Widerspruch ärztlicher Sorgfaltspflicht zwischen KVG und IVG dank Bundesgericht

Briefe / Mitteilungen
Ausgabe
2019/07
DOI:
https://doi.org/10.4414/saez.2019.17573
Schweiz Ärzteztg. 2019;100(07):203

Publiziert am 13.02.2019

Widerspruch ärztlicher Sorgfaltspflicht zwischen KVG und IVG dank Bundesgericht

Der Kommentar des leitenden Arztes der RAD-Stelle Ostschweiz, Andreas Jansen, mit ehemaliger Arztpraxis für Allgemeinmedizin und Naturheilverfahren ohne Facharzttitel FMH in Lindau, Deutschland, Juni 1995 bis ­Februar 2016, der gemäss rechtlichen Grundlagen im medizinischen Alltag von SAMW und FMH als eidgenössischer Weiterbildungstitel zur selbstständigen Tätigkeit resp. Eröffnung einer Arztpraxis in der Schweiz berechtigt, weist auf die grosse Diskrepanz der Auffassung der ärztlichen Sorgfaltspflicht ­sowie medizinisch vorliegender Evidenz zu den einzelnen Erkrankungsbildern (aktuell gemäss ICD-10, ab Januar 2022 ICD-11) zwischen der behandelnden Ärzteschaft nach Krankenversicherungsgesetz sowie den RAD-Ärzten nach juristisch medizinisch fachfremd ausgestaltetem Invalidengesetz dar.
Der ärztlichen Sorgfaltspflicht sollte deswegen stets eine transparente Qualitätskontrolle von Indikation und Outcome dank «Externer Audits» durch Fachexperten mit eidgenössischem Weiterbildungstitel FMH zugrunde ­liegen!
Leider wird diese zur Wahrung der politökonomisch erwünschten Förderung des BIPs, somit des Wohlstandes der Schweiz, politisch nicht angemessen eingefordert und umgesetzt. Je nach politisch mehrheitsfähigem Interesse im schweizerischen Sozialversicherungssystem vermag man so eine Erkrankung im Krankenversicherungsbereich als leistungspflichtig einzustufen, währenddem bei der IV diese ausgeschlossen werden kann! Dies ist ein unglaublicher Widerspruch hinsichtlich medizinischer Beurteilung einer Leistungsübernahme im schweizerischen ­Sozialversicherungssystem. Ärzte behandeln so «Scheininvalide» auf Kosten der Prämien­zahler, RAD-Ärzte hingegen vermögen diese «Scheininvaliden» resp. Erkrankungsbilder dank fahrlässiger Missachtung der ärztlichen Sorgfaltspflicht infolge fachfremder juristischer Unterstützung des Bundesgerichts zu verneinen, die Betroffenen so gezielt der Fürsorge auf Kosten der Steuerzahler «gesundzuschreiben». Herr Jansen bestätigt mit dessen Kommentar somit eindrucksvoll die Kritik von Frau Cerletti! Ein herrliches Eigentor der RAD-Ärzte!
Was wir brauchen, und hier ist Herr Jansen doch zuzustimmen, ist eine politische Einforderung sowie Umsetzung adäquater trans­parenter Qualitätskontrollen von Indikation und Outcome. Dies ermöglicht die medizinisch evidenzbasierte Grundlage für den medizinischen Teil der Beurteilung der Erwerbsfähigkeit bei der IV. Beide Bereiche, OKP & IV, müssen über «Externe Audits» durch Fachexperten mit FMH-Titeln kontrolliert werden. Bis dies der Fall ist, darf es jedoch zu keinen Unterschieden der Leistungsübernahme von Erkrankungen bei der IV im Vergleich zur OKP geben. Denn wer bei der IV als gesund eingestuft wird, ist dies konsequenterweise auch für die OKP, somit konsequenterweise nun bei der OKP ebenfalls nicht mehr leistungsberechtigt!
Herr Jansen hat somit eindrücklich den vorliegenden Systemfehler aufgezeigt. Er agiert aber leider nur juristisch, verteidigt die finanziellen Eigeninteressen der IV, nicht jedoch die medizinischen Interessen der behandelnden Ärzteschaft der FMH.