Elektromagnetische Felder im kontrollierten Visier

BERENIS – die beratende Expertengruppe und ihre Aufgaben

Weitere Organisationen und Institutionen
Ausgabe
2018/04
DOI:
https://doi.org/10.4414/saez.2018.06374
Schweiz Ärzteztg. 2018;99(04):94-95

Publiziert am 24.01.2018

Das BAFU beurteilt die Auswirkungen von nichtionisierender Strahlung

Das Bundesamt für Umwelt (BAFU) hat als Umweltfachstelle des Bundes die Aufgabe, die Forschung über gesundheitliche Auswirkungen nichtionisierender Strahlung (NIS) zu verfolgen, die Ergebnisse zu bewerten und die Öffentlichkeit über den Stand der Wissenschaft und der Erfahrung zu informieren. Dies bildet die Grundlage für die Immissionsgrenzwerte der ­Verordnung über den Schutz vor nichtionisierender Strahlung (NISV). Das BAFU würde dem Bundesrat eine Anpassung dieser Grenzwerte empfehlen, wenn neue gesicherte Erkenntnisse aus der Forschung oder aufgrund von Alltagserfahrungen dies erforderten.
Die Bewertung der Ergebnisse wissenschaftlicher Studien dient auch der Früherkennung potentieller Risiken. Es soll möglichst kein Hinweis auf Schädlichkeit, der ein Handeln erfordern würde, übersehen werden. Die Bewertung muss Aussagen darüber machen, wie stichhaltig biologische Effekte nachgewiesen sind, ob sie für die Gesundheit relevant sind und wie viele Menschen gegebenenfalls betroffen sind.
NIS ist ein weites Feld, welches eine Vielzahl von Anwendungen im Alltag umfasst, die ein breites Frequenzspektrum mit unterschiedlicher Intensität und anderen Strahlungscharakteristiken nutzen. Dazu kommt eine dynamische technologische Entwicklung, wodurch die Strahlungsemissionen vielfältiger und komplexer ­werden. Genauso mannigfaltig sind die biologischen Systeme, welche potentiell von NIS beeinflusst werden könnten. Entsprechend gibt es Studien aus vielen biologischen, medizinischen und technischen Spezial­gebieten, für deren Bewertung detailliertes Expertenwissen erforderlich ist.

Die Expertengruppe BERENIS

Zur fachlichen Unterstützung hat das BAFU im Jahr 2014 eine beratende Expertengruppe NIS (BERENIS) einberufen (zu den Mitgliedern siehe Kasten). Diese sichtet die neu publizierten wissenschaftlichen Arbeiten zum Thema und wählt diejenigen zur detaillierten Bewertung aus, die aus ihrer Sicht für den Schutz des Menschen von Bedeutung sind oder sein könnten. Die Ergebnisse der Evaluation werden vierteljährlich in Form eines Newsletters publiziert (https://www.bafu.admin.ch/bafu/de/home/themen/elektrosmog/news
letter.html). Newsletter können bestellt und abonniert werden bei stefan.dongus[at]swisstph.ch

Was ist nichtionisierende Strahlung?

Zur nichtionisierende Strahlung (NIS) gehören diejenigen elektromagnetischen Wellen, deren Energie nicht ausreicht, um andere Atome zu ionisieren. Dazu zählen unter anderem elektromagnetische Felder von Stromleitungen (z.B. Hochspannung, Bahn, Induktion), die hochfrequente elektromagnetische Strahlung von Mobilfunk und Funknetzwerken sowie die statischen Magnetfelder der Magnetresonanz (z.B. MRI, CT).

Auswahlkriterien für bewertete Studien

Die kritische Beurteilung von Studien ist zeitaufwendig, und es ist nicht möglich, alle neu erscheinenden Studien im Detail zu analysieren und zu diskutieren. Es sollen daher die für die Risikoabschätzung relevantesten Studien berücksichtigt werden. Prioritär werden dabei Studien behandelt, die möglichst viele der folgenden Kriterien erfüllen:
1) Allgemein
– Hohe wissenschaftliche Qualität
– Umweltrelevante Expositionen, d.h. in erster Linie NIS von Infrastrukturanlagen
– Neue wissenschaftliche Betrachtungsweisen
– In der Öffentlichkeit oder Wissenschaft kontrovers diskutierte Studien
2) Bei epidemiologischen Studien
– Relevant für die Gesundheit oder das Wohlbefinden von Menschen
– Expositionen im Bereich oder unterhalb der Immissionsgrenzwerte
– Ergebnisse aus der Schweiz oder die auf die Schweiz übertragbar sind
3) Bei experimentellen Studien
– Der untersuchte Effekt ist relevant für den Menschen
– Definierte Untersuchungsbedingungen inklusive Exposition
– Auswirkungen, welche mit den akzeptierten biophysikalischen Wirkungsmechanismen nicht erklärbar sind

Ergebnis

Vierteljährlich wurden an Ganztagessitzungen und in ausführlicher Vorbereitung zwischen 83 und 129 Studien pro Sitzung durchgesehen, zwischen 8 und 18 ausführlicher diskutiert und im vierteljährlich erscheinenden Newsletter besprochen. Insgesamt waren es bisher schon 1122 Arbeiten, die durchgesehen, und 132, die ausführlicher diskutiert wurden. Ein ganz ein­faches Fazit lautet: dass nichtionisierende Strahlen messbare Veränderungen in verschiedenen biologischen und psychologischen Bereichen bewirken und dass es Hinweise, aber bisher keine eindeutigen Beweise ­dafür gibt, dass diese als signifikante Krankheitsursachen verantwortlich gemacht werden können. Weitere Aufmerksamkeit auf dieses komplexe Thema ist aus medizinischer und biologischer Sicht ­sicher gerechtfertigt und notwendig.

Mitglieder der BERENIS

Prof. Dr. Martin Röösli, Schweizerisches Tropen- und Public Health-Institut, Basel (Leitung)
Prof. Dr. Peter Achermann, Institut für Pharmakologie und Toxikologie, Universität Zürich
Dr. Jürg Fröhlich, Fields at Work GmbH, Zürich
Prof. Dr. med. Jürg Kesselring, Ehem. Chefarzt Neurologie und Neurorehabilitation, Rehabilitationszentrum, Valens
Prof. Dr. Meike Mevissen, Vet-Pharmakologie und Toxikologie, Universität Bern
Dr. David Schürmann, Molekulare Genetik Gruppe, Departement Biomedizin, Universität Basel
Dr. med. Edith Steiner, Ärztinnen und Ärzte für Umweltschutz, Basel
Dr. Stefan Dongus, Schweizerisches Tropen- und Public Health-Institut, Basel (Sekretariat)
BAFU (Auftraggeber): Dr. Jürg Baumann, Dr. Gilberte Tinguely
Beobachter: Dr. Evelyn Stempfel (BAG), Roland Krischek (Suva), René Guldimann (SECO), Dr. Samuel Iff (SECO)
Prof. Dr. med. Jürg Kesselring, FRCP, ehem. Chefarzt Neurologie und Neuro­rehabilitation
Rehabilitationszentrum Valens
CH-7317 Valens
j.kesselring[at]
kliniken-­valens.ch