Selbstkoloskopie in Chäsitz

Zu guter Letzt
Ausgabe
2018/43
DOI:
https://doi.org/10.4414/saez.2018.06992
Schweiz Ärzteztg. 2018;99(43):1518

Affiliations
Prof. em., Dr. med., ehem. Chefarzt Innere Medizin, C.-L.-Lory-Haus, Inselspital Bern

Publiziert am 24.10.2018

Die SonntagsZeitung vom 22. Juli 2018 berichtet über Telemedizin und ihre Vorteile. Seit dem 1. August wird die Selbstkoloskopie (SK) in Chäsitz angeboten, was natürlich noch nicht in der SonntagsZeitung stehen kann. In der Apotheke Chabisreutinger hat der Apotheker Dr. Seltsam ein Zimmer für die SK eingerichtet. Sie kostet 345 Franken und wird von der Krankenkasse DO IT YOURSELF übernommen.
Ivo Darmstätter hat am Freitag zwei Liter und zwei Stunden vor Beginn der SK am Samstag einen Liter Schorrle getrunken. Er legt sich hin, erhält Kopfhörer und vorn am Hemd ein Mikrofon befestigt. Er wird mit Dr. Aufstösser von der Gastroenterologie am Insel­spital verbunden. Von der Decke hängt ein schlangenförmiges Gebilde, das Koloskop. Als Rechtshänder wird er aufgefordert, das Skop an der Spitze zu fassen, sich in die linke Seitenlage zu drehen und das Skop einzuführen. (Für Linkshänder ist die Einrichtung noch nicht bereit.) Es schmerzt und gelingt nicht. Dr. Auf­stös­ser fordert ihn auf, den Atem anzuhalten und zu pressen wie auf der Toilette. Jetzt gelingt es. Nach 35 cm wird er angewiesen, sich auf den Rücken drehen. Ein plötzlicher heftiger Schmerz durchfährt ihn. Dr. Auf­stösser meldet, ein Olymp sei im Gesichtsfeld. Ivo fragt nach, denn er hat noch nie von einem Olymp im Dickdarm gehört. Dr. Aufstösser korrigiert, das Gebilde heis­se Polyp. Ivo vermag das Skop weiter voran zu schieben bis – und das versteht er natürlich nicht – an die ­Ileozökalklappe. Die Schmerzen sind intensiv geworden. Jetzt darf er das Instrument süüferli zurückziehen.
Ivo erhebt sich und begibt sich in den Verkaufsraum der Apotheke. Dort fällt ihm ein Plakat auf: «Hab Freude im Herzen und Zwiebeln im Bauch, dann hast du den Frieden und Wind hast du auch.» Dr. Seltsam verkauft ihm noch Einlagen, falls es aus dem After bluten sollte. Ivo fährt in seinem Auto den Stotzgrotzen hinauf bis zu seinem Haus, und zwar mit maximal 30 km/Stunde, denn der Stotzgrotzenleist hat zum Schutze der Katzen beim Gemeinderat die Geschwindigkeitsbeschränkung endlich durchgesetzt.
Im Verlauf des Sonntags, während er die Sonntags­Zeitung liest, nehmen die Bauchschmerzen so gewaltig zu, dass er seinen Hausarzt Dr. Abwasserfallen anruft, der ihn per Taxi in den Insel-Notfall schickt. Dort wird er wegen Dickdarmperforation laparatomiert. Die Rechnung beträgt jetzt 8450 Franken.
Wer eine weniger drastische Beurteilung der Telemedizin wünscht, findet eine solche im Artikel «Telemedizin gefährlich, unwirtschaftlich und entbehrlich» (S. 89–92) desselben Autors:
Rolf H. Adler
Herausforderung für die Biomedizin:
Das biopsychosoziale Konzept.
Basel: EMH-Verlag; 2017.
171 Seiten. 24.50 CHF
ISBN 978-3-03754-107-4.
Rolf H. Adler
Leiserenweg 4
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