Die Epoche der Renaissance, der Rückbesinnung auf das kulturelle Erbe der Antike, beschränkte sich nicht auf die Architektur und die bildenden Künste, sondern erfasste auch das philosophische und religiöse Denken. Inmitten dieser turbulenten Zeit gründete Ficino in Florenz seine platonische Akademie, wo er sich vor allem als Übersetzer und Interpret antiker Schriften hervortat. Eines seiner Hauptanliegen war es, die seiner Meinung nach in einer tiefen Identitätskrise steckende Kirche wieder zu einem ursprünglichen Verständnis von Sakralität zurückzuführen. Anfänglich seien nämlich die Priester zugleich auch Philosophen gewesen, und die Letzteren ihrerseits voll gläubiger Inbrunst. Im Laufe des Mittelalters sei diese Einheit von Pietas und Sapientia immer mehr verloren gegangen. Die religiösen Denker hätten sich mit dicken Klostermauern umgeben, wo sie ausgelaugte Begriffe ruminierten und an sterilen Worthülsen herumfeilten. Parallel dazu hätte sich eine Kaste geistig unmündiger Kirchenpraktiker ausgebildet, deren Glaubenseifer sich in sinnentleerter mechanischer Ritualität erschöpfte. So träumt Ficino von einer Rückkehr zu den altehrwürdigen Wurzeln der christlichen Lehre, von einer Prisca theologia, die, im Zeichen wiedergewonnener Einheit von Weisheit und gläubiger Hingabe, der Kirche ihre Autorität zurückgeben sollte. Im Einklang mit anderen Denkern aus der Renaissance gilt sein Interesse aber, nebst der Religion, auch verschiedenartigen okkulten Wissenschaften. So versucht er, unter Rückgriff auf wiederentdeckte antike Quellen, das ganze Universum mitsamt seinen Bewohnern als einen einzigen Organismus zu begreifen. Der Spiritus mundi, ein unseren Sinnen entzogener, durchs All wabernder Geist, soll allen Einzelteilen dieses Weltkörpers zu einer einheitlichen Funktionalität verhelfen. Darin sieht Ficino dann die Grundlage seiner medizinwissenschaftlichen Astrologie, der angeblichen Einflussnahme von Sternen und Planeten auf unseren Gesundheitszustand und unseren Charakter. In Analogie dazu will er auch gewissen irdischen Gegenständen und Materialien allerlei magische, therapeutisch nutzbare Eigenschaften zusprechen. Ohne aber diesbezüglich allzu konkret zu werden, bleibt Ficino hier ganz Pharmakologe und rät zu einem pragmatischen: «Gut ist, was hilft.» In enger Verbindung zu diesem alternativen ärztlichen Denken stehen auch seine