… Fabian Unteregger: Comedian, Unternehmer und Arzt

«Gerade die Medizin braucht Entspannung und Humor»

Horizonte
Ausgabe
2019/13
DOI:
https://doi.org/10.4414/saez.2019.17674
Schweiz Ärzteztg. 2019;100(13):486-488

Affiliations
Freier Journalist und Fotograf, Medientrainer, Bern

Publiziert am 26.03.2019

Erster Gedanke nach einer ersten Gesprächssequenz: ein Tausendsassa, dieser Fabian. Ob er sich eher als ­Komödiant fühle oder als Arzt, war die Frage. «De facto bin ich Unternehmer», lautet die Antwort. «Mit Comedy generiere ich meine Einnahmen.» Und diese ­investiere er unter anderem in seine Forschung und in Startups aus dem Gesundheitsbereich. «Ich versuche, Unternehmen mit ähnlichen Problemen zusammenzuführen und Opportunitäten zu schaffen», sagt er. «Ich liebe Innovation und wurde zum Business-Angel.»

Doktorspiele live

Auch in der Forschung ist Fabian Unteregger tätig. Ihn interessiere, wie physiologisch die menschliche Stimme funktioniere, erklärt er. Auf das Thema sei er ganz zufällig gestossen, und zwar einmal, als er eine HNO-Ärztin und deren Gatte mit einem Kleinflugzeug in Lugano abgeholt habe. Eben: Pilot ist Unteregger auch. Zuerst flog er Flächenflugzeuge, zurzeit absolviert er die Gebirgsausbildung für Helikopter-Piloten.
Und seine Rolle als Komödiant, als den man ihn kennt? Die Bezeichnung «Comedian» sei ihm lieber, korrigiert er: «Ich will nicht mit Effekthascherei die Leute blenden.» Ein Komödiant rutsche zum Beispiel auf einer Bananenschale aus, er dagegen arbeite mit dem Wort und selber gespielter Musik – «ein Mikrofon, ein Mikrofonständer und los.»
Sein aktuelles Programm heisst «Doktorspiele». Der Titel erinnert daran, dass Fabian Unteregger auch Arzt ist.
Auf der Bühne spielt dieser Hintergrund immer wieder eine tragende Rolle. Einem Frosch habe er mal ein künstliches Hüftgelenk implantiert, witzelt er. «Schon in der Primarschule konnte ich meine eigene Handschrift nicht lesen», karikiert er seinen kabarettistisch-medizinischen Werdegang, der ihn via Darmstadt und Houston – Husten! – zurück in die Schweiz führt, wo er Politiker und Sportreporter mit seinem parodistischen Talent als Hausärzte auftreten lässt.
Ab und zu operiert er auch leicht unter der Gürtellinie, am – Zitat – «roten Sack» des ehemaligen Englischlehrers beispielsweise, oder wenn er die Führerkabine ­eines Trams zum Örtchen des Miktierens, also zum WC werden lässt. «Wir sollten nicht alles immer so ernst nehmen», ist Fabian Unteregger überzeugt. «In der Schweiz sind wir möglicherweise allzu politisch korrekt.»

Doktorspiele am TV

«Ärzte versus Internet» heisst Untereggers Fernseh-­Serie, von der SRF im vergangenen Jahr sechs Folgen ausstrahlte und die dieses Jahr erneut im Programm ist. Im Mai sollen sieben Sendungen vorproduziert werden. Das Format kommt aus Norwegen, es ist ein Diagnose-Duell zwischen einem Ärzte-Team, das sich bei der Beurteilung von Symptomen auf sein Wissen und seine Erfahrung verlassen muss, und einem Laien-Team, das darin geübt ist, schnell im Internet zu recherchieren. Ausgangspunkt ist immer eine Patientin oder ein Patient mit einem real existierenden Leiden.
«Krankheiten als Ratespass?» fragte ein Publizist. Und der «Blick» kommentierte: «Für Hypochonder, die sich gerne Gesundheitssendungen anschauen, mag das Quiz ein Genuss sein. Ärzte würden zur Diagnosestellung nie auf ihr Fachwissen vertrauen, sondern immer zuerst Untersuchungen anstellen.»
Arzt Unteregger findet, die Sendung sei «eine saumäs­sig gute Gelegenheit, Krankheitsbilder ins Land hinauszutragen», die Leute also für gewisse Leiden zu sensibilisieren. Ansonsten habe er zwei Hauptansprüche: die Zuschauenden weiterzubilden, und sie gleichzeitig zu unterhalten. Den Vorwurf, da würden Patientinnen und Patienten in einem unrealistischen Umfeld als ­Diagnosefutter missbraucht, weist Unteregger kate­gorisch zurück: «Patienten haben das Anliegen, ihre Krankheit nach aussen zu tragen. Sie kommen alle freiwillig und gern. Und erlebten die Sendung bisher durchwegs als positiv.»

Zur Person

Dr. med. Fabian Unteregger wurde 1977 in Bottmingen (BL) geboren. Nach der Matura erwarb er 2003 an der ETH Zürich den Master in Food Science. Er arbeitete dann als Product Manager und gründete 2007 seine eigene Firma. Seither produzierte er für Radio und TV gegen 1000 Solo-­Comedy-Shows. 2008 begann er in Zürich sein Medizinstudium, das er 2014 mit dem Staatsexamen abschloss. 2011 wurde auf SRF 3 erstmals die Parodien-Parade «Zum Glück ist Freitag» ausgestrahlt. Seit 2015 ist er mit seinem abendfüllenden Programm «Doktorspiele» unterwegs. 2017 promovierte er zum Doktor der Medizin, im gleichen Jahr gewann er den Prix Walo. 2018 hatte seine SRF-Fernsehsendung «Ärzte versus Internet» Premiere. ­Fabian Unteregger lebt mit seiner Partnerin in Zürich.

Das Netz und die Medizin

Wer das Internet als Diagnoseinstrument ver­unglimpfe, verkenne die Realität, stellt der Comedian fest, der als moderierender Arzt merklich ernster ­daherkommt. Gerade in Spitälern und Praxen spiele das World Wide Web eine zentrale Rolle, das sei eine Tatsache und auch richtig so: «Wikipedia und UpToDate gehören bei Ärztinnen und Ärzten zu den meist­konsultierten Webseiten. Das Internet ist für die ­Medizin – wie andere technologische Entwicklungen auch – keine Bedrohung, sondern eine Chance.» Zur ­Illustration zückt er sein Smartphone. «Damit kann ich beispielsweise ein rasches Mini-EKG machen.» Und damit erhalte vielleicht auch die Psychiatrie «nach vielen Dutzend Jahren ohne bahnbrechende technische Entwicklung» endlich ein Hilfsinstrument. Denn das Handy merke, wenn sich eine Stimme verändere, die Sprechgeschwindigkeit langsamer werde und die Aktivität zurückgehe. Es könne also helfen, eine Depression zu erkennen. «Ein Computer kann das Gespür eines Hausarztes nie ersetzen», erklärt Unteregger, «aber er ist ein geeignetes Werkzeug, um seine Vermutungen präzise abzustützen.» Ärztinnen und Ärzte würden also nicht überflüssig. «Aber ihre Rolle wird sich weiter verändern.» In der Automobil­industrie habe es ähn­liche Entwicklungen gegeben: «Als in der Produktion Roboter eingeführt wurden, hiess es, Stellen gingen verloren. Das Gegenteil trat ein, mehr Stellen wurden geschaffen.» Die Berufsbilder jedoch hätten sich gewandelt.
Zurück zum diagnostischen Fernsehduell. Frage an Fabian Unteregger: Laufen die Ärzte, die dort auftreten, nicht Gefahr, sich selber und ihren ganzen Berufsstand lächerlich zu machen – insbesondere dann, wenn sie als renommierte Fachleute gegen blutige Laien unterliegen? «Es braucht ein wenig Mut, dieses Risiko einzugehen, ja», kommentiert Unteregger. «Aber etwas Mut hat noch niemandem geschadet, auch Medizinern nicht.» Man könne in der Sendung nachträglich ja erklären, wie man auf die falsche Diagnose gekommen sei. Im Übrigen sei die Annahme falsch, dass über ernsthafte Krankheiten nur ernst gesprochen werden könne oder müsse. «Auch MS-Patienten sind gerne fröhlich. Und gerade die Medizin braucht Entspannung und Humor.» Zur Illustration zeigt Unteregger seine farbigen Socken. Auch im Spital habe er solche getragen, «und es war schön zu beobachten, wie sich die Leute allein deswegen entspannten – ein nicht ­medikamentöser Blutdrucksenker».

Teamarbeit und Sololauf

Bisher hat das Ärzteteam in allen Sendungen mehr richtig erraten als die Laien mit dem Internet. «Es ist supercool und schwer beeindruckend, wie die Mediziner mit wenigen Hinweisen immer wieder auf das richtige Resultat kommen», schwärmt Unteregger über seine Kollegen. Da würden Distanzen zu den Patienten verringert. «Und es ist lässig, wie sie als Team funktionieren. Es hat sich in der Sendung gezeigt, dass das Team der wichtigste Erfolgsfaktor ist.»
Auf der Bühne legt Fabian Unteregger einen Solo-­Marathon hin. Mit Ukulele oder Keyboard manchmal, immer aber alleine. Er karikiert und persifliert, er ­improvisiert und imitiert. Im Radio macht er dies seit Jahren jeden Freitag frühmorgens live. Gegen 1000 Comedy-Shows habe er bisher produziert, schreibt er in seinem Lebenslauf, über 50 000 Zuschauer hätten allein seinen Doktorspielen auf der Bühne beigewohnt. Sein Markenzeichen ist sein Erfolgsrezept: Er ahmt Prominente so gut nach, dass es bisweilen schwierig ist, die Imitation vom Original zu unterscheiden. Mörgeli und Blocher bringt er, Leuenberger und Köppel, Hitzfeld und Trump, Salzgeber und Schär – und als jüngste Nummer Neo-Bundesrätin Keller-Suter. «Es ist immer schön, wenn etwas Neues funktioniert», sagt der sehr jugendlich wirkende 42-Jährige.
Eine knappe Stunde vor Vorstellungsbeginn verabschiedet er sich. Vor dem Marathon gönnt er sich jeweils eine halbe Stunde Schlaf. «Eine solche Show ist Spitzensport, hard-core», fügt er bei und geht.
Die Leute am Tisch nebenan haben den prominenten Gast erkannt und sprechen ihn beim Vorbeigehen an. «Sie sind doch Roger Federer, oder?», sagt einer.
Fabian Unteregger lächelt – und nickt.
Ein Tausendsassa, wie gesagt.
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