Lean und Kaizen Management im Spital: ein Wundermittel?

Lean und Kaizen Management im Spital: ein Wundermittel?

Tribüne
Ausgabe
2018/25
DOI:
https://doi.org/10.4414/saez.2018.06679
Schweiz Ärzteztg. 2018;99(25):843-844

Affiliations
a Leiter Klinische Forschung, Institut für Radiologie und Nuklearmedizin, Hirslanden Klinik St. Anna, Luzern; Department of Radiology, Paracelsus
Medical University Salzburg; ­Department of ­Chemistry and Applied Biosciences, Institute of Pharmaceutical Sciences, ETH Zurich; Mitglied der FMH;
b Direktion Klinik St. Anna, Luzern; c Kaizen-Verantwortliche ­Klinik St. Anna, Luzern; d Kulturjournalistin, Zollikon

Publiziert am 20.06.2018

Résumé

La Hirslanden Klinik St. Anna applique depuis une dizaine d’années les principes du lean management et du kaizen. Des études scientifiques ont conclu qu’en plus des économies financières, la motivation et les liens émotionnels du personnel avec l’entreprise sont très supérieurs à la moyenne. Pendant la période sous revue, les employés ont en moyenne soumis chaque année 1000 suggestions, qui se sont traduites par des économies de plusieurs millions de francs. Nous avons par ailleurs pu montrer que ces outils de direction permettent de planifier de manière plus efficace et rentable les travaux de construction et de transformation, et que les erreurs de planification et la fourniture excessive de soins ont également été réduites.
Les discussions générales et les ouvrages économiques ne prennent le plus souvent en considération que l’avantage économique du lean management et du kaizen. De notre point de vue, le fait que cette méthode favorise une gestion moderne des processus dans les hôpitaux, en s’éloignant du raisonnement hiérarchique classique au profit de méthodes de direction modernes qui impliquent tous les employés, quelle que soit leur position, est au moins aussi important. Cela crée du sens et un lien émotionnel avec l’entreprise qu’il convient de ne pas sous-estimer, surtout dans une période mouvementée sur les plans économiques et de politique de la santé.
Avec ces projets, la Hirslanden Klinik St. Anna a entre autres remporté le dernier Swiss Quality Poster-Award de la FMH et le Lean Healthcare Award en 2017.
Kaizen – der Begriff kommt aus dem Japanischen. Er setzt sichzusammen aus Kai (= Veränderung, Wandel) und Zen (= zum Besseren). Damit ist im Rahmen des Lean Managements die permanente Verbesserung von Tätigkeiten und Abläufen durch alle Mitarbeiter eines Unternehmens gemeint.
Das St.-Anna-Spital in Luzern hat als eines der ersten Schweizer Spitäler Lean und Kaizen-Management eingeführt. Rund 50 der 60 Abteilungen sind seit 2009 in das Projekt eingebunden. Verschiedene Forschungs­arbeiten wurden in den letzten Jahren publiziert, auch nationale Preise gewonnen. Für diese Arbeiten interessierte sich 2017 eine renommierte Schweizer Tages­zeitung – endlich ein Anlass, positiv über das Gesundheitswesen zu berichten. So jedenfalls hatte es der Wissenschaftsjournalist geplant.
In den letzten Jahren waren Lean- und Kaizen-Projekte immer wieder im Gespräch – auch in dieser Zeitschrift [1–3]. Diese Form von Management hat der Automobilhersteller Toyota entwickelt. Das «Toyota-Produktionssystem» (TPS) galt in den 80er und 90er Jahren als das Mittel, um Abläufe effizienter zu gestalten [4]. Wer in der Industrie etwas auf sich hielt, betrieb Lean und Kaizen-Management.
Gewiss, das Gesundheitswesen ist nicht mit der Automobilindustrie gleichzusetzen, die Behandlung der ­Patienten hat nichts zu tun mit der Produktion eines Autos. Aber die permanente Verbesserung von Tätigkeiten, Abläufen, Verfahren durch alle Mitarbeitenden lässt sich auch im Spital ausüben [5].
Das Schweizer Gesundheitssystem gehört nachweislich zu den teuersten der Welt. Innovative Techniken bei Behandlung und Diagnostik sowie die zunehmende Lebensdauer der Menschen führen zur bekannten Kostenzunahme. Die Schweiz benötigt rund elf Prozent des Bruttoinlandproduktes zur Finanzierung des Gesundheitssystems – Tendenz weiter steigend. Diese Werte liegen über dem Durchschnitt von neun Prozent in den übrigen OECD-Staaten [6].
Die Frage ist, ob die Diskussion nicht zu einseitig geführt wird, wenn immer nur die Kosten Thema sind. Wichtig ist doch die Qualität der Versorgung. Diese wird in der Diskussion oft vernachlässigt. Eine Lancet-Studie aus dem Jahr 2017 zeigt: Hinsichtlich Qualität und Versorgung liegt die Schweiz im weltweiten Vergleich in der Spitzengruppe [7]. Nur die Qualität in ­Andorra und Island wurde noch besser bewertet. Die Schweizer Bundesregierung will nun mit dem Massnahmenpaket «Gesundheit2020» Effizienz und Kosten verbessern [8]. Die Vorgaben sind allerdings allgemein gehalten, man sucht bei den politischen Vorschlägen vergeblich nach konkreten praktischen Tipps.
Abbildung 1: Lean und Kaizen-Management verlangt eine Zusammenarbeit auf allen Ebenen einer Organisation.
Die Studien unserer Klinik zeigen klar, dass durch ein konsequentes Lean und Kaizen-Management Kosten reduziert werden können. Die über 6000 Vorschläge von Mitarbeitern führten zu einer Einsparung von rund drei Millionen Franken. Leider wird dieses Management oft nur auf der Ebene ökonomischer Einsparungen diskutiert – eine zu enge Betrachtungsweise, die diesem System nicht gerecht wird.
Abbildung 2: Lean und Kaizen-Management führt zu ­schlanken Prozessen im Gesundheitswesen.
In unserem Spital beziehen wir Mitarbeitende mit Hilfe eines Bottom-up-Prinzips in die Planungen ein. Wichtig ist, dass das obere Management diese Prozesse bedingungslos unterstützt (Top-down). Nur das Mitein­ander aller Teile einer Hierarchie führt zum Erfolg (Abb. 1). Das heisst, Lean und Kaizen-Management ist die Grundvoraussetzung für gewinnbringende Zusammenarbeit. Unsere Untersuchungen zeigen, dass die ­Zufriedenheit unserer Mitarbeitenden höher ist und die krankheitsbedingten Abwesenheiten im Vergleich zu anderen Häusern signifikant niedriger sind. Ein wichtiger Aspekt, der viel zu selten diskutiert wird. Wann zum Beispiel haben Sie Ihre Raumpflegerin zuletzt gefragt, wie die Reinigung Ihrer Praxis oder Klinik effizienter oder günstiger zu planen wäre? Konsequent umgesetzt, steigt nicht nur die Effizienz, sondern auch die Bindung Ihrer Mitarbeiter an den Betrieb.
Die linienorientierte und hierarchische Führung im ­Gesundheitswesen lädt insbesondere Mitarbeitende der unteren Hierarchiestufen nicht dazu ein, Ideen und Vorschläge einzubringen. Doch für einen sorgsamen Umgang mit den finanziellen Ressourcen sind Mit­arbeitende mit Ideen unverzichtbar. Lean und Kaizen-­Management könnte helfen, diese zu gewinnen. Wir meinen, die Medizin sollte sich zu einem neuen Denken in Richtung Prozessmanagement bewegen – ohne das Wichtigste zu vergessen: das Wohl des eigenen Mit­arbeiters, der eigenen Mitarbeiterin – vor allem aber das Wohl der Patientin, des Patienten. Erst dann gelingt eine Verschlankung der Prozesse, die alle Beteiligten positiv beurteilen (Abb. 2). Nach unseren Erfahrungen führt Kaizen-Management nachweislich zu höherer Qualität und reduzierten Kosten. Dies verlangt jedoch in vielen Organisationseinheiten des Gesundheitswesens einen Kulturwandel, einen neuen Führungsstil.
Was ist aus dem journalistischen Vorhaben geworden? Gar nichts. Nach mehreren Gesprächen war für den ­Publizisten klar, dass mit Einsparungen von wenigen Millionen Franken in einem Spital «keine spannende Story» zu machen ist. Vielleicht sollten wir Ärzte häufiger zeigen, dass vor allem gute Arbeit geleistet wird.
Prof. Dr. med.
Andreas Gutzeit, MaHM
Hirslanden Klinik St. Anna
St. Anna-Strasse 32
CH-6006 Luzern
Tel. 041 208 30 42
Andreas.Gutzeit[at]
Hirslanden.ch
1 Sax A. Round-Table-Gespräch zum Thema «Lean Hospital»: 
«Wo die Standardisierung aufhört, fängt das Denken an». 
Schweiz Ärzteztg. 2017;98(6):191–4.
2 Moser D, Angerer A. Eine anwendungsorientierte Ergänzung des Lean-Ansatzes mittels der Engpass-Theorie: Fokussierte Prozessoptimierung im Spital. Schweiz Ärzteztg. 2017;98(9):287–9.
3 Bagattini MF. Lean Management – auch in der Arztpraxis von Vorteil! Schweiz Ärzteztg. 2017;98(10):322–3.
4 James P. Womack – The Machine That Changed the World: The Story of Lean Production.
5 Gutzan S, Tuckermann H, Müller TS, Rüegg-Stürm J. Lean Hospital – ein Praxisbeispiel. Schweiz Ärzteztg. 2018;99(9):280–3.
7 Healthcare Access and Quality Index based on mortality from causes amenable to personal health care in 195 countries and territories, 1990–2015: a novel analysis from the Global Burden of Disease Study 2015. Lancet. 2017;390(10091):231–66.
8 Bundesamt für Gesundheit (BAG). Die gesundheitspolitischen
Prioritäten des Bundesrates. Gesundheit2020. S. 1–25, 2013.