Meine Generation ist vielen Krankheiten und Symptomen, die Fischer-Dückelmann beschreibt, bei Kinderbuchautoren begegnet, die ungefähr zur gleichen Zeit ihre Geschichten schrieben. Josephine Siebe (1870–1941), Ida Binschedler (1854–1919), Emmy von Rhoden (1829–1885), Olga Meyer (1889–1972) oder Tony Schumacher (1848–1931). Autorinnen und Buchtitel sind vergessen, viele Anneli, Sabinli, Züseli, Christeli, Fritzli und Reserl, Trotzköpfe und Mütterchens Hilfstruppen. Die meisten berichten von Armut, Tuberkulose und Alkohol. Chlorose, Frostbeulen, Fallsucht, Alpdrücken, Badefriesel, Blähhals oder Auszehrung. Auch Zipperlein und Ziegenpeter sind Ausdrücke, die aus der Alltagssprache verschwunden sind. Geblieben sind das Heimweh und die Bruchbinde, die niemand mehr braucht. Frau Doktor hat in ihrem Nachschlagewerk Rat und Tat für alle diese Symptome bereit. Auf tausend Seiten werden Anatomie, Gesundheitspflege, Kinder- und Frauenkrankheiten und vieles mehr abgehandelt. Die wichtigsten Krankheitsbilder sind mit zugehörigen Untersuchungstechniken beschrieben. Sie werden mit Bädern, Kompressen, Wickeln, Aufgüssen und Inhalationen behandelt. Eine Verbandlehre gehört dazu, die Krankenlagerung ebenso wie die Korrektur von Haltungsschäden. Das Buch wurde mehrmals überarbeitet und ist in vielem veraltet. Doch die Sprache ist immer noch erstaunlich präzise, nüchtern und Reformlehren verpflichtet, die immer noch aktuell sind. Heutige Jugendbücher haben andere Themen. Krabat, Momo, Harry Potter oder Tschik müssen sich mit neuen Problemen herumschlagen. Die grossen Epidemien sind vorbei, Gewalt und Armut in die Randzonen verbannt. Vielleicht spiegelt sich in diesem Fortschritt auch ein Stück Gesundheitswohlstand, der die Selbsthilfe verkümmern liess.