Die Bekämpfung der Lebensängste, mit dem Ziel, individuelle Ruhe und Glück zu finden, ist nicht nur ein mögliches Epiphänomen der wissenschaftlichen Medizin, sondern war auch ein zentrales Anliegen des antiken Denkers Epikur (341–270 v. Chr). Entgegen einem landläufigen Vorurteil ermuntert er nicht einfach dazu, in gedankenloser Lebenslust leiblichen Bedürfnissen nachzujagen. Im Gegenteil: Seine glückverheissende Philosophie – er bezeichnet sie als Tetrapharmakon, als vierfach wirksames Präparat – ist erst nach dem Studium des theoretischen Beipackzettels sinnvoll anzuwenden. Bevor es ans Praktische geht, erklärt uns also Epikur erst einmal sein Modell vom Aufbau der physikalischen Welt und seine Meinungen über Götter und Menschen, Körper und Seele, Vorsehung und Moralität. Seine Vorstellungen sind eigentlich recht einfach und wirken auch heute noch durchaus modern: Das ganze Universum besteht nach ihm aus unendlich vielen, kleinsten Einheiten – den Atomen –, die sich, wie in einem Kaleidoskop, völlig zufällig zusammenfänden und dann auch wieder voneinander trennten. So entstehe die veränderliche Welt der belebten und unbelebten Körper. Auch die menschliche Seele sei nur ein solch flüchtiger materieller Zustand, sie sei daher vergänglich, und dies gelte in demselben Sinn ebenfalls für alle traditionellen moralischen oder religiösen Werte. Die von dem antiken Denken überlieferten Gottgestalten hätten sich längst in bequemere Winkel des Alls zurückgezogen, wo sie – für uns völlig harmlos – einem bedürfnislos glücklichen, eigenbrötlerischen Dasein frönten. Die aktuelle Welt sei ein reines Produkt des Zufalls, für jede Art von angestammter Ordnung, Vorsehung oder sinnhafter Bestimmung sei hier kein Platz. Die Einsicht in diese physikalischen und metaphysischen Erkenntnisse seiner Philosophie soll nun eben, im Sinne einer vierfach wirksamen Medizin, die Haupthemmnisse eines heiteren Lebens beiseite räumen: Die Angst vor zürnenden Göttern, diejenige vor dem Tod und vor unerträglichem Schmerz sowie die weitverbreitete Sorge, wohl niemals wirklich glücklich zu werden. Den Wirkmechanismus seines Tetrapharmakons erläutert er dann folgendermassen: Die Götter brauche niemand zu fürchten, die seien ja weit weg und hätten Besseres zu tun, als sich in unser Leben einzumischen. Der Tod soll uns ebenfalls wenig bekümmern, da wir unsere Sensibilität ja nur der lebenden Materie verdanken und somit den Sensenmann, wenn er dann einmal da sein wird, gar nicht mehr fühlen können. Auch die Furcht vor Schmerzen sei unangebracht, da diese meist akut aufträten und dann entweder von selbst nachliessen oder im Extremfall schnell zu Bewusstlosigkeit oder Tod führten. Chronische Schmerzzustände hingegen würden mit der Zeit als uns selbst zugehörig erscheinen und seien durch vernünftiges Denken durchaus beherrschbar. Was den vierten und letzten Punkt, die Angst, niemals glücklich zu werden, betrifft, schlägt Epikur vor, sich