Zweiter bundesrätlicher Tarifeingriff: viele Fragen bleiben offen

FMH
Ausgabe
2017/35
DOI:
https://doi.org/10.4414/saez.2017.05967
Schweiz Ärzteztg. 2017;98(35):1091

Affiliations
Dr. med., Mitglied des FMH-Zentralvorstandes, Departementsverantwortlicher Ambulante Versorgung und Tarife

Publiziert am 30.08.2017

Am 16. August 2017 hat der Bundesrat entschieden. Nicht aber wie zu erwarten gewesen wäre über eine ­definitive Verordnung zum Tarifeingriff TARMED. Die Verordnung zum Eingriff in den TARMED-Tarif liegt nach wie vor nicht auf dem Tisch und wird für den Herbst in Aussicht gestellt.
Der Bundesrat selber spricht in seiner Medienmitteilung von einem Grundsatzentscheid, den Tarifeingriff per 1. Januar 2018 in Kraft zu setzen. Nachdem der Rahmenvertrag TARMED per 31. Dezember 2017 gekündigt ist, bedeutet das konkret, dass der Bundesrat per 1. Januar 2018 einen Amtstarif verfügen wird. Wie diese verfügte TARMED-Tarifstruktur 1.09_BR im Detail aussehen wird, ist zurzeit noch offen.
Neben diesem Grundsatzentscheid veröffentlichte der Bundesrat auch ein Faktenblatt zu den wichtigsten Anpas­sungen gegenüber der Vernehmlassungsversion des Tarifeingriffs.
Auch der Bundesrat hat offensichtlich festgestellt, dass der primäre Vernehmlassungsvorschlag die ambulante Versorgung und die hochstehende Qualität des Schweizer Gesundheitswesens gefährdet hätte. Teilweise wurde also die Kritik der Ärztegesellschaften aufgenommen, dennoch bleibt das Fazit: Durch diesen bundesrätlichen Eingriff wird die ambulante Gesundheitsversorgung beeinträchtigt und nicht gestärkt. Damit ist dieser Entscheid vor dem Hintergrund einer politisch gewünschten Stärkung der ambulanten Medizin ein falsches Zeichen in die falsche Richtung.
Am 18. August 2017 nahmen die Präsidenten der Haus- und Kinderärzte Schweiz mfe, der chirurgisch und inva­siv tätigen Ärztinnen und Ärzte fmCh und der psych­iatrisch-psychotherapeutisch tätigen Ärztinnen und Ärzte FMPP erstmals gemeinsam mit der Delegation der FMH Stellung zum Bundesratsentscheid und zum Tarifeingriff. Diese bedeutsame, gemeinsame Medienkonferenz wurde vom Präsidenten der FMPP als «2e miracle de Berne» bezeichnet. Trotz gewisser Anpassungen im Bereich Kinder unter sechs Jahren, ­älteren Menschen, psychisch kranker Personen und im Notfallbereich sowie bei einzelnen Limitationen bleibt der Tarifeingriff nicht sachgerecht: Leistungen bei Kindern über sechs Jahre oder beispielsweise die Aufhebungen von Handlungsleistungen wie bei den Dermatologen und viele weitere Massnahmen halten einer betriebswirtschaftlichen Überprüfung nicht stand. Diese Mängel haben die Präsidenten der Dachgesellschaften und die FMH anhand von Beispielen an der Medienkonferenz aufgezeigt.
Man kann nicht den Slogan «ambulant vor stationär» propagieren, gleichzeitig aber die ambulante Versorgung schwächen und sich auf Kosten der Prämienzahler weigern, den gewollten Anstieg der ambulanten Leistungen mitzufinanzieren.
Alle Vertreter der Ärzteschaft waren sich einig, dass wir einen starken, tarifpartnerschaftlichen und sachgerechten ambulanten Tarif nach betriebswirtschaft­lichen Kriterien brauchen, um die gesundheitspolitische Forderung «ambulant vor stationär» von Bund und Kantonen umsetzen zu können.
Unisono und unmissverständlich haben alle Vertreter der Dachgesellschaften und die FMH an der Medienkonferenz betont, dass für die Ärzteschaft nur eine sachgerechte Gesamtrevision des ambulanten Tarifs TARMED der einzig richtige Weg ist, um die kostengünstige ambulante Medizin und Versorgung zu stärken und für die zukünftigen grossen Herausforderungen fit zu machen. Im Rahmen des Projekts TARCO arbeitet die FMH gemeinsam mit den in der Ärzte­kammer vertretenen Organisationen an der Gesamt­revision des TARMED. Ziel ist es, den revidierten Tarif per Juni 2018 mit allen Tarifpartnern beim Bundesrat zur Genehmigung einzureichen.