Hat die FMH eine politische Strategie?

Briefe / Mitteilungen
Ausgabe
2019/04
DOI:
https://doi.org/10.4414/saez.2019.17510
Schweiz Ärzteztg. 2019;100(04):75

Publiziert am 23.01.2019

Hat die FMH eine politische Strategie?

Als jungem Hausarzt fällt es mir schwer, meine Motivation hochzuhalten, wenn ich wöchentlich eine mediale Breitseite gegen den eigenen Berufsstand ertragen muss. Ganz offensichtlich wird eine Kampagne gegen die Schweizer Ärzteschaft gefahren. Nachdem sich weder die Pharmaindustrie noch die Versicherungsbranche relevant haben unter Druck setzen lassen, geht man jetzt auf das schwächste Glied los: unser Ethos zur Pflichterfüllung am Krankenbett hemmt uns, härter zu kämpfen. Der Leitartikel unseres Präsidenten legt davon Zeugnis ab: Was ist er denn anderes als ein Aufruf zum guten Benehmen und zum Lieb-Sein der frustrierten und wütenden Ärzteschaft?
Das Problem ist tatsächlich nicht nur eines der Sachebene, von der verschiedene Seiten abzulenken versuchen. Dadurch, dass die rea­le Belastung der breiten Bevölkerung durch Gesundheitsausgaben tatsächlich die Grenze des Erträglichen erreicht, fällt es leichter, ideologische (Globalbudget als Mittel zum Klassenkampf), budgetpolitische (Ver­lagerung der Kosten vom Steuer- zum Prä­mienzahler) und merkantile (Zunahme der Be­gleitdienstleister im Gesundheitswesen, z.B. Informatik, Unternehmensberatung, Versiche­rungsadministration u.v.a.) Trojaner zu platzieren.
Jede Ausgabe der SÄZ ist voll von seitenlangen Berichten, wo in welcher Kommission wieder wer was den Inkompetenten am anderen ­Tischende zu erklären versucht. Hat es etwas gebracht? Ich wäre beispielsweise nicht ­überrascht, wenn in Bern oder anderswo noch Versuche unternommen werden, um das TARCO-Projekt zu Fall zu bringen.
Damit stellt sich die Frage nach der Gesamtstrategie. Was passiert, wenn die CVP- Volksinitiative angenommen wird? Was, wenn es das Globalbudget trotz Kritik in der Vernehmlassung ins Gesetz schafft? Es sieht doch so aus, wie wenn sich im politischen Bern keiner für das Echo der Ärzteschaft interessiert. Und die Organe der FMH lassen nicht durchblicken, ob sie eine politische Strategie haben – denn auf dieser Ebene gälte es eigentlich zu kämpfen. Damit wären wir wieder bei der Aufforderung, wir sollten «sorgfältig und gewissenhaft» vorgehen. Man kann auch sorgfältig und gewissenhaft ein Referendum ergreifen, oder man kann selber mit dem ­Mittel der Volksinitiative klare Vorschläge machen.
Stellen Sie sich vor, die Ärzteschaft würde ein eigenes Finanzierungsmodell vors Volk bringen: Abschaffung der Fallkostenpauschale, ein einfaches Honorarsystem, freie Arzt-/Ärztinnenwahl (dafür mit einer objektiv begründeten Angebotsregulierung), mit Einführung von Gesundheitsregionen (Stichwort: Interessenkonflikt der Kantone), mit einer Definition eines maximalen Verwaltungskostenanteils (auf Seiten der Versicherungen, Spitäler u.a.), ebenso mit der Definition einer maximalen Belastung des Prämienzahlers (mit einer relativ zum steuerbaren Einkommen definierten Prämienlast oder Erhöhung des über Steuern finanzierten Anteils) usw.
Stellen Sie sich vor: Wir können das mit einer Volksinitiative umsetzen, wenn wir Ärzte und Ärztinnen dafür zu kämpfen bereit sind! Nur schon die Ankündigung einer oder mehrerer Volksinitiativen würde den Druck auf die wenig konzilianten Verhandlungspartner massiv erhöhen. Das bedingt natürlich Einigkeit unter uns Ärzten und Ärztinnen.