Die SGV stellt die Nutzenbewertung auf eine neue Basis

OLUtool NonOnko: Die SGV stellt die Nutzenbewertung auf eine neue Basis

Weitere Organisationen und Institutionen
Ausgabe
2018/23
DOI:
https://doi.org/10.4414/saez.2018.06643
Schweiz Ärzteztg. 2018;99(23):749-750

Publiziert am 06.06.2018

Vermehrt häufen sich Diskussionen zu Nutzen und Kosten von Arzneimitteln. So zeigen z.B. Studien von in den USA und Europa zugelassenen Krebsmedi­kamenten, dass nur in wenigen Fällen ein hoher Nutzen ausgewiesen ist. Zudem ist aufgrund des «Unmet Need» eine Tendenz zu noch früherer Marktzulassung und damit verbunden geringer Aussagen zum Nutzen für den Patienten erkennbar. Die Schweizerische Gesellschaft der Vertrauens- und Versicherungsärzte (SGV/SSMC) hat bisher zwei vorwiegend in der Onkologie verwendete Nutzenbewertungsmodelle erarbeitet und stellt nun ein solches für den Non-Onko-Bereich vor.

Vereinfachung und trotzdem Qualität

Der zunehmende Gebrauch von nicht in der Speziali­tätenliste (SL) gelisteten Arzneimitteln (Off-Label-Use) erfordert auch in der Schweiz für onkologische und nicht-onkologische Arzneimittel geeignete Nutzen­bewertungsmodelle. Für onkologische ist die SGV daran – in partnerschaftlicher Zusammenarbeit mit der Schweizerischen Gesellschaft der klinischen Onkologen und der Krebsliga –, eine qualitativ hochstehende Schweizer Adaptation des Nutzenbewertungsmodells der European Society for Medical Oncology (ESMO) zu erarbeiten. Für den nicht-onkologischen Bereich hat eine Arbeitsgruppe der SGV auf der Grundlage des ESMO-Konzepts ein Modell erarbeitet: das OLUtool ­NonOnko. Es ist auf www.vertrauensaerzte.ch veröffentlicht.

Off-Label-Use

Der Off-Label-Use (OLU) spielt eine zunehmend wesentliche Rolle, nebst der onkologischen Therapie auch in andern Bereichen wie z.B. Rheumatologie, Neurologie, Gastroenterologie und Dermatologie und last but not least bei den Seltenen Krankheiten (orphan oder rare diseases). Als Herausforderung stellt sich die möglichst einheitliche Bewertung bei der Vielzahl von nicht-onkologischen Krankheiten. Das Bundesgerichtsurteil zu Myozyme beim Morbus Pompe stellt die Grundlage dar, wie ein Nutzen im Sinne von Art. 71 KVV zu bewerten ist. Sowohl klinische Studien als auch der Einzelfall sind zu berücksichtigen. Auch bei Orphan Diseases sind wissenschaftliche Daten zu beachten.

OLUtool NonOnko

Die Nutzenbewertung wird in zwei Stufen gemacht. Zuerst erfolgt ein reproduzierbares Studienrating 
mit klar definierten Parametern zum Nutzen. Das Studienrating erfolgt analog zum ESMO-Modell mit einer einfachen Punkteskala und Feinjustierung mit Bonus- und Malus-Punkten und führt zu einer Nutzenkate­gorie A–D. Im zweiten Schritt beurteilt der Vertrau­ensarzt die individuelle Patientensituation. In der abschliessenden Gesamtbetrachtung des Einzelfalls hat er die Möglichkeit zu einem Up- oder Downgrade der Nutzenkategorie aufgrund der individuellen Pa­tientensituation.

Ultra-Rare Diseases und Referenzzentren

Das Modell berücksichtigt auch sehr seltene Krankheiten (Ultra-Rare od. Ultra-Orphan Diseases). Aufgrund der kleinen Patientenzahl finden sich oftmals wenige Daten zur Wirksamkeit. Das Modell ermöglicht den Einbezug der Referenzzentren, die im Rahmen des «Nationalen Konzepts Seltene Krankheiten» geplant sind. So wird bei einer positiven Einzelfallbeurteilung durch das Referenzzentrum ermöglicht, dass nach erkannter Wirkung auch mit wenigen Studiendaten eine positive Nutzenbewertung ermöglicht wird.

Vorgehen

Das Vorgehen ist grundsätzlich bei der Nutzenbewertung von onkologischen und nicht-onkologischen ­Medikamenten dasselbe. Mit Vorteil benützt der Antragsteller das neutrale Kostengutspracheformular, das in der Website der SGV zur Verfügung gestellt wird. Er stellt dem mit der Beurteilung vertrauten Vertrauensarzt die Studie mit der höchsten Evidenz zu, hat das Rating doch auf in anerkannten Fachzeitschriften pu­blizierten Studiendaten zu fussen. Gemäss Art. 71 a–d KVV besteht ein Anspruch auf Rating u.a. nur dann, wenn keine wirksame und in der SL gelistete Therapiealternative besteht. Reine Case Reports oder Studien ohne Kontrollgruppe ergeben eine tiefere Punktezahl.

Ende der Ungleichbehandlung?

So wie an verschiedenen Kliniken, oder sogar in ein und derselben Klinik, nicht jeder Patient mit einer bestimmten Krankheit gleich behandelt wird, genauso gibt es unterschiedliche Empfehlungen des Vertrauensarztes an die Leistungsabteilung des Versicherers. Wenn auch die Nutzenbewertungsmodelle und ins­besondere das neue OLUtool NonOnko eine Unité de Doctrine bringen sollen, ist wesentlich, dass es sich bei jeder Beurteilung um eine Einzelfallbeurteilung des Vertrauensarztes handelt.
Dr. med. Jürg Zollikofer
Präsident SGV/SSMC
juerg.zollikofer[at]hin.ch