Antibiotikaresistenzen: die Rolle der Patienten im One- Health- Ansatz

FMH
Ausgabe
2017/45
DOI:
https://doi.org/10.4414/saez.2017.06164
Schweiz Ärzteztg. 2017;98(45):1497–1498

Affiliations
a Wissenschaftliche Mitarbeiterin Abteilung Public Health FMH; b Leiterin Abteilung Public Health FMH

Publiziert am 08.11.2017

Am 3. September 1928 entdeckte Alexander Fleming Schimmelpilze auf seinen ­Bakterienkulturen, die eine wachstumshemmende Wirkung hatten. Dies war die Geburtsstunde des ersten modernen Antibiotikums. Die Entwicklung zählt zu den bedeutendsten Fortschritten in der Medizin. Unsachgemässer Gebrauch und übermässiger Einsatz führen jedoch dazu, dass Bakterien gegen Antibiotika resistent werden. Die Konsequenzen betreffen Mensch, Tier, Landwirtschaft und Umwelt – was nach einem One-Health-Ansatz [1] im Umgang mit der Problematik verlangt und auch die Patienten in die Verantwortung nimmt.
Antibiotika sind heute aus der medizinischen Versorgung von Mensch und Tier nicht mehr wegzudenken. Sie sind zentrale Medikamente für die Behandlung von bakteriellen Infektionen. Die Kehrseite der Medaille stellen die zunehmenden Resistenzen dar. Die Schweiz ist gemeinsam mit der internationalen Gemeinschaft gefordert. Antibiotikaresistenzen sind ein Problem für die Gesundheitsversorgung, aber auch für Landwirtschaft und Umwelt. Sollen Antibiotika auch in Zukunft erfolgreich eingesetzt werden, ohne allseitig einen Bärendienst zu erweisen, braucht es ein gemeinsames und entschiedenes Vorgehen von allen involvierten Disziplinen. Dieser sogenannte One-Health-Ansatz wird auch im Rahmen der nationalen Strategie Antibiotikaresistenzen Schweiz (StAR) verfolgt [2]. Diese wurde am 18. November 2015 vom Bundesrat verabschiedet und sieht für die Schweiz Massnahmen in acht strategischen Handlungsfeldern vor. Es handelt sich dabei um die Felder Prävention, sachgemässer Antibiotikaeinsatz, Rahmenbedingungen, Information und Bildung, Kooperation, Forschung und Entwicklung, Überwachung sowie Resistenzbekämpfung, in welchen nun schrittweise Massnahmen umgesetzt werden.
In der breiten Öffentlichkeit wird das Thema Anti­bioti­ka­resistenzen im Rahmen des verfügbaren Wissens thematisiert und mehr oder weniger diskutiert. Unterschiedliche Massnahmen sollen u.a. dazu beitragen, dass die Öffentlichkeit verstärkt darüber informiert ist, was Antibiotika sind, wie sie wirken, welche Vor- und Nachteile sie haben, wie sie anzuwenden sind und weshalb Resistenzen entstehen können. Denn Gesundheit entsteht im Alltag und im soziokulturellen Kontext, in dem die Menschen leben. Die interprofessionelle Zusammenarbeit ist ein zentrales Instrument in Bezug auf die Umsetzung des eben genannten Anliegens.
Der vorliegende Artikel beleuchtet die Thematik aus der Sicht Humanmedizin. Der zweite Artikel in dieser Ausgabe stammt von der Gesellschaft Schweizer Tierärztinnen und Tierärzte. In beiden Artikeln werden Beispiele erläutert, die das Wissen um Antibiotika­resistenzen verbessern sollen, so dass durch verantwortungsbewusste Entscheidungen eine Resistenz­senkung erreicht werden kann.

Die Rolle des Patienten

Den Patienten kommt eine zentrale Rolle zu, aber auch den beratenden Ärztinnen und Ärzten. Ziel muss das Empowerment jedes Einzelnen sein. Es geht darum, den Menschen als Bürger und Patienten zu befähigen und in die Lage zu versetzen, stufengerecht Entscheidungen zu treffen, auch in Bezug auf den Antibio­tikagebrauch. Eine Massnahme in Bezug auf die ­Be­kämpfung von Antibiotikaresistenzen ist das Zurverfügungstellen von Informationen, durch die 
gewährleistet sein soll, dass
– alle Personen diese Informationen stufengerecht finden und beurteilen können,
– alle Personen sich mit anderen darüber austauschen und reflektieren können,
– Patienten dem fachlichen Rat oder der Anweisung zur Antibiotikaeinnahme oder Nichteinnahme Folge leisten sowie das Medikamentenregime einhalten können,
– Patienten wissen, wann sie Bedarf an Beratung oder Leistungen im Gesundheitswesen haben.
Über die Sensibilisierung jedes Einzelnen kann erreicht werden, dass die Verantwortung im Umgang mit Antibiotika wahrgenommen und informierte Entscheidungen getroffen werden. In diesem Zusammenhang sind die Schnittstellen zwischen Setting, Mensch und Fachkräften zentral. Um die Gesundheitskompetenz von Antibiotikaempfängerinnen und Antibiotikaempfängern zu verbessern und den verschreibenden Ärztinnen und Ärzten sowie Antibiotika abgebenden Apothekerinnen und Apothekern unterstützendes Informationsmaterial zur Seite zu stellen, wurden eingängige Kernbotschaften um Antibiotikagebrauch erarbeitet.

Patienteninformationsmaterial – ­Antibiotika richtig einsetzen

Die Patienteninformationsmaterialien sollen die Pa­tientin und den Patienten direkt bei der Abgabe von Antibiotika ansprechen und für das richtige Verhalten im Falle von einer bzw. keiner Abgabe von Antibiotika sensibilisieren.
Um die zentralen Kriterien und Kernbotschaften für Patienteninformationsmaterialien im Bereich Antibiotikaresistenzen zu erfassen, wurden Mithilfe von Charting (strukturierte Erfassung von Schlüsselementen) und Collating (Sortierung, Systematisierung, Kategorisierung sowie Zusammenfassung und Verschriftlichung von Ergebnissen) die prioritären Elemente bestimmt. Das Collating wurde von Ärztinnen und Ärzten sowie Fachpersonen des BAG vorgenommen. Die zentralen Kernbotschaften umfassen schwergewichtig ­Verschreibungspflicht, Wirkungsweise, Compliance, Dosierung, Risiken von übermässigem Einsatz sowie Behandlungsoptionen. Die Patienteninformationsmaterialien wurden zielgruppengerecht aufgearbeitet, klar gegliedert, in verständlicher Sprache verfasst sowie angemessen illustriert. Über alle Themen zentral war die Evidenz der vermittelten Kernbotschaften.

Patienteninformationsmaterial – ­Bestellmöglichkeit

Die Informationsmaterialen für den Einsatz in Arztpraxen, Spitälern und Apotheken werden im Rahmen eines Mediengesprächs mit dem BAG, BLV, BLW und BAFU während der Antibiotika-
Awareness-Woche 2017 am 10. November 2017 vorgestellt. Die Materialien können ab diesem Datum kostenlos unter www.antibiotika-richtig-einsetzen.ch bestellt werden.

Antibiotikaresistenzen gemeinsam bekämpfen

Die geeigneten Informationsgefässe für Antibiotikaempfängerinnen und Antibiotikaempfänger wurden gemeinsam durch das Bundesamt für Gesundheit (BAG), der Verbindung der Schweizer Ärztinnen und Ärzte (FMH) und dem Schweizerischen Apothekerverband (pharmaSuisse) ermittelt – dies in enger Zusammenarbeit mit einer Kommunikationsagentur, die sich auf agile Kommunikation spezialisiert hat. In zwei Fokusgruppen, unter Beteiligung von Ärztinnen und Ärzten der Schweizerischen Gesellschaft für Gynäkologie und Geburtshilfe, der Schweizerischen Gesellschaft für Pädiatrie, des Kollegiums für Hausarztmedizin, der SGAIM sowie Fachexperten aus dem Bereich Infektiologie, wurden die Materialien geprüft und weiterbe­arbeitet. Die interprofessionelle Zusammenarbeit brachte Patienteninformationsmaterialien hervor, die unter gemeinsamer Anwendung einen Beitrag leisten können, Antibiotikaresistenzen zu bekämpfen.
Der gemeinsame Auftritt verfolgt das Ziel, dass die ­Patienten überall dieselben evidenzbasierten Botschaften erhalten und die Information Wiedererkennungswert hat. Ärztinnen und Ärzte können durch die Verwendung der Patienteninformationsmaterialien in der Kommunikation mit dem Patienten mit dazu bei­tragen, dass diese ihre Verantwortung als Teil des One- Health-Ansatzes wahrnehmen können.
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2 Nationale Strategie Antibiotikaresistenzen Schweiz (StAR), https://www.star.admin.ch