Mit Patientinnen, welche noch keinen Kontakt mit Pferden hatten, arbeite ich vom Boden aus. Nach ausgiebigem Streicheln und «Putzmassieren» gehen wir spazieren oder üben auf einem Platz mit einem einfachen Parcours. Dazu heisst es einmal, das Pferd in Gang zu setzen, zu aktivieren, wie es in der Fachsprache so schön heisst. Nach all dem Kuscheln sind alle ganz entspannt. Leicht am Strick gezupft und dabei das Pferd liebevoll angestrahlt. Reaktion: Das Pferd schaut liebevoll zurück (es spricht ja die Körpersprache), macht aber keinen Schritt. Jetzt heisst es erst einmal, sich selber zu aktivieren und genau zu wissen, wohin man will. Von wo kriegt man positive Vorwärtsenergie, wenn man ständig im inneren Rückzug und mit sich am Hadern ist? (Hier werden übrigens auch diagnostische Elemente oft viel rascher sichtbar als in der Praxis.) Einer Patientin, die sich lange bemühte, kam plötzlich der rettende Gedanke; sie versetzte sich in die Fasnachtscliquen-Marschstimmung, stellte sich den Tambourmajor vor, und siehe da, Co-Therapeut Pferd marschierte los und folgte ihr flüssig in allen Übungen. Den Weg zeigt man dem Pferd, indem man diesen deutlich und konzentriert geht. Eine Patientin führte im Wald wunderbar flüssig voraus, an einer Kreuzung sollte sie rechts abbiegen. Wie auf einer Verkehrsstrasse dreht sie sich erst einmal nach links, um zu schauen, ob etwas kommt, biegt aber gleichzeitig wie geplant nach rechts ab. Ihr Pferd bleibt stehen. Jetzt wird die Patientin einmal kräftig gelobt: «Das Pferd ist mit Ihrer Körperdrehung nach links wunderbar mitgekommen, das heisst, es ist mit Ihnen als seiner Führerin bestens verbunden. Es konnte dann das zeitgleiche Nach-rechts-Gehen nicht einordnen, deshalb blieb es stehen. Jetzt dürfen Sie das Pferd einmal loben, unser Ziel ist ja, die Verbindung mit dem Pferd aufnehmen zu können, und nicht der erfolgreich absolvierte Parcours.» Eine andere Patientin getraute sich nicht, ihr Pferd von dessen Lieblingsbeschäftigung, dem Grasfressen, abzuhalten. Nach einigen Stunden klappte der ganze Spaziergang ohne eine Fresseinlage. Die Patientin strahlte: «Ich hab es geschafft, und die Luna [ihr Pferd] hat mich trotzdem noch gerne.» Der Anfang einer Neuerfahrung bei einer Bindungsstörung. Eine andere Patientin hatte mit ihrem Pferd sehr gut gearbeitet. Da die Konzentration von beiden natürlicherweise nachlässt, stoppen wir in diesem guten Moment. Plötzlich sagt sie: «Jetzt spüre ich komischerweise genau das gleiche schwierige und beklemmende Gefühl, welches immer bei der Arbeit auftritt. Dabei liebe ich es ja so, mit den Pferden etwas machen zu können und etwas zu lernen.» Mittendrin sind wir in ihrem zentralen Thema.