Der neue HTA-Bericht des Swiss Medical Board (SMB) betrifft das Thema:

Kombinationstherapie oder Monotherapie bei Alzheimer-Krankheit?

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Ausgabe
2017/48
DOI:
https://doi.org/10.4414/saez.2017.06213
Schweiz Ärzteztg. 2017;98(48):1605

Publiziert am 29.11.2017

Bei Patienten mit mittelschwerer bis schwerer Alzheimerkrankheit wird häufig eine Kombination von Cholinesterase-Inhibitoren und Memantin verschrieben. Aus den bisher vorliegenden klinischen Studien ist kein wesentlicher Vorteil gegenüber der Verabreichung nur eines der beiden Medikamente ersichtlich. Demzufolge wird die Kombinationstherapie bei diesen Patienten vom SMB nicht empfohlen, in Übereinstimmung mit der aktuellen Vergütungspraxis der Krankenversicherungen.
Der Appraisal-Bericht1 kurz zusammengefasst:
Die Alzheimerkrankheit ist eine der häufigsten Formen von Demenz. Für die medikamentöse Behandlung bei leichter bis mittelschwerer Alzheimerkrankheit sind Cholinesterase-Inhibitoren und für mittelschwere bis schwere Formen Memantin zugelassen. In der Praxis werden beide Arzneimittel häufig in Kombination verschrieben, wobei die gesetzliche Krankenversicherung derzeit nur eine Monotherapie mit einem dieser beiden Medikamente vergütet. Anträge eines Herstellers für die vollständige Kostenübernahme der Kombinationstherapie wurden im Jahr 2012 vom Bundesamt für Gesundheit (BAG) mangels Evidenz für Wirksamkeit und Angemessenheit abgelehnt.
Aufgrund von neun randomisierten kontrollierten Studien wurden für den Bericht des SMB die Wirksamkeit, die Sicherheit und das Kosten-Nutzwert-Verhältnis der Kombinationstherapie im Vergleich zur Monotherapie bei Patienten mit mittelschwerer bis schwerer Alzheimerkrankheit untersucht. Die Kombinationstherapie wurde in sieben der einbezogenen Studien mit einer Cholinesterase-Inhibitor-Monotherapie verglichen, in einer mit einer Memantin-Monotherapie, und eine Studie umfasste beide Vergleiche. Die kurzfristige Nachbeobachtung (bis zu 9 Monaten) ergab für die Kombinationstherapie im Vergleich zur Cholinesterase-Inhibitor-Monotherapie eine statistisch signifikante Verbesserung der Kognition, der Aktivitäten des täglichen Lebens, des klinischen Gesamteindrucks und der Belastung oder des Stresses für die Betreuungsperson. In Bezug auf den Aufschub bei der Pflegeheimunterbringung wurde kein Unterschied zwischen den untersuchten medikamen­tösen Behandlungsoptionen festgestellt. Andererseits zeigt die kurzfristige, nicht aber die langfristige Nach­beobachtung bei der Kombinationstherapie mehr un­erwünschte Nebenwirkungen. Die gesundheitsökonomische Analyse begünstigt die Kombinationstherapie leicht. Rechtliche und ethische Betrachtungen beruhten meist auf Annahmen und haben daher die Schlussfolgerungen des Berichts nicht wesentlich verändert.
Es ergibt sich für die untersuchten Therapieoptionen praktisch ein Gleichgewicht zwischen Vor- und Nachteilen bei gleichzeitiger Unsicherheit, wie gross der Nutzen z.B. hinsichtlich Verzögerung einer Pflegeheimunterbringung tatsächlich ist. Dies führte dazu, dass in Übereinstimmung mit der aktuellen Vergütungspraxis der Krankenversicherungen eine medikamentöse Kom­binationstherapie (im Vergleich zur Monotherapie) für Patienten mit mittelschwerer bis schwerer Alzheimerkrankheit nicht empfohlen wird. Die geringen kurz­fristigen Vorteile, die mit der Kombinationstherapie ­beobachtet wurden, wiegen wahrscheinlich deren potentielle Nachteile nicht auf. Für einen gemeinsamen Therapieentscheid von Arzt, Patient und – in vielen Fällen – Angehörigen sollten individuelle Aspekte einbezogen werden. Dazu gehören neben der Einhaltung der täglichen Medikamenteneinnahme besonders die Frage, ob und wie eine etwaige Verbesserung der Lebensqualität wahrgenommen wird, aber auch die durch eine Kom­binationstherapie zusätzlich entstehenden Kosten. Der Wunsch nach kurzfristigen positiven Effekten kann für einen Versuch mit der Kombinationstherapie sprechen, welcher später bei Auftreten von schwerwiegenden Nebenwirkungen allenfalls wieder beendet werden muss.
Es bedarf weiterer Langzeitstudien, insbesondere zur Beurteilung, ob mit einer Kombinationstherapie eine Pflegeheimunterbringung verzögert bzw. Kognition und Lebensqualität verbessert werden können.
Susanna Marti Calmell,
Trägerschaft Swiss Medical Board
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