Ein Award für Weiterbildende – wozu?

FMH
Ausgabe
2017/19
DOI:
https://doi.org/10.4414/saez.2017.05662
Schweiz Ärzteztg. 2017;98(19):589

Affiliations
Dr. med., Präsident des Schweizerischen Instituts für ärztliche Weiter- und Fortbildung SIWF

Publiziert am 10.05.2017

«I suppose I would want to be remembered as a competent clinical teacher. It is one of the highest professional privileges anyone can wish for.»
Dieses Zitat stammt von W. J. Hall, dem ehemaligen Präsidenten der internationalen Gesellschaft für Innere Medizin. Es bestätigt die enorme Bedeutung der ärzt­lichen Bildung für die Qualität eines jeden Gesundheitswesens. Das teaching, so meine Wahrnehmung, hat im angelsächsischen Raum einen sehr hohen Stellenwert. Ich hoffe, dass auch die meisten Ärztinnen und Ärzte, die hierzulande in der Aus- und Weiterbildung aktiv sind, der Aussage von W. J. Hall mit Überzeugung zustimmen können.
Die Aufgabe, Kompetenzen und Begeisterung für den Arztberuf zu vermitteln, wird ihnen heute jedoch nicht leicht gemacht. Es ist müssig, auf die wichtigsten Gründe dafür hinzuweisen. Sie sind bekannt: die ökonomischen und tariflichen Rahmenbedingungen, die Anforderungen an Produktivität und Effizienz, die knappen personellen Ressourcen und die administrative Belastung.
Gerechterweise müssen nach der positiven Wertung der angelsächsischen Lehr- und Lernkultur auch die Bedenken des Royal College of Physicians of London erwähnt werden, mit dem das SIWF im Bereich «Teach the Teachers» intensiv zusammenarbeitet. Was in der Broschüre Being a junior doctor – experiences from the front line steht, hat leider auch Geltung für ­unsere Lernatmosphäre: «Consultant physicians are struggling to find dedicated time for teaching and ­training due to increased demands on their time. Dedicated training time is often one of the first things to be sacrificed as clinics become busier and workload increases.»
Noch ist die Qualität der Aus- und Weiterbildung in der Schweiz insgesamt gut. Das Wetterleuchten am Bildungshorizont kann aber nicht übersehen, es kann höchstens verdrängt werden. Auch der Medizin­ethiker Giovanni Maio sorgt sich um die ärztliche Bildung [1]: «Durch das Diktat der Zeitökonomie wird eine Ärztegeneration ausgebildet, die nur ganz spezifische Fertigkeiten erlernt, gleichzeitig aber immer mehr verlernt, komplexe Probleme kreativ zu ­lösen. Und nichts braucht die Medizin der Zukunft, die zunehmend mit chronisch Kranken und Patienten mit Mehrfacherkrankungen zu tun haben wird, dringender als Ärzte, die in der Auseinandersetzung mit der erfahreneren Generation genau diese Bewältigung der Komplexität gelernt haben.»
Eine kürzlich publizierte Studie aus Lausanne bestätigt, dass Assistenzärzte täglich nur noch knapp 15 Minuten Zeit für den direkten Kontakt mit den einzelnen Patienten haben. Obwohl die notwendige Entlastung von ­administrativen Arbeiten in aller Munde ist, sind im ­Moment weit herum lediglich Absichtserklärungen zu hören. Die Zahl von Auskunftsbegehren der Krankenkassen nimmt laufend zu: Bei diesen scheint sich ein Status des grundsätzlichen Misstrauens entwickelt zu haben, der sich nur mit unerträglichem bürokratischem Aufwand «therapieren» lässt!
Ein Award für Weiterbildende – wozu also? Es geht bei der Ausschreibung in dieser Nummer der SÄZ nicht um den besten Weiterbildenden des Jahres oder um eine Rangliste. Vielmehr geht es um eine Anerkennung für Kaderärztinnen und -ärzte, die sich besonders bemühen, Kenntnisse, Fähigkeiten, Berufsfreude und Haltung zu vermitteln. Es geht um das persön­liche Engagement für die junge Generation – unge­achtet der oft nicht optimalen Rahmenbedingungen. Gewisse Entwicklungen lassen sich nicht kurzfristig umkehren. Umso wichtiger sind alle Bemühungen, die notwendige Breite und Tiefe der Facharztweiterbildung trotzdem bestmöglich zu erhalten. Ich hoffe, dass möglichst viele Ärztinnen und Ärzte in Weiterbildung möglichst viele Weiterbildner mit diesem Engagement erleben dürfen und für den Award nominieren.