FMH
Interprofessioneller sektorenübergreifender Behandlungspfad Kolorektalkarzinom veröffentlicht
Meilenstein beim Behandlungspfad Kolorektalkarzinom erreicht!
a lic.rer.oec, Leiterin Abteilung DDQ/SAQM, Bern; b Dr. med, Medizinische Onkologie und Allgemeine Innere Medizin, MAE, Past-Präsident SGMO und SFSM, Dielsdorf; c Dr. med., Allgemeine Innere Medizin, FACP, Past-Präsident SGAIM, Affoltern a. A.
Im Rahmen des Pilotprojekts interprofessioneller sektorenübergreifender Behandlungspfad Kolorektalkarzinom erarbeiteten und verabschiedeten in einem strukturierten Bottom-up-Prozess 20 in die Behandlung von Patientinnen und Patienten mit einem Kolorektalkarzinom involvierte Fachgesellschaften und Berufsgruppen die Grundlagen, damit alle Patientinnen und Patienten mit Kolorektalkarzinom (CRC), unabhängig von ihrem Wohnort in der Schweiz, eine qualitativ hochwertige, nach (inter-)nationalen evidenzbasierten Richtlinien bestmöglich koordinierte Versorgung erhalten.
Das nun veröffentlichte schematische Pfadmodell ist bei allen CRC-Patientinnen und -Patienten anwendbar, weil es zusätzlich zu den Aspekten der primären Tumorerkrankung sowohl Komorbiditäten als auch Lebenserwartung berücksichtigt.
Das generische Behandlungspfad-Modell wird nun dahingehend geprüft, ob es sich auch für andere nationale Behandlungspfade innerhalb und ausserhalb der Onkologie verwenden lässt.
Ausgangslage
Durch die Spezialisierung und die Fortschritte in der Behandlung von Krankheiten sind immer mehr Fachleute in die Abklärungs- und Behandlungskette eingebunden. Patientinnen und Patienten werden deshalb während einer Krankheitsphase sequenziell oder parallel von verschiedenen medizinischen und anderen Fachpersonen behandelt. Diese orientieren sich an Guidelines, welche idealerweise den Stand der Wissenschaft zusammenfassen. Um Patientinnen und Patienten2 auf ihrem Weg kompetent zu begleiten und Doppelspurigkeiten sowie unnötige Behandlungsverzögerungen zu vermeiden, sind komplexe Behandlungsabläufe zu koordinieren. An der Behandlung vieler Krebserkrankungen beteiligen sich Fachpersonen aus verschiedenen medizinischen Fachbereichen und Berufsgruppen. Die Patientinnen und Patienten sind deshalb auf eine optimale interdisziplinäre und interprofessionelle Zusammenarbeit angewiesen.
Fokus Kolorektalkarzinom
Für die «Nationale Strategie gegen Krebs 2014–2020» ist die Erarbeitung von Patientenpfaden/Behandlungspfaden zwar ein Kernelement, doch fehlen bislang für die Schweiz Daten zum Aufwand der Erarbeitung sektorübergreifender Behandlungspfade und zum Mehrwert ihrer Implementierung. Um diese Fragen zu beantworten, initiierte die SAQM im Jahr 2013 das Pilotprojekt «sektorübergreifender Behandlungspfad Kolorektalkarzinom». Das Krankheitsbild des Kolorektalkarzinoms drängte sich für ein solches Pilotprojekt auf, weil es eine interdisziplinäre und interprofessionelle Zusammenarbeit verlangt. Des Weiteren erstreckt es sich vom Screening über die kurative Erstbehandlung bis zur Betreuung am Lebensende. Vom Blutnachweis im Stuhl in der Grundversorgerpraxis bis zur Lebermetastasenchirurgie im Rahmen der hochspezialisierten Medizin wird die ganze Bandbreite der ambulanten und stationären Versorgung abgebildet.


Projektziele
Die Vertreter der 20 Organisationen, die in die Behandlung des CRC eingebunden sind, erarbeiteten gemeinsam die Grundlagen, welche gewährleisten, dass ein an einem Kolorektalkarzinom erkrankter Patient, unabhängig von seinem Wohnort in der Schweiz, eine qualitativ hochstehende, standardisierte und optimal koordinierte, auf anerkannten (inter-)nationalen Guidelines basierende Therapie erhält.
Neben der inhaltlichen Erstellung des Behandlungspfades sollen der Aufwand für dessen Erstellung und der Mehrwert einer Implementierung eines sektorenübergreifenden Behandlungspfads erfasst und Erfahrungen zur interprofessionellen Zusammenarbeit gesammelt und analysiert werden.
Breite Abstützung
An der Erarbeitung und Verabschiedung des sektorenübergreifenden Behandlungspfads Kolorektalkarzinom beteiligten sich 20 in die Behandlung involvierte Fachgesellschaften und Berufsgruppen. Die beteiligten medizinischen Fachgesellschaften und die verschiedenen nichtärztlichen Gesundheitsberufe wie beispielsweise Onkologiepflege, Stomatherapie oder Ernährungsberatung sind in Tabelle 1 zusammengefasst. Weil die Mitglieder des Projektteams (siehe Kasten) von den entsprechenden Berufsorganisationen offiziell delegiert wurden, war die fachliche und berufspolitische Verankerung des Pilotprojekts von Anfang an gewährleistet. An dieser Stelle ein grosses Dankeschön an die Mitglieder des Projektteams für ihren unermüdlichen Einsatz, ohne die dieses Projekt nicht realisierbar gewesen wäre.


Interprofessioneller sektorenübergreifender Behandlungspfad Kolorektalkarzinom – Methodik und Ergebnis
Das Projekt verfolgte einen multidisziplinären, strukturierten Bottom-up-Ansatz. Alle Entscheidungen im Projektteam mit den 20 Organisationen erfolgten im Konsens. Das gesamte Projektmanagement unterlag einer kontinuierlichen Planung, da die SAQM und die 20 Organisationen mit diesem Projekt in der Schweiz und auch im internationalen Vergleich Neuland betreten haben.
Die 20 Organisationen haben die oben stehenden Empfehlungen für das dreipfadige Behandlungspfad-Schema Kolorektalkarzinom verabschiedet (www.fmh.ch/files/pdf18/Schema_Behandlungspfad1.pdf).
Jeder Abschnitt des Behandlungspfads ist mit verschiedenen Key-Interventionen3 hinterlegt, welche die 20 Organisationen in einem ersten Schritt für ihren eigenen Fachbereich festlegten. In einem zweiten Schritt einigten sich alle beteiligten Organisationen auf ein gemeinsames Schlüsselinterventionsset. Die Evidenz der gewählten Key-Interventionen ist transparent aufgeführt. Da die Evidenz der Schlüsselinterventionen am besten in den NCCN-Guidelines dokumentiert ist und diese Leitlinien regelmässig adaptiert werden, haben sich die 20 Organisationen im Laufe der Arbeiten auf die Guidelines CRC des National Comprehensive Cancer Network (NCCN, www.nccn.org) als Basis für den Behandlungspfad festgelegt. Liegen jedoch von den Fachgesellschaften und Berufsgruppen anerkannte nationale Empfehlungen/Richtlinien vor, haben diese Vorrang vor den NCCN-Guidelines. Im vorliegenden Behandlungspfadschema (Abb. 2.) sind bei jeder neuen Krankheitssituation die Grundelemente Diagnostik/Staging und die damit verbundenen Basisabklärungen erforderlich. Diese Grundlage erst erlaubt eine Gliederung in potentiell heilbare Stadien, wahrscheinlich nicht heilbare Stadien und Lebensendsituationen als Voraussetzung für einen interdisziplinär erarbeiteten, situationsgerechten Behandlungsplan. Damit die interdisziplinären Fallbesprechungen (Tumorboards) den grösstmöglichen Nutzen erzielen können, sind für diese Minimalkriterien festgelegt worden.


Der Behandlungspfad dient als Qualitätssicherungs- und Qualitätsentwicklungsinstrument für eine multiprofessionelle evidenzbasierte Patientenbetreuung. Der Behandlungspfad gilt lediglich für den Regelfall und ist keine in jedem Einzelfall gültige Handlungsanweisung. Das Betreuungsteam berücksichtigt die individuelle Situation des Patienten (miteingeschlossen seine Komorbiditäten) und entscheidet im Einzelfall, ob und wie weit die Behandlung gemäss dem Behandlungspfad erfolgen soll und kann. Abweichungen von den Guidelines sind aber zu begründen.
Die Gesamtkosten (inkl. der Arbeitsstunden der SAQM und der beteiligten Organisationen sowie der nicht vergüteteten Stunden der Projektteammitglieder) für Entwicklung und Verabschiedung des hier vorliegenden Behandlungspfads belaufen sich auf ca. CHF 700 000. Dieser Aufwand wurde vollumfänglich von den beteiligten Leistungserbringer-Organisationen getragen.
Weiteres Vorgehen/Ausblick
Mit der Verabschiedung und Publikation des sektorenübergreifenden Behandlungspfads Kolorektalkarzinom ist der SAQM und den 20 beteiligten Organisationen ein erster Meilenstein gelungen, der auch internationale Beachtung fand. Als weiterer Projektschritt wird das vorliegende Behandlungspfad-Schema mit den hinterlegten Guidelines und Empfehlungen regelmässig auf die Aktualität geprüft, evaluiert und angepasst.
Gleichzeitig ist das vorliegende Behandlungspfad-Schema in der täglichen Arbeit mit den Patientinnen und Patienten durch die ärztlichen und medizinisch-therapeutischen Leistungserbringer umzusetzen. Hierfür sind Pilotregionen zu definieren, in denen Aufwand und Mehrwert im Rahmen einer Begleitstudie erforscht werden. Die Resultate dieser Begleitforschung sind zentral für eine allfällige Erarbeitung weiterer Behandlungspfade.
Neben den Guidelines und Empfehlungen, die den Behandlungsstandard für die Leistungserbringer beschreiben, erarbeiten wir zusammen mit dem Dialog Ethik (unter Beizug internationaler Experten) Qualitätskriterien für Patienteninformationen, damit diese den Patienten bei seiner Entscheidungsfindung unterstützen können.
Mitglieder des Projektteams
Jürg Pfisterer (Co-Projektleitung); Jürg Nadig (Co-Projektleitung); Esther Kraft (Co-Projektleitung); Varja Meyer (Co-Projektleitung bis 2016); Gieri Cathomas (Schweiz. Gesellschaft für Pathologie); Regula Capaul (Schweiz. Gesellschaft für Allgemeine Innere Medizin); Stephan Vorburger (Schweiz. Gesellschaft für Chirurgie); Peter Bauerfeind (Schweiz. Gesellschaft für Gastroenterologie); Florian Strasser (Schweiz. Gesellschaft für Palliative Medizin, Pflege und Begleitung); Felicitas Hitz (Schweiz. Gesellschaft für Medizinische Onkologie); Christoforos Stoupis (Schweiz. Gesellschaft für Radiologie); Stephan Eberhard (Oncoreha); Adrienne Imhof (Schweiz. Gesellschaft für Viszeralchirurgie); Judith Adler (Schweiz. Gesellschaft für Psychoonkologie); Annette Ringger (Schweiz. Gesellschaft für Allgemeinchirurgie und Traumatologie); Antonio Nocito (Schweiz. Gesellschaft für Viszeralchirurgie); Michael A. Patak (Schweiz. Gesellschaft für Radiologie); Niklaus Schäfer (Schweiz. Gesellschaft für Nuklearmedizin); Martin Hübner (Schweiz. Gesellschaft für Viszeralchirurgie); Frank Zimmermann (Schweiz. Gesellschaft für Radio-Onkologie SRO); Irène Bachmann-Mettler (Onkologiepflege Schweiz); Béatrice Lütolf (Physioswiss); Monica Rechsteiner (Schweiz. Verband dipl. Ernährungsberater/innen); Yvonne Fent (Schweiz. Vereinigung der StomatherapeutInnen SVS); Maya Zumstein-Shaha (Schweiz. Verein für Pflegewissenschaft VFP); Nadine Behnke (Schweiz. Gesellschaft für Palliative Medizin, Pflege und Begleitung); Jürg Bernhard (Schweiz. Gesellschaft für Psychoonkologie); Elisabeth Portmann (Schweiz. Fachverband Soziale Arbeit im Gesundheitswesen)
1 Die Mitglieder des Projektteams sind im Kapitel «Breite Abstützung» aufgeführt.
2 Zur besseren Lesbarkeit wird in der Regel die männliche Form verwendet; Frauen sind mitgemeint.
3 Schlüsselintervention / Key-Intervention: die notwendigen Diagnose- oder Behandlungsschritte, um eine unabhängig vom Wohnort qualitativ hochstehende, standardisierte und optimal koordinierte, auf anerkannten (inter-) nationalen Guidelines basierende Behandlung zu erhalten.
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