Elemente sind zusätzlich in eine göttlich vorbestimmte Weltharmonie eingelassen, in der Leibniz dann auch die Letztbegründung alles Irdischen sieht. Würde eine solche Philosophie in der Medizin angewendet, könnte es durchaus berechtigt sein, gewisse Spätfolgen eines riskanten Abenteuers statt der Syphilis-Spirochäte dem schlechten Gewissen zuzuschreiben oder allgemein das ganze Übel gar als Strafe Gottes anzusehen. Die Probleme und Gefahren eines solchen Denkens mag den radikalen Empiristen David Hume bewogen haben, der Kausalität alle reale Existenz abzusprechen. Er erkennt in ihr nur noch einen Glauben, der sich in unserem Verstand einstellt, wenn wir zeit- und ortsnahe Begebenheiten wiederholt beobachten. Niemals ist es möglich, selbst bei genauster Kenntnis eines mutmasslichen Verursachers und aller Begleitumstände, dessen eventuale Wirkung in der Umwelt schlüssig vorauszusagen. Diese extreme Position würde, auf die Medizin bezogen, alle fachlichen Bemühungen streng genommen zu einer reinen Lotterie verkommen lassen. Auch wenn Hume unser Bedürfnis, Kausalitäten im Sinne nützlicher praktischer Prinzipien aufzufinden, durchaus gelten lässt, so spricht er ihnen gleichzeitig doch jeden Anspruch auf Wahrheit und Allgemeingültigkeit ab. Dies ist nicht mit dem uns eigenen Empfinden von Gewissheit vereinbar, das normalerweise unsere alltäglichen Erfahrungen und Tätigkeiten begleitet. Eine Welt rein zufälliger, sinnentleerter Tatsachen, ohne jeden inneren Zusammenhang, erscheint auch dem aufgeklärten Menschen als inakzeptabel. Hier setzt nun Immanuel Kant an, der gleichsam als Überwinder von Leibniz und Hume gilt, von metaphysischem und dogmatisch religiösem Denken einerseits, sowie überspitzter Empirie andererseits. In einem genialen Gedankengang beschreibt Kant die Kausalität als ein jeder sinnlichen Erfahrung vorausgehendes Vermögen unseres Verstandes, das allen Dingen und Umständen, so, wie sie uns als unsere Welt erscheinen, einen erkennbaren Grund zuweist. Um zu erfahrungsmässigen Erkenntnissen zu gelangen, ist die Anwendung der Verstandeskategorie der Kausalität, das heisst das Beurteilen aller Umstände angesichts von Ursache und Wirkung, zwingend notwendig. So gibt Kant den Naturwissenschaften und dem ihnen innewohnenden Wunsch exakter Begründbarkeit ein sicheres, notwendig gültiges, philosophisches Fundament. Das Prinzip von Ursache und Wirkung gilt aber nur im Erfahrungsbereich, und seine Anwendung ausserhalb des letzteren führt zu Fehlschlüssen und Irrtümern. Auf Fragen zu Herkunft, Sinn oder Zweckmässigkeit der Welt, nach Wirkkräften der Seele, oder nach einem göttlichen Einfluss auf alles Geschehen, gibt es keine gültigen Antworten. Diese metaphysischen Problemstellungen haben aber im Bereich des Glaubens oder als Arbeitshypothesen in der Wissenschaft dennoch ihre Bedeutung. So ermöglicht beispielsweise die Annahme einer zweckmässig geordneten Natur nicht nur eine systematische Botanik und Zoologie, sondern auch die angemessene Erforschung der Funktion menschlicher Organe und das ganze medizinwissenschaftliche Denken überhaupt.