Frauen sind anders. Männer auch.

Briefe / Mitteilungen
Ausgabe
2018/17
DOI:
https://doi.org/10.4414/saez.2018.06700
Schweiz Ärzteztg. 2018;99(17):538-539

Publiziert am 25.04.2018

Frauen sind anders. Männer auch.

Wir danken Dr. Löllgen und Kollegen für Ihren Kommentar [1] zu unserer im Juli 2017 im Critical Care Medicine publizierten Studie [2]. Diese Studie hat weltweit ein grosses Medien­echo hervorgerufen, wurde aber teilweise in den Medien falsch und verzerrt dargestellt. Das ist schade, weil das Thema wichtig ist für unsere Studentinnen und jungen Kolleginnen. Unsere Studie wollte keinesfalls Frauen in diesem Beruf beleidigen oder diskreditieren. Die Studie hat lediglich das Führungs­verhalten von unerfahrenen Studentinnen in einer Reanimationssituation mit dem ihrer männlichen Kollegen verglichen und dabei Unterschiede festgestellt, welche einen Einfluss auf Patientenoutcomes haben können. Bei zunehmendem Anteil von Frauen im Medizinstudium ist dies eine wichtige Erkenntnis, welche uns veranlassen sollte, einen entsprechenden Schwerpunkt in der Ausbildung zu legen. Nur eine bessere Kenntnis und offene Diskussion der geschlechtsspezifischen Unterschiede kann die Qualität der medizinischen Versorgung verbessern und ermöglicht eine effizientere Schulung von angehenden Teamleaderinnen und Teamleadern. Bei all den zu Recht kritisierten Limitationen hat ­unsere randomisierte prospektive Simulatorstudie hierzu einen Beitrag geleistet.
Es ist richtig, dass die Vorerfahrung der Probandinnen und Probanden nicht untersucht wurde und wir insbesondere die bereits gesammelte Erfahrung in Führungspositionen (z.B. Militärdienst) nicht erfasst haben. Es wäre wünschenswert, dass der Militärdienst wirklich einen solchen Effekt auf das Führungsverhalten in Notfallsituationen hätte. Selbst wenn dies so wäre, müsste aber der Fokus von nicht Militär-erprobten Medizinern im Studium auf Führungsverhalten umso wichtiger sein. Ohne Forschungsstudien in diesem Bereich, welche genau dieses Thema untersuchen, können wir keine Fortschritte erreichen. Geschlechtsunterschiede nicht zu thematisieren ist deshalb kontraproduktiv und nicht lösungsorientiert.
In einer Folgestudie (noch unveröffentlicht) haben wir mittels unmittelbar vor der simulierten Reanimation ausgefüllter Fragebögen den Kenntnisstand über und die konkrete ­Erfahrung in der geprüften Situation erfasst und dabei keinen Unterschied zwischen den Geschlechtern gefunden. Die beobachteten Unterschiede im Verhalten sind demnach nicht mit Unterschieden im Wissen und/oder in der Erfahrung erklärbar.
Frauen sind anders. Männer auch. Wir sollten diese Unterschiede genauer beleuchten und voneinander lernen, mit dem Ziel, die Patientenversorgung zu verbessern. Eine grosse amerikanische Studie hat zum Beispiel tiefere Mortalität bei Patienten gefunden, die von weiblichen Ärzten behandelt wurden, im Vergleich zu Patienten, die von männlichen Kollegen behandelt wurden [4]. Möglicherweise treffen Frauen im stationären Bereich bessere Entscheidungen? In der Notfallsituation ­zeigen männliche Medizinstudenten ein besseres Führungsverhalten verglichen mit weiblichen Medizinstudenten, obwohl die Studentinnen bewiesenermassen kein schlechteres Wissen und keine schlechteren Fähigkeiten besitzen. Führung in Notfallsituationen ist zentral wichtig und kann und soll in der Aus- und Weiterbildung gelehrt werden. Vielleicht profitieren besonders in diesem Bereich unerfahrene Frauen davon. Es braucht aber auch weitere Forschung bei erfahrenen Reanima­tionsteams, um Notfallsituationen optimal meistern zu können.