Qualitätskontrollsucht zeugt von fehlendem Vertrauen

Briefe / Mitteilungen
Ausgabe
2018/2627
DOI:
https://doi.org/10.4414/saez.2018.06834
Schweiz Ärzteztg. 2018;99(2627):882

Publiziert am 27.06.2018

Qualitätskontrollsucht zeugt von ­fehlendem Vertrauen

Zur Qualitätsstrategie der Schweizerischen Gesellschaft für Allgemeine Innere Medizin SGAIM [1]
Da sich die Qualitätsbestimmung in der ­Medizin auf den Menschen bezieht, ist ihre Messung viel komplizierter als bei einem industriellen Produkt. Paragraph 2 der Qualitätsstrategie ist daher daneben. Es wird von Kunden statt von kranken Menschen gesprochen, von Dienstleistern statt von Ärztinnen und Ärzten, von Dienstleistungsprodukten statt von ärztlichen Handlungen an und mit Menschen. Das Papier strotzt vor hochgestochenen, bedeutungsarmen Sprachmonstern. So wird von Priorisierung oder strukturierter partizipativer Entscheidungsfindung gesprochen statt von mit Menschen erarbeiteten Plänen.
Zur Vermeidung von schädlichen Tests und Behandlungen kann etwa das Melden von Nebenwirkungen, die Erfassung des Zeitraums von der Spitalentlassung bis zum Abfassen und Absenden des Arztberichts und Ähn­liches beitragen. Die Beurteilung ärztlichen Wirkens darf aber niemals nicht-ärztlich Tätigen in Gesundheitsberufen oder Patienten- und Konsumverbänden übertragen werden. Diese Feststellungen haben gar nichts mit blinder Überheblichkeit des Schreibenden zu tun. Frage: Würden Sie je einer Brücke eines Brückenbau-Ingenieurs vertrauen, bei dessen Bauten Laien hineingeredet haben?
Selbstverständlich muss der Patient in die Planung von Abklärungen und Therapien einbezogen werden. Es zeugt von Misstrauen den Ärztinnen und Ärzten gegenüber, wenn daran gezweifelt wird, dass wir dies anstreben. Wir wissen, dass die Kommunikationsfähigkeit von Ärztinnen und Ärzten immer verbessert werden kann. Zudem: Ein Patient ist niemals, auch nach der eingehendsten Besprechung, ganz kompetent, es fehlen ihm medizinisches Wissen und medizinische Erfahrung.
Das Qualitätsdokument stellt die unbedachte, naive Unterwerfung eines Teils der Ärzte­schaft unter das Diktat von Gesundheitsökonomen, kaufmännischen Direktoren, Krankenkassenleitern und Politikern dar.
Ärztinnen und Ärzte: seid nicht naiv! Bedenkt, dass der heutigen Qualitätskontrollsucht fehlendes Vertrauen zugrunde liegt. Nicht-medizinische Schuster, bleibt bei Euren Leisten – wir bleiben bei den Inguinae.