Sterben und Tod – überreguliert?

Briefe / Mitteilungen
Ausgabe
2018/0102
DOI:
https://doi.org/10.4414/saez.2018.06344
Schweiz Ärzteztg. 2018;99(0102):14

Publiziert am 03.01.2018

Sterben und Tod – überreguliert?

Brief zu: Kind C. Revidierte Richtlinien zum Umgang mit Sterben und Tod. Schweiz Ärztezeitung. 2017;98(49):1642–3.
Zwei Erfahrungen:
1. Ein 50-jähriger Unternehmer, Vater von zwei Söhnen, leidet an einer schweren Depression. Trotz ambulant und stationär durchgeführter langjähriger Therapie erhängt er sich. Soll sich der Facharzt vor Gericht verantworten müssen, weil er keinen FFE veranlasst hat? Hat seine Urteilsfähigkeit (UF) versagt?
2. Eine noch rüstige Seniorin leidet an einer dementiellen Entwicklung. Nach Bejahung ­ihrer UF durch zwei Ärzte wird sie in den Freitod begleitet. Warum muss sich der begleitende Arzt vor Gericht verantworten, weil der Rechtsmediziner post mortem die UF der Patientin in Zweifel zieht?
Laut Kriterien der SAMW-Richtlinien (26 Seiten) setzt eine Freitodbegleitung die UF des Patienten voraus, die, Zitat, «sorgfältig ab­geklärt werden muss, bei häufig die UF be­einträchtigenden Zuständen (z.B. psychische Krankheit, Demenz) durch einen entsprechenden Facharzt».
Dies entspricht einer weiteren Überregulierung und Medikalisierung des Freitods und ist abzulehnen. Aufgrund meiner Erfahrungen ist jeder Hausarzt und jede betreuende Drittperson genügend qualifiziert, im Regelfall die UF eines Patienten zu beurteilen.
Der kürzlich erfolgte Vorstoss eines Rechtsmediziners der Universität Bern, dem Hausarzt die Qualifizierung zur Leichenschau abzusprechen und generell eine zweite Leichenschau durch die Rechtsmedizin zu veranlassen, tendiert in die gleiche falsche Richtung und ist ebenso abzulehnen.