Reanimation versus Sterben in Ruhe

Briefe / Mitteilungen
Ausgabe
2018/03
DOI:
https://doi.org/10.4414/saez.2018.06377
Schweiz Ärzteztg. 2018;99(03):60

Publiziert am 17.01.2018

Reanimation versus Sterben in Ruhe

Brief zu: Mattmann E. Kardiale Wiederbelebung. Schweiz ­Ärztezeitung. 2017;98(51–52):1737.
Kollege Mattmann stellt in seinem Leserbrief die Frage nach der Kostenübernahme bei einer ungewünschten und unverlangten Wieder­belebung. Ich möchte seiner sehr berechtigten Frage noch einen weiteren Aspekt hinzufügen.
Vor kurzem konnte ich in meiner Umgebung den Ablauf einer Reanimation bei einer älteren Person miterleben. Aus vollster Gesundheit und wacher geistiger Präsenz stürzte sie und war nicht mehr ansprechbar. Sofort kam die Ambulanz und nach ca. 20 Minuten begann die professionelle Reanimation. Es erfolgte der Transport in eine Klinik und die Angehörigen wurden informiert. Nach zwei Tagen wurde von ärztlicher Seite erwähnt, dass die Pro­gno­se nicht gut sei. Ein Hirnschaden als Folge eines Sauerstoffmangels in den 20 Minuten Wartezeit sei zu erwarten. In gegenseitigem Einvernehmen wurde beschlossen, weitere medizinische Massnahmen einzustellen, und der Patient verstarb nach kurzer Zeit.
Ist der Ablauf dieses Geschehens unausweichlich oder wäre es denkbar, dass in einer solchen Akutsituation die bewusstlose Person nur entsprechend gelagert wird? Entweder wacht sie bald wieder auf, weil es nur ein harmloser Kollaps war, und sie kann selber entscheiden, ob sie ärztliche Hilfe in Anspruch nehmen will. Oder es handelt sich um eine schwere Störung wichtiger Körperfunktionen. Dann bleibt die Person bei eingeschränktem Bewusstsein oder ganz bewusstlos und der Sterbeprozess würde wohl bald beginnen.
Ein freier Entscheid diesbezüglich besteht in der Schweiz nicht. Wie kann man kundtun, dass man auf intensive Notfallmassnahmen und Wiederbelebung verzichten will, weil man lieber in Ruhe sterben möchte und dieses Sterben als einen wichtigen Teil seines Lebens empfindet? Wie teilt man geeignet mit, dass man keine Herzmassagen, Intubationen und Katheter möchte und dass man nicht mit Blaulicht in die hektische Umgebung einer Intensivstation mit Monitoring in hellem Licht eintre­ten möchte. Die Patientenverfügungen wirken in dieser Situation noch nicht.
Die kurze Zeit zwischen Eintreffen der Notfall­equipe und Beginn der Reanimation erlaubt keine differenzierten Überlegungen, ob die Massnahmen richtig und im Sinn des Erkrankten oder bereits Sterbenden sind.
Die NO CPR GmbH propagiert einen Hinweis auf der Brust. Die Buchstaben würden bedeuten, dass keine Reanimation in die Wege geleitet werden soll. Es entzieht sich aber meiner Kenntnis, ob deshalb auch wirklich auf Wiederbelebungs-Massnahmen verzichtet wird. Vermutlich würden hier noch Gesetz und Juristen mitreden wollen. Jedenfalls aber kann man die nächsten Angehörigen informieren, dass sie im Fall auch entsprechend handeln. Sie sind dann einer erheblichen Belastung und Konflikten ausgesetzt, wenn die Situation eintreffen sollte. Ein vorgängiges intensives Gespräch mit schriftlicher Dokumentation dazu ist sicher Voraussetzung und kann die Angehörigen und Medizinalpersonen bei der anschliessenden persönlichen Verarbeitung und auch bei behördlicher Befragung sehr entlasten.