a Mitglied FMH-Zentralvorstand, Departementsverantwortlicher Ambulante Versorgung und Tarife; b FMH, Abteilungsleiter, Abteilung Ambulante Versorgung und Tarife; c Dr. med. FMH, Expertin, Abteilung Ambulante Versorgung und Tarife; d FMH, Expertin, Abteilung Ambulante Versorgung und Tarife; e FMH, Projektleiter, Abteilung Ambulante Versorgung und Tarife; f FMH, Experte, Abteilung Ambulante Versorgung und Tarife
Am 26. April 2018 fand in Bern unter dem Titel «Der neue TARCO-Tarif nimmt Gestalt an» der erste Tarifdelegierten-Tag dieses Jahres statt. An diesem Tarifdelegierten-Tag nahmen über 100 Teilnehmer teil. Die Teilnehmerzahl stabilisiert sich auf diesem hohen Niveau.
Dr. med. Urs Stoffel begrüsste die Anwesenden und eröffnete den Tarifdelegierten-Tag mit einer standespolitischen Standortbestimmung. Er informierte über das politische Umfeld anhand des zweiten Tarifeingriffs des Bundesrats in die Tarifstruktur TARMED per 1.1.2018 als auch über den Entscheid des Bundesgerichtes bezüglich des ersten Tarifeingriffs des Bundesrates in die Tarifstruktur TARMED. Obwohl auch das EJPD die Sachgerechtigkeit der beiden Tarifeingriffe in Frage stellt, hat das Bundesgericht entschieden, dass der Bundesrat neben der Sachgerechtigkeit auch politische Ziele verfolgen kann. Darauffolgend informierte er über den Expertenbericht des Bundesrates zur Kostendämpfung bzw. über die einzelnen Massnahmen zur Dämpfung der Kosten. Ergänzend teilte er mit, dass die neue TARCO-Nomenklatur an der Delegiertenversammlung vom 11.4.2018 genehmigt wurde und am 2.5.2018 auch in der Ärztekammer verabschiedet werden soll. Abschliessend zeigte er den Zeitplan des Projektes TARCO auf. Ziel ist es, die revidierte und mit den Tarifpartnern verhandelte Tarifstruktur per Ende 2018 dem Bundesrat zur Genehmigung einzureichen.
Aktuelles im Bereich Praxislabor
Dr. med. Susanne Christen referierte über die aktuellen Gegebenheiten im Bereich Praxislabor. Die Analysenliste, ein Amtstarif, wird erneut revidiert. Das Projekt transAL des BAG wird voraussichtlich bis Ende 2020 dauern und beinhaltet die Elimination von obsoleten und mehrfach tarifierten Analysenpositionen, aber auch Neutarifierungen. Das Kapitel 5 der Analysenliste, welches das Praxislabor betrifft, wird ebenfalls revidiert. Dem Parlament liegen zwei Motionen vor, die vorsehen, dass die Tarife von Analysen durch medizinische Labors künftig durch die Tarifpartner verhandelt werden können. Die Motion Kuprecht (17.3969) wurde im November 2017 im Ständerat und die Motion Hess (16.3193) im März dieses Jahres im Nationalrat angenommen. Beide Motionen kommen nun in den zweiten Rat. Ausserdem berichtete Frau Dr. Christen über die aktuellen Gegebenheiten in der Schweizerischen Kommission für Qualitätssicherung im medizinischen Labor (QUALAB), über die Rezertifizierung des Fähigkeitsausweises Praxislabor (FAPL) und über die kommende Tagung vom 6. September 2018 der SULM (Schweizerische Union für Labormedizin) zum Thema «wissenschaftliche und politische Einblicke in die digitale Transformation».
AG WZW – aktueller Stand der Arbeiten
Thomas Kessler informierte über die aktuellen Arbeiten rund um die AG WZW. Es besteht folgende Ausgangslage gemäss Art. 56 Abs. 6 KVG: «Leistungserbringer und Versicherer legen vertraglich eine Methode zur Kontrolle der Wirtschaftlichkeit fest.» FMH, santésuisse und curafutura haben sich auf eine statistische Methode zum Screening von Ärzten, die auffällig hohe Kosten aufweisen, geeinigt. Dies auf der Basis eines Schlussberichtes der Polynomics AG, in welchem wissenschaftlich geklärt wurde, wie die statistische Screening-Methode ANOVA verbessert werden kann. Neu wird eine zweistufige Regressionsanalyse mit den Variablen Alter und Geschlecht, PCG, Franchisen (hoch/ tief), Spitalaufenthalt im Vorjahr sowie Standortkanton und Facharztgruppe umgesetzt. Ziel ist es, die Treffergenauigkeit bezüglich unwirtschaftlicher Ärzte deutlich zu erhöhen. Angemerkt sei, dass die statistische Screening-Methode nur aufzeigt, dass ein Arzt im Vergleich zum Vergleichskollektiv hohe Kosten aufweist. Es bedarf danach zwingend einer Einzelfallbeurteilung, um abzuklären, ob der Arzt effektiv wirtschaftlich arbeitet oder nicht. Zur statistischen Screening-Methode bzw. aufgrund von Art. 56 Abs. 6 KVG wurde ein Vertrag zur statistischen Screening-Methode durch die FMH, santésuisse und curafutura erstellt, welcher dem Zentralvorstand am 19.4.2018 unterbreitet wurde. Der Zentralvorstand hat beschlossen, dass der Vertrag zur definitiven Genehmigung der Delegiertenversammlung Ende Juni unterbreitet werden kann. T. Kessler zog am Schluss seines Referates folgendes Fazit: Mit dem Vertrag zur statistischen Screening-Methode macht man einen Schritt in die richtige Richtung, aber das Verbesserungspotential im Bereich der Wirtschaftlichkeitskontrolle ist damit noch lange nicht ausgeschöpft.
Zweiter Tarifeingriff des Bundesrates in den TARMED
Patrick Müller informierte über den zweiten Tarifeingriff des Bundesrates in die Tarifstruktur TARMED. Das Scheitern der tarifpartnerschaftlichen Revision des TARMED 2016 war Hintergrund und Ausgangslage für den zweiten Tarifeingriff. Mittlerweile ist der verordnete Tarif 1.09_BR über 100 Tage in Kraft – Zeit, ein Fazit zu ziehen und über die ersten Erfahrungen und insbesondere zahlreichen Fragen der Anwender zu berichten. Der Bedarf an aufklärenden und unterstützenden Antworten zur Anwendung des verordneten TARMED-Tarifs per 1. Januar 2018 war in den ersten Monaten des Jahres sehr gross. Deshalb wurde die Infoline im Monat Januar 2018 auf drei wöchentliche Zeitfenster und in den Monaten Februar und März auf zwei Zeitfenster pro Woche aufgestockt. Alleine im Januar 2018 konnten die Mitarbeitenden der Abteilung Ambulante Versorgung und Tarife rund 650 Telefonate führen und 1100 E-Mails beantworten. Dies entspricht rund 30 Telefongesprächen und 52 E-Mails pro Arbeitstag. Die häufigsten Rückfragen betrafen die Themen «erhöhter Behandlungsbedarf», Anwendung des Skalierungsfaktors beim Weiterbildungstitel «Praktische Ärztin / Praktischer Arzt» sowie Anwendung der neu differenzierten und stark limitierten ärztlichen Leistungen in Abwesenheit des Patienten.
Patrick Müller informierte weiter über die vom BAG eingesetzte Arbeitsgruppe mit den Tarifpartnern zur Begleitung des zweiten Tarifeingriffes, insbesondere das per Verordnung festgehaltene Monitoring. Das BAG hat den Tarifpartnern einen umfassenden Forderungskatalog über das Monitoring zugestellt. Neben detaillierten Abrechnungszahlen (Taxpunktvolumen- und -menge pro Facharzttitel und Kapitel, Überschreitungsquoten der Limitationen) sollen auch qualitative Analysen zur Anwendung des verordneten Tarifs erstellt werden.
Zuletzt berichtete P. Müller noch über die Situation im Bereich der Unfall-, Invaliden- und Militärversicherung. Da keine Einigung mit den Unfallversicherern MTK erzielt werden konnte, bleibt in diesem Bereich bis auf weiteres die bisherige Tarifstruktur 1.08_BR gültig, da es noch einen bestehenden und gültigen Tarifvertrag zwischen der FMH und MTK gibt.
Ambulant vor Stationär: Operationsliste des Bundes
Dr. med. Stefan Otto informierte über die Operationsliste des Bundes «Ambulant vor Stationär». Daraufhin macht er eine Problemanalyse, welche unter anderem zu folgenden Schlüssen kommt: Es besteht noch ein wesentliches Verlagerungspotential in der Schweiz; zudem gibt es tarifliche Fehlanreize sowie unterschiedliche Finanzierung in den Bereichen Ambulant und Stationär. Aktuell ist man auf stationär ausgerichtete Strukturen und Prozesse der Leistungserbringer ausgerichtet, und es gibt keine gesamtschweizerisch einheitlichen Bedingungen für alle Versicherten. Aus diesen Gründen soll nun eine Änderung der Krankenleistungsverordnung KLV erarbeitet werden, die dann per 1.1.2019 in Kraft treten soll. Es bestehen folgende zwei Zielsetzungen: 1. Förderung der ambulanten Leistungserbringung, wo sie medizinisch indiziert, patientengerecht und ressourcenschonend ist, und 2. Schaffung gleicher Voraussetzungen für alle OKP-Versicherten durch eine gesamtschweizerisch einheitliche Regelung. Dr. med. S. Otto teilt mit, dass das Verlagerungspotential bei den definierten Eingriffen entsprechend gross ist. Als abschliessendes Fazit teilt Dr. med. S. Otto mit, dass folgende Kostenauswirkungen gemäss Studie OBSAN erwartet werden: Verlagerbare Fälle ca. 33 000 und eine Kosteneinsparung für die Kantone von ca. 90 Mio. CHF und für die Krankenversicherer gibt es keine Zusatzbelastung.
Projekt TARCO – aktueller Stand und Informationen
Nach einer kurzen Pause informierten Sabine Zehnder und Christian Oeschger über den aktuellen Stand im Projekt TARCO. Mit den letzten Beschlüssen im Bereich der Nomenklatur konnten die Cockpit-Delegierten am 15. März 2018 die gesamte TARCO-Nomenklatur definitiv verabschieden. Diesen Entscheid haben die ausserordentliche Delegiertenversammlung am 11. April und die Ärztekammer am 2. Mai 2018 bestätigt. Die beiden FMH-Experten stellten den anwesenden Tarifdelegierten einige der wichtigsten Änderungen vor.
Um keine Zeit zu verlieren, hat die FMH bereits Anfang 2018 die Verhandlungen im Bereich der Nomenklatur mit den Tarifpartnern curafutura, H+ und MTK wiederaufgenommen. Aktuell analysieren die Experten gemeinsam die in TARCO gemachten Änderungen und gelangen mit entsprechenden Rückfragen an die Arbeitsgruppen und zuständigen Fachgesellschaften.
Die Arbeiten, in deren Rahmen unter anderem die TARCO-Vorschläge seitens FMH in die tarifpartnerschaftliche Tarifstruktur integriert werden sollen, werden mindestens bis Ende August 2018 andauern. Damit ist klar, dass Mitte Juni 2018 seitens der ats-tms AG beim Bundesrat kein gemeinsamer Tarif der Tarifpartner eingereicht werden kann. Die gemeinsame Einreichung der Tarifstruktur mit den Tarifpartnern ist nun für Ende 2018 vorgesehen.
In den kommenden Wochen werden die Experten der FMH auch die Kostensätze für die Infrastruktur und Personalleistung (IPL) neu berechnen und mit den entsprechenden Tarifpositionen hinterlegen. Dazu wird in Zusammenarbeit mit der Ärztekasse aktuell das Kostenmodell KOREG aktualisiert. Sobald auch die endgültigen INFRA-Kostensätze fertig kalkuliert sind, werden diese den Fachgesellschaften mitgeteilt.
Die Fachgesellschaften werden im Frühsommer von Seiten der ats-tms AG auch zum Thema der Kumulationsregeln und Limitationen nochmals angefragt. Für curafutura sind Regeln im Tarif unabdingbar und eine Conditio sine qua non. Die FMH akzeptiert medizinisch vertretbare Regeln und zeigt sich diskussionsbereit. Mengeneinschränkungen mit der Absicht einer Leistungsrationierung sind aus Sicht der FMH aber nicht sachgerecht und widersprechen den Vorgaben einer zweckmässigen und wirksamen Behandlung des Patienten. Grundsätzlich gilt die Pflichtleistungsvermutung. Aus Sicht der FMH verfügen die Kostenträger mit der Einzelrechnungsprüfung, den Wirtschaftlichkeitsverfahren und dem Tarifcontrolling bereits über genügend Methoden, um einzelne Leistungserbringer, welche die Wirtschaftlichkeitsgebote nicht einhalten, anzugehen.
Rückblick und Fazit
Dr. med. Urs Stoffel zog zum Schluss der Veranstaltung Bilanz und formulierte folgendes Fazit: Der Druck seitens Politik auf die Ärzteschaft nimmt weiter zu. Die Bevölkerung wird durch die steigenden Prämien in der Wahrnehmung immer sensibler. Nutzen wir daher die Chance und Möglichkeit und beweisen, dass die Ärzteschaft willens ist, weiterhin aktiv an einer Revision des Tarifs mitzuarbeiten, und im Rahmen der Tarifverhandlungen auch bereit ist, Kompromisse einzugehen. Kämpfen wir gemeinsam und geschlossen für einen sachgerechten und betriebswirtschaftlich bemessenen Arzttarif und damit für eine qualitativ hochstehende Gesundheitsversorgung zum Wohle der Patientinnen und Patienten.