Menschliche Zuwendung statt elektronische Fernwartung

Briefe / Mitteilungen
Ausgabe
2017/46
DOI:
https://doi.org/10.4414/saez.2017.06206
Schweiz Ärzteztg. 2017;98(46):1540

Publiziert am 15.11.2017

Menschliche Zuwendung statt ­elektronische Fernwartung

Rauschähnliche Zustände und kühne Visionen befallen Politiker, Beamte und IT-Anbieter, wenn es um die Digitalisierung im Gesundheitswesen geht. Wenig Freude herrscht jedoch beim medizinischen Bodenpersonal. Dieses reagiert skeptisch, ja sogar störrisch. Könnte man das viele Geld und den ganzen Aufwand für das Elektronische Patientendossier nicht woanders besser investieren? Zum Beispiel bei der Förderung der Gesprächskultur in der Medizin: Mit angepassten Tarifpositionen für Gespräche in der Praxis und mit gezieltem Training der kommunikativen Fertigkeiten im Studium und in der Weiterbildung? Der Bedarf von Seiten der Patienten ist da! Seit kurze­m springen pensionierte Ärztinnen und Ärzte in die Bresche und bieten im «Café Med» den ratsuchenden Patientinnen ein offenes Ohr an [1]. Das Projekt aus Zürich soll auf weitere Städte ausgedehnt werden. Offen­sichtlich suchen kranke Menschen Zuwendung – die elektronisch gesteuerte Fernwartung entspricht nicht ihren Bedürfnissen. Ich bin dankbar, dass die SÄZ die Thematik kritisch beleuchtet, zum Beispiel mit den konkreten Fragen von Bruno Kesseli beim Interview mit Pascal Strupler vom BAG [2]. Aufschlussreich ist auch die Darstellung von Yvonne Gilli zur Entwicklung in den USA [3]. Allerdings muss man gar nicht bis nach Amerika gehen: Auch bei unserem nördlichen Nachbarn gibt es bereits Anzeichen einer heilsamen Ernüchterung. Wichtige Akteure im deutschen Gesundheitswesen bezweifeln den Nutzen einer elektronischen Gesundheitskarte. Das «manager magazin», eine Publikation aus demselben Verlagshaus wie der «Spiegel», fasst in der Ausgabe vom August 2017 verschiedene Statements zusammen [4]. Fazit: «Elektronische Gesundheitskarte steht vor dem Aus.»
1 NZZ (2017): Ärztliche Zweitmeinung bei Kaffee und Kuchen (http:// www.nzz.ch/zuerich/neues-medizi­nisches-angebot-in-zuerich-aerztliche-zweitmeinung-bei-kaffee-und-kuchen-ld.1304118 [Stand 6.11.2017]).
2 Kesseli B. Interview mit Pascal Strupler: «Wir ­müssen die Vorteile des EPD aufzeigen». Schweiz Ärztezeitung. 2017;98(44):1472–6.
3 Gilli Y. Das elektronische Patientendossier: Die ­eierlegende Wollmilchsau? Schweiz Ärztezeitung. 2017;98(44):1477–8.
4 manager magazin (2017): Elf Jahr nach dem Start –
Elektronische Gesundheitskarte steht vor dem Aus (http://www.manager-magazin.de/politik/
deutschland/elektronische-gesundheitskarte-vor-dem-aus-a-1161677.html
[Stand 6.11.2017]).