Was wäre, wenn ...

FMH
Ausgabe
2018/21
DOI:
https://doi.org/10.4414/saez.2018.06772
Schweiz Ärzteztg. 2018;99(21):645

Affiliations
Dr. med., Vizepräsident der FMH, Departementsverantwortlicher Daten, Demographie und Qualität DDQ

Publiziert am 23.05.2018

… der Stimmbürger dieses Gesundheitswesen in dieser hochstehenden und rasch erreichbaren Form genau so will? Etwa mit diesen Worten beendete Jonas Projer die Arena-Sendung vom 20. April 2018 unter dem Titel «Gesundheitssystem auf der Intensivstation». Bezeichnenderweise sassen dabei die Vertretungen der Patientinnen und Patienten sowie der Ärztinnen und Ärzte nur in der zweiten Reihe und durften mehrheitlich ­dabei zusehen, wie von Seiten Politik und Kostenträger Positionen abgetauscht wurden. Alleine von Kosten war die Rede, nicht jedoch von der Finanzierung oder gar vom Mehrwert – vom Nutzen. Und hier sind wir bei der alten Wahrheit: Wer nur den Preis kennt, hat vom Wert keine Ahnung. Welchen wachsenden Nutzen unsere Gesundheitsausgaben für Patienten und Volkswirtschaft bringen, zeigten bereits viele Beiträge in der SÄZ [1]. Dass das KVG den Nutzen nicht abbildet, ist seiner Konstruktion mit Beschränkung auf die Kostenvergütung von Heilkosten geschuldet – im Gegensatz zum UVG, welches auch für Taggelder und Renten zuständig ist. Wenn ich dann noch Diskussionen höre, ob ab einem Alter von 90 Jahren eine Hüft­gelenksersatz-Operation noch zu Lasten der Solidarversicherung zu bezahlen sei, realisiere ich vollends, dass komplett ausgeblendet wird, dass bereits ab einem halben Jahr verzögertem Pflegeheimeintritt der Hüftgelenksersatz auch finanziell rentiert [2]. Und mit Verlaub: Das Alter alleine ist nun wirklich kein genügend gut ­selektionierender Indikator.
Weitere Ideen umfassen die Erweiterung der Kosten­beteiligung durch die Versicherten mit exorbitanten Franchisen, dies bei weltweit höchstem Out-of-Pocket-Anteil der Gesundheitskostenfinanzierung in unserem Land. Gleichzeitig verzeichnen die Krankenkassenprämien ein deutlich stärkeres Wachstum als die Kosten unseres Gesundheitswesens. Denn die Kosten steigen seit Jahren linear, dies notabene trotz eines deutlich überlinearen Zuwachses der Altersklasse 75+ mit einem dreifach erhöhten Bedarf an Leistungen. Gerade dieser Umstand ist Ausdruck einer kontinuierlichen Effizienzsteigerung.
Nun erhofft sich die Politik Kostensenkungen durch ­einen Gesetzesvorschlag im KVG mit dem Titel «Stärkung von Qualität und Wirtschaftlichkeit (15.083)». Auffällig ist immer wieder, dass einfache Patentrezepte zu kurz greifen. Sowohl Patientinnen und Patienten wie auch deren Ärztinnen und Ärzte und Gesundheitsfachpersonen bilden das Zentrum des Gesundheitswesens. Sie an den Rand zu drängen ist weder in einer Arena-Sendung noch im politischen Gesetzgebungsprozess zielführend. Deshalb ist das Parlament gut beraten, auf bewährte Strukturen aufzubauen oder von deren Erfolgsrezept zu lernen: Die Stiftung Patientensicherheit Schweiz, der ANQ oder auch QualiCCare sind erfolg­reiche Organisationen, welche sich mitunter dadurch auszeichnen, dass die Verbände ihre Vertretung in die strategischen Gremien delegieren und Bottom-up das fachliche kollektive Wissen einbinden. So ist das Commitment der Leistungserbringer deutlich besser abzuholen als in neu zu schaffenden Strukturen. Qualität ist in erster Linie einer Haltung geschuldet, einer intrinsischen Motivation, welche seit jeher Bestandteil des ärztlichen Handelns war und ist.
Was wäre, wenn … die Politik mit dem neuen Gesetz die Rahmenbedingungen und die Finanzierung der Qualitätsarbeit so regeln würde, dass wirklich die ­Bedürfnisse der Patientinnen und Patienten im Zen­trum stünden und die qualitativ hochstehende Arbeit der Leistungserbringer in würdigender Art und Weise unterstützt würde? Dann nämlich hätten wir weniger ­Bürokratie, weniger sinnlosen administrativen Aufwand, weniger gesetzliche Fallstricke, geringere Kosten, ABER wieder mehr Zeit, um uns den wirklich wichtigen ­Inhalten, nämlich unseren Patientinnen und Patienten, zu widmen.