Tarifgestaltung

Briefe / Mitteilungen
Ausgabe
2017/23
DOI:
https://doi.org/10.4414/saez.2017.05674
Schweiz Ärzteztg. 2017;98(23):721

Publiziert am 07.06.2017

Tarifgestaltung

Oeschger C. Bundesrätlicher Tarifeingriff hat weitreichende Konsequenzen. Schweiz Ärztezeitung. 2017;98(17):512–4.
Bezüglich Arzttarif ist die FMH nicht zum ersten Mal in der «bredouille». Ich finde aber, unser Berufsverband müsste sich in erster Linie selber an der Nase nehmen, weil er die divergierenden Interessen der Gruppe der invasiv tätigen KollegInnen und Spezialistinnen auf der einen Seite und die Gruppe der für die Grundversorgung zuständigen KollegInnen, Psychiatrie eingeschlossen, weiterhin nicht auszugleichen vermag. Das war schon zur Jahrhundertwende so, wobei damals die Gutmütigkeit der Grundversorger wesentlich dazu beigetragen hatte, dass überhaupt ein Tarif gemäss revidiertem KVG zustande kam – ohne bundesrätlichen Eingriff. Dass der Bundesrat, bei der eklatanten Uneinigkeit unter uns Ärzten bezüglich Tarif, jetzt handeln muss, war lange im Voraus angesagt.
Nun muss ich lesen, wie der Verordnungsentwurf von Bundesrat Alain Berset von den Zuständigen der FMH aus rein technischer Sicht zerpflückt wird. Ich lese aber nichts von Überlegungen zum übergeordneten Problem. Ich befürchte, dass nun bis zum 21. Juni 2017 vor allem nachgerechnet, aber nicht nachgedacht wird. Nachdenken darüber, worum es in allererster Linie geht; darüber, welches die allerdringendsten Prioritäten im real existierenden Gesundheitswesen sind. Ich möchte ein paar wenige Punkte erwähnen, welche meiner Meinung nach zuoberst auf die Traktandenliste gehören – auch in Sachen Tarif.
Wir haben ein Gesundheitswesen, welches kostenmässig aus dem Ruder läuft; womit die Frage gross im Raum steht, wie die vorhandenen Ressourcen, Finanzen inklusive, auf die verschiedenen Bereiche verteilt werden sollen.
Wir haben eine Grundversorgung, die im ärztlichen und im pflegerischen Bereich auszutrocknen droht; womit zuerst zu klären wäre, wie diese Bereiche attraktiver gemacht werden können, um die Grundbedürfnisse der Bevölkerung langfristig zu decken.
Wir haben in den vergangenen dreissig Jahren eine Entwicklung im Gesundheitswesen erlebt, welche einen enormen Sog in Richtung Spezialistentum erzeugt, welche einer fragmentierenden Sichtweise Vorschub leistet und dem ökonomischen Denken eine dominante Rolle einräumt; womit die FMH herausgefordert ist, diesem zunehmenden Ungleichgewicht, welches sich auch unter ihren Mitgliedern und in ihren Institutionen selbst spiegelt, prominent und eindeutig die adäquate Aufmerksamkeit zu schenken – ganz bestimmt auch in der Tarifdiskussion.
Wenn der Bundesrat nun den Tarif durchgibt, dann hat er weiss Gott gute Gründe, denn er muss ja das Ganze im Auge behalten. Wann endlich bringen es die Ärzte und Ärztinnen zustande, das Ganze in den Blick zu holen und vom Ganzen her die notwendigen Entscheidungen zu treffen? Die Ärzteschaft hat die Tarifgestaltung zur Nagelprobe auserwählt – hoffentlich besteht sie die Probe.