Duplik: Kostenexplosions-Klagen zum Zweiten

Briefe / Mitteilungen
Ausgabe
2017/2627
DOI:
https://doi.org/10.4414/saez.2017.05696
Schweiz Ärzteztg. 2017;98(2627):864

Publiziert am 27.06.2017

Duplik

Kostenexplosions-Klagen zum Zweiten

Brief zu: Streckeisen P. Ökonomisches Lamento. Schweiz Ärztezeitung. 2017;98(25):811.
Zur persönlichen Bemerkung vorneweg: Ich erhalte jede Woche rund fünf Anfragen für Interviews und Auskünfte, vor allem von Studentinnen und Studenten von Fachhochschulen (auch jener von Herr Streckeisen), z.B. nach ­Literaturangaben für Seminar- und Diplomarbeiten. Als seit über 20 Jahren selbstständiger Gesundheitsökonom sah ich mich daher gezwungen, klare Kriterien zu formulieren. Antwort bekommen nur noch Absender von Schulen, bei denen ich einen Lehrauftrag habe und die Anfrage nicht mit der Aufgabestellung verbundene Lerneffekte umgehen will. Auftragsforscher werden analog behandelt.
Wenn der Autor mit Herrn Prof. Sommer schon ein Interview führen konnte, dann hätte er die Dissertation von Jürg H. Sommer (Das Ringen um Soziale Sicherheit in der Schweiz, Rüegger-Verlag, Diessenhofen, 1978) lesen können. Dort hätte er erkennen können, dass Bundesbern bereits früher die Kostenentwicklung, die Probleme einer strukturellen Neuordnung in leistungsmässiger, finanzieller und organisatorischer Hinsicht thematisierte und beispielsweise einer Expertenkommission in Auftrag gab.
Darüber hinaus zeugt die Antwort von ei­nem antiquierten Verständnis von Ökonomie. Wirt­schaftswissenschaften haben in den letzten vierzig Jahren in verschiedener Hinsicht Versuche unternommen, Erkenntnisse aus anderen Wissenschaftszweigen in ihre Überlegungen einzubauen. Zu erwähnen ist beispielsweise der Bereich der Behavioural Economics, wo insbesondere auch psychologische Erkenntnisse Eingang gefunden haben.
Seriöse Ökonomen kommen nicht mit einem Überlegenheits-Anspruch daher, aber sie wissen in der Regel, wo ihre Kernkompetenzen liegen. «Was soll wie für wen produziert ­werden?» bildete seit jeher die Grundfrage wirtschaftlichen Handelns. Die Kosten-Pro­ble­matik kann daher nicht losgelöst von der Leistungs-Problematik betrachtet werden. Daher gilt auch: Medizin kommt vor, aber nicht statt Ökonomie. Qualität kommt vor, aber nicht statt Kosten. Medizin und medizinische Qualität sind nicht die Kernkompetenzen der Ökonomen, der Soziologen aber auch nicht. Der Umgang mit knappen Ressourcen ist dagegen Kernkompetenz der Ökonomie, nicht der Soziologen.
Wenn Soziologen den Anspruch erheben, gesellschaftliche Phänomene erklären zu können, so suggerieren sie, über der Medizin und der Ökonomie stehen zu wollen. Bis heute sind sie aber den Beweis schuldig geblieben, dass sie dies können. Dabei ginge es auch hier nicht um die Kosten, sondern um das Preis-Leistungs-Verhältnis.