Änderungen gemäss Heilmittelgesetz: Markt und Sicherheit

FMH
Ausgabe
2017/18
DOI:
https://doi.org/10.4414/saez.2017.05629
Schweiz Ärzteztg. 2017;98(18):555

Affiliations
Dr. med., Mitglied des FMH-Zentralvorstandes, Departementsverantwortlicher Public Health, Gesundheitsberufe und Heilmittel

Publiziert am 03.05.2017

In unserer hausärztlichen Gemeinschaftspraxis gilt bezüglich der Anwendung und Abgabe von Arznei­mitteln: So viel wie nötig, aber so wenig wie möglich. Dieser Maxime folge ich, seitdem ich in einer Konzernzentrale im Bereich Arzneimittelsicherheit gearbeitet habe: «There are no safe drugs, there are only safe doctors.» Die Liberalisierung der Arzneimittelwerbung hat zu erhöhtem Konsultationsbedarf in Arztpraxen und Apotheken geführt. Nun sind weiterführende Änderungen geplant.
Unsere Praxis bietet für den Medikamentenbezug die Lösung an, welche die Patientinnen und Patienten jeweils wünschen – den Direktbezug beim Arzt oder das Rezept für den Bezug via Apotheke. Gemäss neuem Heilmittelgesetz soll den Patienten grundsätzlich zusätzlich ein Rezept ausgestellt werden, damit sie frei wählen können, bei welchem Leistungserbringer sie ein Arzneimittel beziehen, auch dann, wenn sie ihr Medikament direkt bei ihrem behandelnden Arzt beziehen wollen. Diese praxisferne Regelung dürfte künftig wohl nicht nur die Ärzte-, sondern auch die Apothekerschaft beschäftigen, um in gleichem Masse die Wahlfreiheit für die Patienten zu gewährleisten. Den administrativen Mehraufwand bezahlen letztlich die Patienten.
Neu sollen nun auch die Abgabekategorien geändert werden. Statt den bisherigen Kategorien A, B, C, D, E sind nur noch verschreibungspflichtige und nicht verschreibungspflichtige Medikamente vorgesehen. Geplant ist auch, dass mehr Medikamente bei Grossverteilern und in Drogerien erhältlich sind. Wenige Medikamente werden von der heutigen Kategorie C nach B umgeteilt. Medikamente der Kategorien A und B sollen künftig neu von Apothekern direkt abgegeben werden können. Folgende drei Bedingungen müssen dabei erfüllt sein: Erstens − der Patient muss selbst in der Apotheke anwesend sein. Zweitens − es erfolgt eine entsprechende Dokumentation durch den Apotheker, denn Risiko, Haftung und Pharmakovigilanz liegen in diesem Fall allein bei ihm; die Dokumentation muss auch die zeitnahe Information des behandelnden Arztes einschliessen, was heute per Internet-Fax und Telefon in unserer Praxis gut funktioniert. Drittens – um die Patientensicherheit zu wahren, wird dies nur für eine von Experten festgelegte Liste von «Arzneimitteln und Indikationen» gelten, welche bei einfachen und häufigen Krankheitsbildern zum Einsatz kommen. Die richtige Indikationsstellung unter Berücksichtigung der Differentialdia­gnose, des Ausschlusses von Kontraindikationen und potentiell gefährlicher Verläufe erfolgt zuvor durch den Apotheker. In der Gruppe A finden sich auch Medikamente mit Abhängigkeitspotential: Bezüge über verschiedene Apotheken könnten somit zu mehrfachem missbräuchlichem Bezug führen.
Wenn aus Public-Health-Sicht von einem «Point of Care»-System ausgegangen wird, sollten in allen Offizin-
Apotheken gewisse einfache medizinische Leistungen und in jeder Arztpraxis die Abgabe von Medi­ka­menten möglich sein − und damit die national flächendeckende Selbstdispensation. Natürlich werden Arztpraxen und Apotheken ihre Schwerpunkte behalten, zu unterschiedlich sind die Aus- und Weiterbildungen. Ziel muss es sein, die Zusammenarbeit der Medizinal­berufe weiter zu verbessern, welche weder durch einen total freien Markt verzerrt noch durch ungeeignete Regulationen behindert wird. Wenn die Verhältnisse auf kantonaler Ebene stimmen, funktioniert dies auf lokaler Ebene bereits heute. Was ist die Voraussetzung? Entscheidend ist Vertrauen. Public-Health-Standards für interprofessionelle Projekte folgend, ist ein gleichzeitiger und adäquater Einbezug ­aller durch die Medikamentenkategorisierung betroffenen Berufsgruppen angezeigt und keine selektive «divide et impera»-Strategie. Behördliche Feuerwehrübungen und Schadensbegrenzungen im Nachhinein sind aus ärztlicher Sicht suboptimal für die Wahrung der Patientensicherheit.