Resultate einer Mitgliederumfrage in der Ärztegesellschaft Baselland

Qualitätssicherung in der Arztpraxis

FMH
Ausgabe
2019/09
DOI:
https://doi.org/10.4414/saez.2019.17616
Schweiz Ärzteztg. 2019;100(09):288-290

Affiliations
a Dr. med., Delegierter BL Forum-Q SAQM; b Dr. med., Ersatzdelegierter BL Forum-Q SAQM; c Dr. med., Vorstandsmitglied AeG BL

Publiziert am 27.02.2019

Nach vorzüglicher Aus- und Weiterbildung sowie in ausgewiesener kontinuierlicher Fortbildung erleben wir die Qualitätsdebatte unvermindert als ambivalentes Spannungsfeld: im besten Fall geeignet zum Anstoss eines optimierten Angebots, aber allzu leicht auch missbraucht zu dessen Regulierung und Kon­trolle unter dem Primat der Ökonomie. Unsere Motivation zum Engagement für die Thematik resultiert aus der Überzeugung, lieber das Messer behutsam in eigener Hand zu führen als es unliebsamen Handlungen Dritter zu überlassen.
Die Unterzeichnung der Qualitäts-Charta der SAQM – zusammen mit fast allen Fachgesellschaften und mit gut der Hälfte der Kantonalgesellschaften – verlangt von uns die Erarbeitung einer Qualitätsstrategie; sie stellt uns aber auch vor die grundsätzliche Frage, was Aktivitäten zur Qualitätsförderung auf Ebene einer Kantonalgesellschaft überhaupt bezwecken sollen und können.
Wir interpretieren den Auftrag der Q-Charta in erster Linie im Sinne einer wirksamen Mitgestaltung ge­eigneter politischer und ökonomischer Rahmenbedingungen, damit wir unseren Beruf auch in Zukunft nicht nur erfolgreich, sondern auch mit Befriedigung ausüben können. Dies nach dem Motto: Verhinderung schikanöser Vorschriften unter dem Q-Etikett – Förderung von Bestrebungen zum Nachweis und zur Erzeugung und Sicherung von echter Qualität – ohne Zwang, Bürokratie und Sanktionen, vielmehr durch Sensibilisieren, Überzeugen und Mahnen.
Als Voraussetzung zur Erarbeitung einer Qualitäts­strategie erschien uns die Erfassung des Ist-Zustandes der bereits praktizierten Qualitätsaktivitäten unserer Mitglieder im Rahmen einer Umfrage unumgänglich, deren Resultate nachfolgend dargelegt werden.

Umfragedesign

Die Umfrage erfolgte im September 2018 auf elektronischem Weg. Erfasst wurden alle freipraktizierenden Mitglieder der Ärztegesellschaft Baselland. Eine kurze Erläuterung von Kontext und Sachverhalt ermöglichte via Link oder QR-Code den direkten Zugang zur Umfrage, welche anonym und datengeschützt mittels des Umfragetools SurveyMonkey erhoben und ausgewertet wurde. Der Fragebogen umfasste 23 Fragen sowie abschliessend die Möglichkeit zur Äusserung von persönlichen Gedanken, Anregungen oder kritischen Bemerkungen. Der Zeitaufwand lag bei 5–7 Minuten, die Rücksendefrist war auf drei Wochen ab Versand terminiert, ein Reminder wurde nicht versandt.

Alter, Fachgebiet und Praxisform der ­Teilnehmenden

Von den insgesamt 650 freipraktizierenden Mitgliedern der Ärztegesellschaft BL haben insgesamt 161 Mitglieder, also knapp 25% oder ein Viertel, ge­antwortet, was als erfreuliche Rücklaufquote gewertet werden darf. Davon waren 43% in einer Einzel­praxis, 24% in einer Doppelpraxis und 33% in einer Gemeinschaftspraxis (drei oder mehr ärztliche Fachpersonen) tätig.
Die Hauptaltersgruppe lag mit 42% bei 51–60 Jahren, je 25% waren 41–50 bzw. 61–70 Jahre alt. Vom Fach­gebiet her überwogen die Grundversorger mit 52%. Von den Spezialisten, von denen 60 von 72 Antwortenden fakultativ ihr Spezialfach genannt haben, vertreten 19 die Fachrichtung der (Erwachsenen-/Kinder-/Jugend-)Psych­iatrie/-Psychotherapie, 15 die Gynäkologie/Geburtshilfe, die restlichen verteilen sich auf Chirurgie/ Orthopädie (5), Ophthalmologie (4) sowie Neurologie, Urologie, Radiologie, HNO und Sportmedizin (je 1–2).
Einem Ärztenetz/Netzwerk angeschlossen sind 42% der Antwortenden. Diese 68 Mitglieder verteilen sich zu 66% auf den Hausärzteverein Angenstein (HVA), zu 22% auf die Ärztenetz Nordwest AG sowie zu 12% auf andere Netzwerke.

Anwendung von definierten Qualitäts­managementsystemen

Wir wollten zunächst wissen, ob in der Praxis ein definiertes QM-System zur Anwendung kommt, was 36% der Teilnehmenden bejahten. Für die positiv Antwortenden wurden sechs definierte QM-Tools zur Wahl ­angeboten, dazu die Möglichkeit einer freien Angabe. Mit Ausnahme des MFA von Argomed AG wurden sämtliche zur Auswahl gebotenen Tools mindestens einmal genannt, wobei das Opti-Q mit 22 Nennungen sowie Equam mit 14 Nennungen deutlich am meisten angegeben wurden. Dieses Resultat ist nachvollziehbar, wenn man weiss, dass Opti-Q von HVA-Mitglied Daniel Schädeli entwickelt worden ist, ferner dass die Equam-­Zertifizierung eine Bedingung für die Mitgliedschaft im Ärzte­netz Nordwest darstellt. Fünf Kolleginnen und Kollegen benützen das Q-SS der AeG BL – ein in den eigenen Reihen entwickeltes einfaches und übersicht­liches Qualitätssicherungssystem zur Erfassung und Verbesserung der Strukturen und Abläufe in der ambulanten Praxis – vier weitere das QMN (Qualimed-net) sowie drei weitere das vom VEDAG entwickelte QBM (Qualitäts-Basis-Modul). Restliche Nennungen betrafen CSCQ, DKG, Q-LABEL, SCQM, PROMS, ISO 17025, drei weitere Nennungen waren unbrauchbar (s. Abb. 1).
Abbildung 1

Qualitätsaktivitäten mit persönlichem Engagement

48% der Antwortenden nehmen an einem Qualitäts­zirkel teil, 23% engagieren sich in einer Balint-Gruppe oder betreiben regelmässig Super-/Intervisionen.

Beachtung fachspezifischer Qualitäts­vorgaben

99% der Antwortenden kennen und beachten fachspezifische Guidelines; 55% bringen zum Ausdruck, dass Guidelines/Leitlinien/Richtlinien ihre tägliche Arbeit mit den Patientinnen und Patienten «stark beeinflussen», 37% sehen sich darin «etwas beeinflusst». 133 von 157 Antwortenden verwenden anderweitige spezifische Verzeichnisse/Merkblätter/Checklisten, davon 21% «sehr häufig», 43% «regelmässig» und 26% «gelegentlich», lediglich 10% «sehr selten» oder nicht.
31 Mitglieder (20%) kennen und benützen Gesundheits­register (wwww.fmh.ch/saqm/_service/forum_medizi
nische_register.cfm), wovon 65% «klinische», 40% «epidemiologische» und der Rest «andere» (Mehrfachantwort möglich), dies in der überwiegenden Mehrzahl «manchmal» bis «selten» – lediglich in fünf Fällen wird «häufig» damit gearbeitet.
14% von 148 Antwortenden kennen eine Empfehlung ihrer Fachgruppe zur Teilnahme an spezifischen Registern.

Umgang mit kritischen Ereignissen

67% der Umfrageteilnehmenden pflegen einen definierten Umgang mit kritischen Ereignissen. 118 von 158 Antwortenden machen dazu nähere Angaben: 24 (20%) bejahen die «Teilnahme an einem offiziellen Melde­system CIRS (Critical Incidence Reporting System)», 36 (31%) das «Vorgehen nach praxisintern fest­gelegten Richtlinien» und 51 (43%) melden «vermutete un­erwünschte Arzneimittelwirkungen an Swissmedic». 7 Teilnehmende (6%) tun dies in anderer Form.

Qualitätskontrolle der ärztlichen Privat­apotheke (SD-Kanton)

84% der Umfrageteilnehmenden führen eine Praxis­apotheke. Da im Kanton Baselland eine gesetzlich ­verankerte Qualitätskontrollpflicht für ärztliche Privatapotheken besteht, die in Form periodischer In­spektionen durch eine regionale Fachstelle durchgeführt wird, hat auch die Beurteilung dieser Visitationen durch das Regionale Heilmittelinstitut (RHI) interessiert. Von 135 Antwortenden wird der Aufwand für die Visitationen immerhin von 20% als «angemessen» empfunden; 33% empfinden ihn als «hoch», 39% als «zu hoch». Kritischer werden die Kosten beurteilt, wonach nur 9% diese als «angemessen» empfinden, 37% als «hoch» und knapp 50% als «zu hoch».

Umsetzung von Art. 19 der Medizin­produkteverordnung

Mit dem MEP-MPA-Projekt hat die Ärztegesellschaft BL unter der Ägide eines Hausarztes, einer anerkannten Hygienefachfrau und des Kantonsapothekers ein innovatives Tool zur Umsetzung der Auflagen der Medizinprodukteverordnung im Bereich Aufbereitung und Sterilisation von Medizinprodukten erarbeitet und seit zwei Jahren in die Praxis umgesetzt. Es bezweckt Praxisvisitationen durch speziell ausgebildete MPA anhand einer – zur ursprünglichen Version wesentlich reduzierten – Checkliste, verbunden mit der Gelegenheit, die involvierten MPA vor Ort zu schulen in der korrekten Anwendung und Umsetzung. Damit soll einerseits verhindert werden, dass die behördlich verordnete Massnahme, statt der realen Qualitätssicherung zu dienen, lediglich zu einem bürokratischen Akt verkommt. Zum anderen steht dahinter die Erkenntnis, dass die qualitativ optimale Aufbereitung des Sterilisationsgutes buchstäblich in den Händen dieser Mitarbeitenden liegt! Die Resultate der Inspektionen werden dem Kantonsapotheker gemeldet, der nur noch Stichprobenkontrollen erhebt.
Die uns interessierende Frage, ob in der eigenen Praxis Medizinprodukte selbständig aufbereitet werden und im Rahmen des Projekts MEP-MPA kontrolliert werden, haben 27 Mitglieder (18%) positiv beantwortet. Sehr erfreulich erscheint, dass davon 25 Mitglieder ­«zufrieden» bis «sehr zufrieden» mit dem Angebot sind, immerhin 2 Mitglieder aber auch «sehr unzufrieden».

Eine Auswahl spontaner Wortmeldungen

Zum Schluss seien noch exemplarisch 3 von 28 spontanen Kommentaren zitiert:
– «Ich hoffe, dass es nicht zum Zwang bzgl. ‘Qualitätskontrollen’ kommt, die dann noch mehr Zeit und Aufwand verursachen, so dass schlussendlich die Patientenbetreuung und Behandlungsqualität (!) abnimmt … Danke für Euren Einsatz diesbzgl.»
– «Ein optimales Qualitätsmanagement sollte als Ziel eine bessere Medizin haben, meine Befürchtung ist im Gegenteil, dass wir plötzlich mehr Zeit und Personal verwenden werden fürs Protokollieren, anstatt eine bessere Medizin anzustreben.»
– «Diese zunehmend aufgeblähte Administration und Qualitätshysterie macht die tägliche Arbeit am Patienten immer schwieriger und unattraktiver – und dies erst noch bei sinkenden Leistungstarifen. Unproduktive Mehrarbeit ohne Wertschöpfung zu einem geringeren Lohn/Einkommen …»

Schlussfolgerung

Insgesamt ging es bei der Umfrage wie eingangs erwähnt um die Erfassung des Ist-Zustandes, um darauf basierend ein konkretes Konzept zur Umsetzung von Qualitätssicherung auf Ebene der AeG BL auszuarbeiten. Erfreulich ist, dass eine grosse Mehrheit der Befragten in irgendeiner Form Qualitätssicherung in der Praxis betreibt und sich auch über deren Nutzen bewusst ist. So werden von gut einem Drittel der Teilnehmenden bereits bestehende QM-Systeme angewendet und von der Hälfte der interkollegiale Austausch in Form von Qualitätszirkeln sowie Inter- und Super­visionen gepflegt.
Dr. med. Guido Becker
Leiter Ressort Q AeG BL
becker[at]hin.ch