Ergänzung zu sehr wertvollem Beitrag

Briefe / Mitteilungen
Ausgabe
2017/35
DOI:
https://doi.org/10.4414/saez.2017.05950
Schweiz Ärzteztg. 2017;98(35):1106

Publiziert am 30.08.2017

Ergänzung zu sehr wertvollem Beitrag

Brief zu: Nadig T. Achtung Falle: Soll ich Sie krank schreiben?. Schweiz Ärztezeitung. 2017;98(32):1012–4.
Sehr geehrter Herr Nadig
Grundsätzlich unterstütze ich Ihren Artikel in der SÄZ vollumfänglich. Insbesondere habe ich eine grosse Wertschätzung für die Arbeit von Outplacementfirmen, welche eine wertvolle Unterstützung für die Wiedereingliederung in den Arbeitsprozess anbieten. Verantwortungsbewusste Grossfirmen bieten diese Dienstleistung oft auf Kosten des Arbeitgebers ihren gekündigten Kaderleuten an. Eine Grosszahl der gekündigten Mitarbeitenden hat aber keine Möglichkeit, dieses Angebot zu nutzen, da sie die Kosten selber tragen müssten. In diesem Fall wäre es eigentlich die Aufgabe des RAV, die Arbeitslosen zu unterstützen. Leider sind die Möglichkeiten der Arbeitslosenämter beschränkt für die Unterstützung der Entlassenen. Viele frisch Entlassenen fallen nach der Kündigung in ein Loch, da sie sich ungerecht behandelt fühlen und entwickeln existentielle Ängste. Vereinzelt treten neben Ärger und Wut auch eigentliche Hassgefühle gegen ihre Vorgesetzten auf, sodass eine sofortige Krankschreibung durch den behandelnden Hausarzt notwendig wird, um eine Kurzschlusshandlung (Suizid oder Amoktat) zu verhindern. Der Schreibende war 12 Jahre als Betriebsarzt und Arbeitsmediziner in der Pharmaindustrie in Basel tätig und arbeitet seit bald 15 Jahren als Hausarzt. Bereits als Betriebsarzt musste ich oft eine sofortige Krankschreibung und Überweisung an den Psychiater veranlassen, um eine Kurzschlusshandlung des gekündigten Mitarbeitenden zu verhindern. Oft geht der Kündigung ein länger dauerndes Mobbing voraus, sodass der Patient bereits in einem depressiven Zustand ist, welcher sofortige, vom Arbeitsamt verlangten, Bewerbungen nicht vornehmen kann. Eine Krankschreibung gibt ihm ­somit die Möglichkeit zur Regeneration und einem klaren Blick in die Zukunft. Umgekehrt werden von Firmen oft unnötige sofortige Freistellungen vom Arbeitsplatz bei Kaderpersonen ausgesprochen, welche keineswegs notwendig wären und eine ausgesprochene Demütigung für die Betroffenen darstellen. Erschwert wird die Situation oft durch die Tatsache, dass man meistens 2 – 3 Wochen Wartefrist in Kauf nehmen muss für einen ersten Termin beim Psychiater. Wie Sie richtig beschreiben, kann in der heutigen Zeit eine ­Kündigung jeden treffen auch ohne eigenes Verschulden. Aus diesem Grund ist eine depressive Reaktion (von den Psychiatern heutzutage oft beschönigend als Anpassungsstörung bezeichnet) im Rahmen einer Kündigung für die meisten Leute und auch Versicherungen nachvollziehbar. Eine möglichst kurz ­dauernde Krankschreibung und adäquate psychologische und bei Bedarf auch medikamentöse Behandlung können durchaus heilsam sein zur Bewältigung dieser Krisensituation. Generell gilt wie in allen Fällen, dass eine Krankschreibung möglichst kurz und gerechtfertigt sein muss, aber bei Bedarf auch nicht verweigert werden soll. Ich sehe meine Ausführungen nicht als Kritik sondern als Ergänzung Ihres sehr wertvollen Beitrages in der SÄZ.
Mit freundlichen Grüssen