«Reden rettet Leben – Speak Up!»

Weitere Organisationen und Institutionen
Ausgabe
2017/35
DOI:
https://doi.org/10.4414/saez.2017.05929
Schweiz Ärzteztg. 2017;98(35):1096–1097

Affiliations
Dr., Mitarbeiterin Stiftung Patientensicherheit Schweiz

Publiziert am 30.08.2017

Die Kommunikation zwischen den Mitarbeitenden in den Gesundheitsinstitutionen ist einer der zentralen Sicherheitsaspekte im Gesundheitswesen. Vorherrschende oder antizipierte Hierarchiestrukturen können jedoch die Kommunikation erschweren. Der Umgang mit ethischen Dilemmata, Emotionen, Ängsten und hohem Zeitdruck tut das Übrige dazu. Sicherheitsbedenken anzusprechen ist nicht einfach. Wenn Mit­arbeitende trotz Sicherheitsbedenken schweigen, ist das oft das Resultat eines komplexen Abwägungs­prozesses. Betroffene befürchten, Beziehungen zu gefährden, andere blosszustellen oder das Gegenüber zu verunsichern. Studienergebnisse aus den USA veranschaulichen das Problem: In der «Silence skills»-Studie von Maxfield et al. [1] aus dem Jahr 2005 hatten mehr als die Hälfte der befragten Fachpersonen Fehler, ­Regelverletzungen oder inkompetentes Verhalten beobachtet. Jedoch nur eine von zehn Personen hatte ihre Bedenken ausgesprochen.

Bei ungenügendem Austausch passieren Fehler

Schlechte Kommunikation im Team, mit anderen ­Abteilungen und anderen Berufsgruppen, nicht gelebtes Teamwork, Unterbrechungen, Ablenkungen und fehlendes teambasiertes Training sind inzwischen nicht nur als Fehlerquellen identifiziert, sondern auch anerkannt als wichtige Quelle systemisch bedingter Fehlerursachen mit einem konsekutiven Schädigungspotential. Den Akteuren im Gesundheitswesen muss allzeit bewusst sein, dass Fehler passieren können 
und dass sie sich darauf einrichten müssen respektive Vorkehrungen zu treffen sind, dass sich ein fehlerhaftes Ereignis nicht schädlich auswirkt oder die Aus­wirkungen wenigstens abgeschwächt werden. Kolleginnen und Kollegen anzusprechen und zu reagieren, wenn die ­Sicherheit von Patienten in einer Situation gefährdet ist, ist eine von vielen verschiedenen Möglichkeiten, um Gesundheitseinrichtungen sicherer 
zu machen. Speak Up ist ein Element, das darauf ­hinwirkt, die Sicherheit der Patientenversorgung zu ­gewährleisten. Trotz seines Potentials für eine höhere ­Patientensicherheit ist Speak Up im Alltag der Ge­sundheitsversorgung nicht immer selbstverständlich. Entsprechend wird Speak Up als Sicherheitsressource noch lange nicht vollständig ausgeschöpft. Warum ist das so, dass es Mitarbeitenden schwerfällt, die Kolleginnen und Kollegen auf einen potentiellen Fehler hinzuweisen? Die Gründe liegen weniger in persön­licher Inkompetenz zum Speak Up, sondern haupt­sächlich in unserer Wahrnehmung unserer sozialen Umgebung und in deren Reaktionen. Die Hürden sind auf drei Ebenen zu finden: 1. in der Organisation und ­deren Kontexten, 2. in der Art und Weise, wie ­zwischenmenschliche Beziehungen am Arbeitsplatz gestaltet und wahrgenommen werden und 3. in der ­eigenen Persönlichkeit. Beim Etablieren einer Speak-Up-Kultur müssen diese drei Ebenen berücksichtigt und entsprechende Voraussetzungen geschaffen werden, um das Ansprechen von ­Sicherheitsbedenken zu erleichtern.
Speak Up steht nicht unabhängig von den übrigen Sicherheitsmassnahmen und entfaltet seine Wirkung zum Teil auch im Wechselspiel mit anderen Massnahmen. So fällt Speak Up bspw. leichter, wenn gewisse ­Regeln und Standards bestehen und auf diese beim Speak Up Bezug genommen werden kann. Speak Up – das Ansprechen von Sicherheitsbedenken, das Äussern von Vorschlägen und das Einbringen von Ideen – kann dazu beitragen, die Patientenversorgung sicherer zu machen. Es geht im Prinzip darum, Patientinnen und Patienten vor Gefahren zu schützen, Kolleginnen und Kollegen vor einem Fehler zu bewahren und gemeinsam zu lernen und Fehler nicht zu wiederholen.
Die Stiftung Patientensicherheit Schweiz hat sich diesem wichtigen Thema mit einem Projekt gewidmet, woraus ein Kurs und eine Schriftenreihe entstanden sind. Ausserdem stellt sie dieses wichtige Thema in den Fokus der diesjährigen Aktionswoche zur Patienten­sicherheit und lädt alle Gesundheitsinstitutionen ein, sich mit eigenen Aktivitäten zu beteiligen und aufzuzeigen, was alles in Sachen Speak Up bereits in den Einrichtungen getan wird.

Echtes Engagement ist gefragt

Die Aktionswoche Patientensicherheit 2017 findet vom 17. bis 22. September 2017 statt. Ziel der Ak­tionswoche ist es, das Thema Speak Up, das Ansprechen von Sicherheitsbedenken, sowohl in allen Gesundheitseinrichtungen als auch in der Öffentlichkeit noch breiter zu lancieren und auf deren Bedeutung hinzuweisen. Wir wollen ein klares Zeichen für das Speak Up setzen! Alle engagierten Akteure des Schweizer Gesundheitswesens werden einbezogen. Deshalb ist echtes Engagement aller Akteure gefragt. Nicht die Grösse einer Aktion ist entscheidend, sondern das Engagement in Sachen Patientensicherheit! Beteiligen auch Sie sich an der Aktionswoche zur Patientensicherheit und setzen Sie mit Ihrer Gesundheitseinrichtung ein Zeichen für Speak Up!
Dr. Olga Frank
Stiftung Patientensicherheit Schweiz
Asylstrasse 77
CH-8032 Zürich
Tel. 043 244 14 84
frank[at]
patientensicherheit.ch
1 Maxfield D, Grenny J, McMillan R et al. Silence kills. The seven ­crucial conversations for healthcare. Aliso Viejo (CA): American Association of Critical Care Nurses; Association of perioperative Registered Nurses; VitalSmarts;2005.
2 Gehring K, Schwappach D. Speak Up. Wenn Schweigen gefährlich ist. Schriftenreihe Nr. 8. 2015. www.patientensicherheit.ch
3 Careum Weiterbildung. Tageskurs «Speak Up» https://www.
careum-weiterbildung.ch/angebot/kurse/detail.php?id=9034
4 Aktionswoche Patientensicherheit 2017 www.aktionswoche-
patientensicherheit.ch