Ärztemobbing im Internet: Brauchen wir eine eigene Rating-Plattform?

Briefe / Mitteilungen
Ausgabe
2018/50
DOI:
https://doi.org/10.4414/saez.2018.17418
Schweiz Ärzteztg. 2018;99(50):1781

Publiziert am 12.12.2018

Ärztemobbing im Internet: Brauchen wir eine eigene Rating-Plattform?

Mobbing im Internet wird zunehmend zu ­einem ärztlichen Alltagsproblem. Es kann ­Objektivität und Qualität ärztlicher Leistungen beeinträchtigen [1, 2]. Klare Worte dazu fand Yvonne Gilli, Mitglied des FMH-Zentralvorstandes und Departementsverantwortliche Digitalisierung/eHealth in einer Sendung von Radio SRF [3]: «Wir gehen davon aus, dass Ärzte-Ratings über das Internet noch zunehmen werden, auch in der Schweiz. Es ist bereits eine Realität und hat auch die Ärztinnen und Ärzte eingeholt.» Die Bewertungen hätten oft wenig mit der Qualität der Behandlungen zu tun! Oft seien sie ausserdem anonym!
Soll sich die Ärzteschaft mit eigenen Rating-Plattformen dagegen wehren?
Bereits seit mehr als 10 Jahren(!) gibt es «okdoc.ch». Damals erhielt die Betreiberfirma vom Rechtsdienst der FMH in enger Zusammenarbeit mit dem Eidgenössischen Datenschützer EDÖB strengste Auflagen [4]. Daran hat sie (laut aktuellem Handelsregistereintrag ein Kleinstbetrieb) sich bis heute strikte gehalten … und ist damit bedeutungslos geworden! Eine Bedingung von okdoc: «Lediglich positive Kommentare, die Ihren Arzt empfehlen, werden zugelassen. Jeder negative Beitrag wird gelöscht.» Wo bleibt da die Objektivität?
Neulich wurde in einem Artikel der NZZ am Sonntag [5] mit mehreren Ärzten die Frage diskutiert, wie man einen guten Arzt finden könne. Dabei wurden die in der Schweiz üb­lichen Ärztebewertungsplattformen mehrheitlich kritisch und teils gar als wertlos ­beurteilt. Fazit: Besser sind (immer noch!) persönliche Empfehlungen.
Tatsache aber bleibt, dass Arztbewertungen im Internet zunehmen und wirksame Massnahmen gegen Missbräuche unerlässlich sind.
Das Ärzteverzeichnis «doktor.ch» ist zwar hilfreich bei der schweizweiten Suche nach Ärzten. Es verwendet aber Google-Ratings mit der Begründung: «Zunehmend werden alle Ärzte über Google im Internet bewertet. Google ist nicht nur die meistgebrauchte Suchmaschine, sondern auch die wichtigste Bewertungsplattform im Schweizer Internet. Wir verlinken unter ‘Bewertungen’ direkt zu den entsprechenden Google-Suchresultaten und Google-Bewertungen.» – «Es können jedoch auch falsche oder manipulierte Be­wertungen bei Google veröffentlicht sein. Die Bewer­tungen müssen deshalb immer auch kritisch beurteilt werden.»
Meine Antwort auf die Titelfrage: Ärzteeigene Rating-Plattformen brauchen wir keine, aber Massnahmen von Google gegen Ärztemobbing zum Schutze von Objektivität und Qualität der ärztlichen Tätigkeit.
Die FMH hat das Problem erkannt. Unser Präsident ist bereit zu einer gemeinsamen Intervention mit dem Schweizerischen Datenschützer bei Google.
Von mir empfohlene Zielvorstellungen:
– Google klarmachen, dass sich ärztliche ­Tätigkeit – und somit auch deren Bewertbarkeit – in wesentlichen Aspekten unterscheidet von tourismus- und umsatzfördernden Bewertungen von «Local Guides», und deshalb Arztbewertungen nicht in diese Rubrik gehören (z.B. weil objektive medizinische Sachverhalte nicht immer mit dem subjektiven Empfinden von Pa­tienten übereinstimmen, oder wegen des Arztgeheimnisses etc.).
– Wünschenswert wäre es, wenn Google für Arztbewertungen eine eigene Rubrik schaffte mit folgenden Bedingungen:
– Bewerter müssen eindeutig identifizierbar und von Bewerteten kontaktierbar sein
– Berechtigte negative Rezensionen sollten möglich sein
– Google sollte darauf hinweisen, dass ­negative Rezensionen juristische Folgen haben können
– Für den (wohl sehr seltenen) Fall, dass Bewer­ter nachweislich nicht kontaktierbar sind (z.B. wegen Wegzuges), müsste Google Bewerteten die Möglichkeit geben, die Bewertung löschen zu lassen.