Antibiotikaresistenzen entgegenwirken: One-Health-Ansatz

FMH
Ausgabe
2017/45
DOI:
https://doi.org/10.4414/saez.2017.06188
Schweiz Ärzteztg. 2017;98(45):1483

Affiliations
Dr. med., Mitglied des FMH-Zentralvorstandes, Departementsverantwortlicher Public Health und Gesundheitsberufe

Publiziert am 08.11.2017

Vom 13. bis zum 19. November 2017 findet auf Initiative der Weltgesundheitsorganisation WHO die World Antibiotic Awareness Week statt. Auch die Schweiz beteiligt sich an diesen Aktivitäten. Die Awareness-Woche hat zum Ziel, der breiten Öffentlichkeit und Fachpersonen mehr über den umsichtigen Umgang mit Antibiotika und Antibiotikaresistenzen näherzubringen. Die ­Wo­-
che wird von den Bundesämtern für Gesundheit, Lebens­mittelsicherheit und Veterinärwesen, Landwirtschaft und Umwelt koordiniert.
Ein effizienter Umgang mit Antibiotikaresistenzen erfordert ein breites, koordiniertes Vorgehen nach dem «One-Health-Ansatz»: Mensch, Tier und Umwelt sind betroffen. Die FMH und verschiedene Fach­gesellschaften engagieren sich seit langem sowohl direkt als auch indirekt beispielsweise im Rahmen der Strategie Antibiotikaresistenzen StAR oder der Swiss NOSO. Es liegt im Interesse der Ärzteschaft, weiterhin wirksame Antibiotika zur Verfügung zu haben. Die Grundsätze im Umgang mit Medikamenten sind bekannt: Erstens dem Patienten nicht schaden. Zweitens sind Nutzen und Risiko einer Behandlung abzuwägen. Generell gilt aber beim Einsatz von Medikamenten: so viel wie nötig, aber so wenig wie möglich, um Polypharmazie und Überdosierungen zu vermeiden. Antibiotika allerdings müssen in der richtigen Dosis über einen definierten Zeitraum eingenommen werden. Eine neuere Studie zeigt, dass die Antibiotika-Verschreibung im ambulanten Bereich in der Schweiz im europäischen Vergleich (Datenbasis European Surveillance of Antimicrobial Consumption Network ESAC-Net, 2013 bis 2015) nur einen Viertel des europäischen Durchschnitts ausmacht. Aus Public-Health- Sicht kann die Schweiz aber in drei Bereichen noch mehr beitragen: weniger Antibiotika in der Landwirtschaft, bessere Durchimpfungsrate hinsichtlich Grippe und eine tiefere Raucherprävalenz. 40 Prozent aller Grippepatienten benötigten gemäss einer deutschen Studie aufgrund bakterieller Sekundärinfekte Antibiotika. Zudem brauchen Raucher wegen gehäufter bakterieller Infekte ein Mehrfaches an Antibiotika, wie eine grosse finnische Studie belegt. Auch ist Rauchen ein unabhängiger Risikofaktor, der insbesondere in Asien das Entstehen multiresistenter Tuberkulosebakterien begünstigt. In Zeiten der Globalisierung sitzen wir hinsichtlich übertragbarer Krankheiten alle im selben Boot.
Zur Sensibilisierung der Bevölkerung wurde im Rahmen der StAR ein «Faktenblatt» in Form eines Flyers entwickelt: Patientinnen und Patienten wird dabei in einfachen Worten erklärt, wie sie sich verhalten sollen im Falle, dass sie ein Antibiotikum erhalten haben, oder weshalb sie kein Antibiotikum erhalten haben und was zu beachten ist. Im Sinne von «One Health» findet sich in dieser Ausgabe neben einem Artikel des Departements Public Health und Gesundheitsberufe, das auch für den Heilmittelbereich verantwortlich ist, ein Artikel der Schweizerischen Gesellschaft der Tierärztinnen und Tierärzte. Dabei werden grundsätzliche Zusammenhänge zwischen Tierhaltung und Antibiotika-Einsatz aufgezeigt.
Studien (vgl. www.anresis.ch) belegen, dass für die Qualität der Antibiotika-Verschreibung das Vorhandensein eines Praxislabors entscheidend ist. Zentral sind weiter die mehrjährige klinische Ausbildung und Erfahrung, die eine gute Anamneseerhebung und körperliche Untersuchung erlauben. Eine gute Diagnosestellung ist immer noch die wichtigste Voraussetzung für richtige Therapieentscheidungen, die im Gespräch mit Patientinnen und Patienten gefällt werden.