Elektronische Laborbefunde

Die Bedeutung von Austauschformaten

Weitere Organisationen und Institutionen
Ausgabe
2017/10
DOI:
https://doi.org/10.4414/saez.2017.05461
Schweiz Ärzteztg. 2017;98(10):306–308

Affiliations
a Dr. med., Vorstandsmitglied HL7 Schweiz; b BSc BFH BIT (Bachelor of Science Berner Fachhochschule in Business Information Technology),
Technischer Projektleiter IHE Suisse

Publiziert am 08.03.2017

Laborresultate spielen in der heutigen Medizin eine sehr wichtige Rolle. Im Zusammenhang mit den zunehmend von Ärzten eingesetzten Guidelines werden in Zukunft neue Anforderungen an die Form der Laborbefunde gestellt. Mit dem Einsatz von Austauschformaten verpassen Sie den Anschluss nicht.
Vitamin D: Cholecalciferol oder Calcitriol? 
Vitamin D3, 1,25-(OH)2 (Calcitriol)| Serum
Vitamin D3, 1,25-(OH) (Cholecalciferol)| Serum

Bedeutung von Labordaten

Laborresultate sind in der heutigen medizinischen ­Diagnostik nicht mehr wegzudenken. Sie entscheiden zusammen mit Anamnese und Körperbefunden oft über weitere Abklärungen und Behandlungen. So bestimmen z.B. Labordaten, welcher Organempfänger ein bestimmtes zu transplantierendes Organ erhält, damit die Gefahr einer Abstossung möglichst gering bleibt. Oder sie weisen z.B. bei akuten Brustschmerzen den Weg der weiteren Abklärungen.
Der praktizierende Arzt erhält heute Laborresultate aus ganz unterschiedlichen Quellen und völlig heterogen formatiert:
1. Eigene Laborgeräte (Point of Care)
Verschiedene Apparate, die Resultate sind innerhalb der eigenen Arztpraxis eindeutig, ein Import der strukturierten Daten in die Datenbank der eigenen Arztpraxissoftware ist möglich.
2. Externes Labor
Die Resultate sind innerhalb des Labors eindeutig, ein Import der strukturierten Resultate in die Datenbank der eigenen Arztpraxissoftware ist möglich, ebenfalls können die Laborbefunddokumente als PDF dem Patienten zugeordnet abgelegt werden.
3. Andere Praxen und Spitäler mit eigenen Laborgeräten
Die Laborresultate stammen in der Regel im Ursprung von einer der oben genannten Quellen. ­Werden die Laborresultate an eine andere Praxis weitergegeben, erfolgt das meist als PDF-Dokument (Original vom Labor oder als Scan).
Über die Jahre hinweg sammelt sich so ein Berg von ­Labordaten an, teils strukturiert, teils völlig unstrukturiert, und über das ganze Patientendossier verteilt, sei dieses nun papierbasiert oder elektronisch geführt. Vergleichsreihen über Jahre hinweg zu erstellen ist äus­serst aufwendig und zeitraubend. Werte, die nicht auf vergleichbaren Methoden beruhen, können dazu nicht verwendet werden. Ausserdem muss berück­sichtigt werden, dass auch die Referenzbereiche unterschiedlich sein können – insbesondere wenn die ­Messungen mit Analyzern von unterschiedlichen IVD-Lieferanten erfolgten.
Sehr viele Laborresultate sind nur für die aktuelle Problemstellung von Bedeutung. Es geht dabei um wechselhafte Werte, die durch entsprechende Massnahmen korrigiert werden können. Ein Beispiel ist die durch ­Diuretika verursachte Hypokaliämie, die z.B. durch Anpassung der Medikation normalisiert werden kann. Hier ist weniger die langfristige Persistenz der Daten gefragt als vielmehr der rasche Austausch, wenn mehrere Behandelnde involviert sind, wie bei der Nach­betreuung des Patienten nach einem Spitalaufenthalt durch den Hausarzt.
Andere Laborwerte werden aber im mittel- bis langfristigen Verlauf verfolgt, z.B. die Anzahl der Blutzellen bei Chemotherapie, oder das Prostata-spezifische Antigen PSA bei familiärer Risikosituation für Prostata-Karzinom über mehrere Jahre hinweg. Wenn wir den PSA-Verlauf verfolgen wollen, müssen wir wissen, ob wir es mit dem freien PSA, dem gesamten PSA oder mit dem Quotienten zu tun haben. Die klare Identifikation der Analyse ist zwingend. Damit die Werte über mehrere Jahre vergleichbar sind, müssen sie mit vergleichbaren Methoden eruiert werden. Falls die Werte von unterschiedlichen Laboren kommen, sind sie möglicherweise nicht oder nur annähernd vergleichbar, wenn verschiedene Bestimmungsmethoden zum Zug kommen.

Reference Change Value

Im Hinblick auf zukünftige Entwicklungen sollten wir auch den «Reference Change Value» oder RCV berücksichtigen. Dieser Bereich entspricht der analytischen Streuung, aber auch der individuellen Streuung des Individuums, welches untersucht wird. Ein Beispiel dazu ist der oben erwähnte PSA-Wert. Dieser kann sich durchaus über mehrere Jahre ausserhalb des Referenzbereichs der gesunden Bevölkerung befinden, ohne dass wir alarmiert sein müssen, z.B. bei der benignen Prostatahyperplasie oder bei chronischer Prostatitis. In diesem Streubereich wollen wir aber eine signifikante Steigerung des PSA-Wertes, der auf ein Prostatakarzinom hinweist, nicht verpassen.

Klinische Entscheide aufgrund 
von Guidelines

Wenn wir unsere klinischen Entscheide aufgrund von Guidelines auf eine rationale Ebene stellen wollen, sind wir oft auf Laborwerte angewiesen. Dabei ist wichtig, dass wir diejenigen Laborwerte beiziehen, die auch in den Guidelines verwendet werden. So ist Vitamin D in mehreren Varianten (Metaboliten) im Körper vorhanden. Meist wird Vitamin D3 25-OH verwendet und sollte nicht mit Vitamin D3 1,25(OH)2 verwechselt ­werden.

Beispiel

Laborwerte müssen also mit ihren Referenzwerten eindeutig identifiziert werden können. Besonders bei externen Laboraufträgen wollen wir diejenigen Werte bekommen, die uns bei der ­Anwendung der Guidelines helfen.

Zielsetzung

Damit Ärzte also Guidelines bestmöglich nutzen können, sollen die Laborresultate folgende Kriterien erfüllen:
Unabhängig von der Bestimmungsmethode
Laborresultate sind im Idealfall unabhängig von 
der Bestimmungsmethode oder vom Hersteller des Analyse-Kits, damit sie untereinander vergleichbar sind. Da dies heutzutage (noch) nicht gewährleistet ist, sollen in Laborbefunden die zugrundeliegenden Messmethoden und der Hersteller des Analyse-Kits angegeben werden. Beispiel: Die Blutverdünnung mit Coumarin-Derivaten wird mit dem Quick-Wert (Prothrombin-Zeit) kontrolliert. Dieser Wert ist je nach Bestimmungsmethode und Labor unterschiedlich. Hingegen sind die INR-Werte (Interna­tional Normalized Ratio) von verschiedenen Labors untereinander ­vergleichbar, da sie aus dem Verhältnis der Prothrombin-Zeit (PT) zur PT von normalem Blut und einem Index, der die Unterschiede der Methoden ausgleicht, berechnet werden.
Standardisierte Angabe von Einheiten
Damit sie untereinander vergleichbar sind. Sämtliche Einheiten zu Messwerten sollen nach UCUM (Unified Code for Units of Measure) angegeben werden. Dieser Code für Messeinheiten sorgt für Klarheit und Eindeutigkeit (siehe http://unitsofmeasure.org/
ucum.html).
Klare und eindeutige Bezeichnungen der Bestimmungsmethoden
Damit sie eindeutig unterscheidbar sind. Dies kann bei der heutigen Vielfalt der Methoden nur durch ein Code-System gewährleistet werden. Für Laborresultate hat sich LOINC auf internationaler Ebene durchgesetzt (siehe https://loinc.org/). In einigen Fällen (z.B. bei der Mikrobiologie) wird LOINC mit SNOMED CT ergänzt resp. präzisiert (siehe http://www.snomed.org).

Herausforderungen

Die meisten Laborresultate begegnen uns in der Form eines Parameters, dem ein Wert, eine Einheit und ein Referenzbereich zugeordnet sind, z.B. [Na+], 144, mmol/l, 135–145 mmol/l. Zudem ist wichtig, aus welchem Substrat (Serum, Urin, Liquor etc.) der Parameter bestimmt wurde und mit welcher Labormethode.
Es gibt nun aber Laboruntersuchungen, die sich nicht in diese Form pressen lassen. Zwei Beispiele folgen:
Keimbestimmungen und Antibiogramme: Ein Pa­tient im septischen Schock wird untersucht, indem Vollblut und Urin auf Keime untersucht werden. Es werden allenfalls ein oder mehrere Keime gefunden, herangezüchtet und auf ihre Empfindlichkeit gegen Antibiotika getestet.
Untersuchungen an nicht menschlichen Substraten: Bei Lebensmittelvergiftungen werden Lebensmittel untersucht, oder bei Tollwutverdacht können Proben von infizierten Tieren untersucht werden. Diese «nicht menschlichen» Proben, die aber einem Patienten zugeordnet sind, müssen untersucht und die Resultate datenmässig korrekt herausgegeben werden.

Umsetzung

Das Austauschformat für Laborbefunde (CDA-CH-LREP) wird all diesen komplexen Vorkommnissen der Laborwelt gerecht.1 Damit wird es zu einem wichtigen Hilfsmittel dafür, dass Laborresultate nicht zu einem Haufen unstrukturierter Dokumente und Daten werden. Dies dient sowohl der Behandlungssicherheit wie auch der Möglichkeit, durch Zugriff auf Daten im Längsverlauf klinische Aussagen zu ­machen. Dasselbe gilt dann auch für Primärsysteme, denen es die ­Möglichkeit gibt, Labordaten strukturiert und codiert in Datenbanken zu übernehmen. Ausserdem erfordert die Anwendung des Austauschformats keine bilate­ralen Absprachen mehr zwischen Sender und Emp­fänger. Solche Laborbefunde können sowohl von ­Menschen gelesen wie auch von Maschinen weiterverarbeitet werden.
Das Austauschformat für Laborbefunde (CDA-CH-LREP) basiert auf den gleichen Komponenten wie die bereits verabschiedeten Austauschformate für die Meldung von Erregernachweisen (CDA-CH-LRPH), die Transplantation (CDA-CH-LRTP) und die Qualitätskontrolle (CDA-CH-LRQC). Solche Laborbefunde können im elektronischen Patientendossier (EPDG) abgelegt werden und sind zudem international interoperabel. Die Spezifi­kation CDA-CH-LREP ist derzeit als Entwurf verfügbar: http://e-health-wiki.ch / index.php / Ehscda:CDA-CH-LREP_
(specification-de)
Die offiziellen Austauschformate von eHealth Suisse sind hier verfügbar: http://www.e-health-suisse.ch/umsetzung/00252/index.html. Es ist vorgesehen, CDA-CH-LREP als weiteres offizielles Austauschformat bei eHealth Suisse zu etablieren.

Anwendungsmöglichkeiten

Für den strukturierten Austausch von Labordaten nach vorgenannter Umsetzung gibt es viele Anwendungsmöglichkeiten, die teils mit spezifischen Bedürfnissen verbunden sind. So braucht der Datenaustausch mit dem Bundesamt für Gesundheit, Abteilung meldepflichtige Krankheiten, die Möglichkeit, Daten anonymisiert zu übermitteln. Der Datenaustausch im Organtransplantationswesen braucht ganz spezielle Werte-
tabellen, die zur Prüfung der Histokompatibilität die Bezeichnungen der verschiedenen HLA (humane Leukozytenantigene) enthalten. Die bisher händisch erfolgte Übertragung der HLA-Typen vom Analysegerät ins digitale System wird deutlich vereinfacht und beschleunigt. Ausserdem werden Tippfehler eliminiert, und damit kann ein wesentliches Risiko ausgeschaltet werden. Im Bereich der Qualitätssicherung kann der strukturierte Datenaustausch die Abläufe deutlich vereinfachen und helfen, Fehler bei der Übertragung der Resultate zu vermeiden, denn alle Laborbefunde – welche gemäss oben genannten Austauschformaten rea­lisiert werden – lassen sich einer formellen und inhaltlichen Validierung unterziehen.

Pflege und Weiterentwicklung

Labormethoden ändern, neue kommen hinzu und alte verschwinden. Es braucht also Mechanismen, mit ­denen die Fachgesellschaften die Datenmodelle und Wertetabellen den sich ändernden Gegebenheiten ­anpassen können.
Da die zahlreichen jeweils gültigen Untersuchungs­methoden erfahrungsgemäss häufiger ändern als die Datenmodelle des Austauschformats, sind die gültigen Untersuchungsmethoden in sogenannte Value-Sets aus­gelagert und werden getrennt vom Austauschformat gepflegt.
Mit der Schweizerischen Laborprojektgruppe, einem Joint Venture von FAMH, IHE Suisse, HL7.ch und SULM, steht bereits eine entsprechende Organisation für die Pflege und Weiterentwicklung zur Verfügung. Die Laborprojektgruppe stellt sicher, dass die Labor-Austauschformate oder die darin verwendeten Value-Sets bei Bedarf aktualisiert werden, damit diese die neuen Bedürfnisse erfüllen.
HL7 und IHE Suisse ­Geschäftsstelle
Oberstrasse 222
Postfach 51
CH-9014 St. Gallen
hanselmann48[at]gmail.com
tony.schaller[at]medshare.net