Durch die stetig steigenden Gesundheitskosten und Krankenkassenprämien hat das Bedürfnis nach Transparenz bei den Ärzteeinkommen zugenommen. Vor diesem Hintergrund haben sich verschiedene Studien und Erhebungen dieses Themas angenommen, unter Nutzung unterschiedlicher Datenquellen [1–3]. Für die FMH sind Transparenz und eine verlässliche Datengrundlage die Basis für eine sachliche, faktenbasierte und lösungsorientierte Diskussion der Ärzteeinkommen.
Verschiedene Studien und Erhebungen
Das Bundesamt für Statistik (BFS) publizierte am 10.4.2018 die ersten Ergebnisse aus der MAS-Erhebung zu den Strukturdaten der Arztpraxen und ambulanten Zentren aus dem Jahr 2015 [2]. Die Erhebung erfolgte auf Basis von Artikel 23 des Krankenversicherungsgesetzes (KVG) und in Anwendung des Bundesstatistikgesetzes (BStatG). Sie diente ausschliesslich statistischen Zwecken. Von den 13 971 Arztpraxen und ambulanten Zentren lieferte ungefähr die Hälfte vollständige Erhebungsdaten. Damit erlaubte die MAS-Erhebung 2015 erstmals eine fundierte Analyse der Finanzsituation der Arztpraxen und ambulanten Zentren in der Schweiz. Die Analyse weist für die in Einzelpraxen tätigen Ärzte einen Gesamtertrag von durchschnittlich 545 000 CHF und einen Gesamtaufwand von durchschnittlich 390 000 CHF aus. Ihr Nettoeinkommen betrug somit 155 000 CHF im Jahr 2015. Davon stammten 89% aus der obligatorischen Krankenversicherung. Für Gruppenpraxen liessen sich die Einkommen der Ärzte nicht berechnen [4].
Ende Oktober 2018 publizierte das Bundesamt für Gesundheit (BAG) eine Studie des Büros BASS zu den Einkommen der Ärzteschaft in der Schweiz [3]. Die Einkommensinformationen beruhen auf den Daten der AHV-Ausgleichskassen des Jahres 2014, welche alle Ärzte mit Facharzttitel erfassen. Gemäss BASS-Studie belief sich das durchschnittliche Brutto-Jahreseinkommen dieser Ärzte im Jahr 2014 auf 233 791 CHF. Das Medianeinkommen lag bei 190 577 CHF. Dabei ist einerseits zu beachten, dass dieses auf den Ärzteeinkommen im ambulanten und im stationären Sektor beruht. Andererseits sind die Assistenzärzte, die etwa einen Fünftel der gesamten Ärzteschaft ausmachen und bei einer 56-Stunden-Woche knapp 100 000 CHF pro Jahr verdienen, nicht enthalten. Die Daten stammen zudem aus dem Jahr 2014, also vor den Tarifreduktionen durch den Bundesrat. Der Anteil des Ärzteeinkommens, der über die obligatorische Krankenversicherung finanziert wird, lässt sich in dieser Studie nicht bestimmen.
Beide Studien liefern wichtige Resultate zu den Jahreseinkommen der Schweizer Ärzteschaft. Sie berechnen jedoch nur die Jahreseinkommen, ohne die effektiv geleisteten Arbeitsstunden zu berücksichtigen. Es lässt sich daher nicht sagen, ob ein allfälliger Unterschied im Jahreseinkommen auf einen höheren Stundenlohn oder auf ein höheres Arbeitsvolumen zurückzuführen ist. Aussagekräftige Lohnvergleiche können ausschliesslich auf Basis von Stundenlöhnen gemacht werden. Bis jetzt gibt es allerdings keine Studie über die Stundenlöhne der Ärzte in der Schweiz.
Vor diesem Hintergrund hat die FMH die ZHAW beauftragt, in einer Studie die Stundenlöhne von Ärzten zu berechnen und diese mit den Stundenlöhnen von anderen akademischen Berufsgruppen zu vergleichen.
Stundenlohnstudie – Ziel «Gleiches mit Gleichem vergleichen!»
Das Ziel der Studie ist die Berechnung der Stundenlöhne von Ärzten in der Schweiz unter Berücksichtigung des tatsächlichen Arbeitsvolumens, der Sozialversicherungsbeiträge und des Erwerbsstatus (angestellt vs. selbständig erwerbend) [5]. Auf der gleichen Datenbasis werden auch die Stundenlöhne anderer akademischer Berufsgruppen berechnet und mit denjenigen der Ärzte verglichen.
Die Studie verwendet die Schweizer Arbeitskräfteerhebung (SAKE) des BFS als Grundlage [6]. Die SAKE ist eine jährliche Erhebung in Form einer Personenbefragung. Erfasst werden rund 65 000 Personen pro Jahr, wovon jeweils ca. 63% erwerbstätig sind (die restlichen Befragten befinden sich in einer Weiterbildung, sind arbeitslos oder pensioniert). Die SAKE enthält u.a. detaillierte Informationen zu Beruf, Lohn, Arbeitspensum, Erwerbsstatus und den tatsächlich geleisteten Arbeitsstunden und erlaubt damit als gegenwärtig einzige Datenquelle die Berechnung von Stundenlöhnen für einzelne Berufsgruppen. Ein Nachteil ist die gemäss BFS nicht nachgewiesene Repräsentativität auf Berufsebene.
Ergebnisse
Die für die Erhebung berücksichtigte Anzahl an erwerbstätigen, eindeutig identifizierbaren Ärztinnen und Ärzten schwankte im Beobachtungszeitraum 2014 bis 2017 zwischen 159 und 192 pro Jahr. Um zufällige Schwankungen durch die relativ tiefen Beobachtungszahlen zu reduzieren, wurden in der Studie die Beobachtungen der Jahre 2014–2017 zusammengefasst verwendet.
In diesen vier Jahren lag der Bruttostundenlohn der in der SAKE erfassten Ärzte im Median bei 67 CHF (der Durchschnitt lag bei 78 CHF). Damit belegen sie unter den berücksichtigten Berufsgruppen den vierten Platz. An erster Stelle stehen die Zahnärzte mit einem Medianeinkommen von 73 CHF pro Stunde, gefolgt von den Anwälten und Richtern mit 69 CHF pro Stunde und den Volkswirten mit 68 CHF pro Stunde.
Ein anderes Bild ergibt sich, wenn anstatt der Stundenlöhne die auf Vollzeitäquivalente standardisierten jährlichen Brutto-Einkommen verglichen werden. Die Ärzte liegen dann mit einem Medianeinkommen von 163 000 CHF auf Platz 1, was bedeutet, dass die relativ hohen Jahreseinkommen der Ärztinnen und Ärzte im Vergleich zu den anderen Berufsgruppen teilweise auf überdurchschnittliche Arbeitszeiten zurückzuführen sind.
Die Studie berechnet neben den standardisierten auch die nicht-standardisierten Jahreseinkommen, um den Vergleich mit anderen Studien zu ermöglichen. Sie errechnet ein durchschnittliches Brutto-Jahreseinkommen von 155 329 CHF und ein Brutto-Medianeinkommen von 140 000 CHF. Dabei werden jedoch Vollzeit- und Teilzeitanstellung gleich gewichtet, wodurch sich im Mittel tiefere Einkommenswerte ergeben als bei den standardisierten Einkommen.
Die Unterscheidung nach Erwerbstatus zeigt zudem, dass die selbständig erwerbenden Ärztinnen und Ärzte mit einem Medianlohn von 75 CHF pro Stunde 19% mehr verdienen als die angestellten Ärzte (63 CHF/h).
Fazit und Ausblick
Die vorliegende Studie stellt insofern ein Novum dar, als sie die Stundenlöhne von Ärzten und anderen Berufsgruppen in der Schweiz berechnet und miteinander vergleicht. Damit wird innerhalb eines statistisch klar definierten Kollektivs (SAKE) «Gleiches mit Gleichem» verglichen.
Mit Blick auf die Zukunft ist für die Diskussion der Ärzteeinkommen eine Abbildung auf Stundenlohnbasis anzustreben. Vor allem sollte auf die selektive Betrachtung von statistischen Ausreissern verzichtet werden. Der Vergleich von Stundenlöhnen bildet das tatsächlich geleistete Arbeitspensum transparent ab und erlaubt somit eine sachliche, faktenbasierte und lösungsorientierte Diskussion.
3 Künzi K, Morger M. Einkommen, OKP-Leistungen und Beschäftigungssituation der Ärzteschaft 2009–2014, 2018. Bern: Büro für arbeits- und sozialpolitische Studien BASS.
4 Kraft E. Der Bund und die FMH kommen auf das gleiche Resultat, Schweiz Ärzteztg. 2018;99(43):1480–1.
5 Brunner B., Stundenlohnstudie: Vergleich zwischen Ärzten und anderen Berufsgruppen auf Basis der SAKE. ZHAW, Winterthurer Institut für Gesundheitsökonomie, 2019.