Wer Tabak sät, wird Tuberkulose ernten

FMH
Ausgabe
2019/07
DOI:
https://doi.org/10.4414/saez.2019.17583
Schweiz Ärzteztg. 2019;100(07):195

Affiliations
Dr. med., Mitglied des FMH-Zentralvorstandes, Departementsverantwortlicher Public Health und Gesundheitsberufe

Publiziert am 13.02.2019

Im Nationalrat wurde vor zwei Monaten eine Interpellation (18.4266) zum Thema Tuberkulose eingereicht. Eine Erkrankung, die wieder häufiger auftritt und deren­ Epidemiologie in erster Linie von sozialen Lebensbedingungen abhängt. Die antibiotische Therapie hat lediglich in der Mitte des letzten Jahrhunderts in Europa zur Senkung der Prävalenz in den tiefsten ­Bereich beigetragen und dazu, dass die Erkrankung heute in der Regel nicht mehr tödlich verläuft. Heute zeichnet sich auch bei den Tuberkuloseerregern, wie bei anderen Bakterien, eine Resistenzentwicklung ab. Heute stehen auch bessere diagnostische Tests zur Verfügung, denn eine Tuberkuloseinfektion kann latent verlaufen. Auch in diesem Fall zieht sich eine Anti­biotikabehandlung über mehrere Monate hin und kann mit Nebenwirkungen verbunden sein. Die Wahl der Antibiotika und die Therapiedauer sind vor­geschrieben. Kurzum, eine Tuberkulose ist keine Bagatellerkrankung. Eine Tuberkulose lässt sich, wie alle Infektionskrankheiten, nicht durch Mauern aufhalten. Eine Quarantäne ist aufgrund des Krankheitsverlaufes keine Option. Woher aber die Zunahme?
Es ist wissenschaftlich bekannt, dass das Rauchen von Zigaretten eine Verdoppelung der Tuberkulosefälle bewirk­t und zudem deren Behandlung schwieriger macht: Der Anteil mulitresistenter Erreger nimmt infolge Rauchens um 50% zu. Zudem ist bekannt, dass die Schweiz neben Monaco das einzige Land in Europa ist, das die «Framework Convention on Tobacco Control» (FCTC) der WHO noch nicht ratifiziert hat. Dafür, dass dies so bleibt, geben sich die drei grossen ausländischen Tabakkonzerne, die von der Schweiz aus operieren und exportieren, alle Mühe, was aufgrund mangelnder Transparenz in der Politik nicht allzu schwer ist: Professor Mark Pieth spricht denn auch von einer gekauften Demokratie. Gemäss Zahlen der eidgenössischen Zollverwaltung haben die Zigarettenexporte aus der Schweiz nach Afrika von 2010 bis 2017 absolut um einen Faktor 10 zugenommen, relativ ist der Anteil an der Gesamtexportmenge von 2 auf 29% gestiegen. Dank der Schweiz, welche die FCTC nicht ratifiziert, resultieren für die Bevölkerungen in den afrikanischen Ländern, in denen Tuberkulose endemisch ist und in welche direkt aus der Schweiz Zigaretten exportiert werden, zwanzig Mal mehr Tuberkulosekranke.
Die Antwort auf die Interpellation 18.4266 lautet somit: Liebe Parlamentarier, haben Sie etwas Mut, nicht einseitig die Interessen der Tabakindustrie zu vertreten, und übernehmen Sie Verantwortung. Zeigen Sie Weitblick und sorgen Sie dafür, dass die Schweiz die FCTC ratifiziert. Herzlichen Dank. So können Sie die Zahl der Tuberkulosefälle reduzieren und das Problem der Antibiotikaresistenzentwicklung eindämmen. Nebenbei sparen wir mit einem Tabakproduktegesetz, das sich an europäischen Standards und nicht an denen einer Bananenrepublik orientiert, 1 Milliarde Schweizer Franken jährlich an direkten Gesundheitskosten. Die Krankenkassenprämienzahler werden es Ihnen danken. Wir hoffen, dass sich diesmal vielleicht auch ein paar Krankenkassen und nicht nur die Leistungserbringer klar für ein Tabakproduktegesetz engagieren, das diesen Namen verdient. Die Ratifizierung der FCTC wäre auch die wichtigste Einzelmassnahme für eine glaubwürdige NCD-Strategie. Im Bundesrat ist seit ­kurzem Public-Health-Wissen vorhanden. Bleibt zu hoffen, dass dies spürbar wird.
Ein Tabakproduktegesetz, das eine Ratifikation der FCTC erlaubt, würde dazu führen, dass nicht mehr wie heute in der Schweiz 57% der Raucherinnen und Raucher als Minderjährige anfangen und zeitlebens stärker abhängig sein werden. Deshalb setzt sich die FMH für die Initiative «Kinder ohne Tabak» (www.kinderohnetabak.ch) ein.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, unterschreiben Sie, sammeln Sie Unterschriften, wie an der letzten Ärztekammer vorgeschlagen, und unterstützen Sie die In­itiative finanziell.