Koch oder Kellner?

FMH
Ausgabe
2019/13
DOI:
https://doi.org/10.4414/saez.2019.17746
Schweiz Ärzteztg. 2019;100(13):451

Affiliations
Dr. med., Präsident des Schweizerischen Instituts für ärztliche Weiter- und Fortbildung SIWF

Publiziert am 26.03.2019

Diese Nummer der Ärztezeitung enthält den Bericht über die Journée de réflexion, die auch dieses Jahr gemeinsam vom Schweizerischen Institut für ärztliche Weiter- und Fortbildung und vom Collège des Doyens der Medizinischen Fakultäten organisiert worden ist. Die Veranstaltung ist aktuellen Problemen der ärzt­lichen Bildung gewidmet. Eine besondere Bedeutung hat dabei das Anliegen, die Kontinuität vom Studium über die Facharztweiterbildung bis zur Fortbildung ­sicher zu stellen.
Bei einer Tagung, die das Reflektieren im Titel führt, stellt sich unweigerlich auch die Frage nach dem Agieren. Kluge Analysen und Standortbestimmungen sind anregend und notwendig, Projekte und Beschlüsse im Hinblick auf konkrete Massnahmen sind dann aber die nächsten Schritte, die es braucht, damit sich etwas ­bewegt.
Der Gastreferent Dr. Günter Jonitz, Präsident der Ärztekammer Berlin, hat denn auch unter dem Titel «Neue Zeiten, neue Ärzte, neues System» die Ärzteschaft eindringlich dazu aufgerufen, den Wandel vom laufenden Preiswettbewerb mit der «Dezimierung der Strukturen» zum Qualitätswettbewerb mit einer «Optimierung der Versorgung» selbst zu gestalten. «Koch oder Kellner sein» – diese Entscheidung liege bei uns (Anmerkung des Setzers: In einer guten Gaststätte braucht es natürlich beide, aber es liegt am Koch, dass die Suppe schmackhaft und nicht versalzen ist)! Tatsächlich haben die Teilnehmer der Journée de réflexion im Bereich der ärztlichen Bildung eine Reihe von Problemfeldern mit Handlungsbedarf lokalisiert, wobei ­unsere Einflussmöglichkeiten zum Teil direkt und ­massgebend sind, sich zum Teil aber auch darauf konzentrieren müssen, die effektiven Entscheidungsträger zu überzeugen und zum Handeln zu motivieren (Weitere Anmerkung des Setzers: Eine wirksame Therapie gegen taube Ohren oder eingeschränkte Gesichtsfelder wäre dafür sehr hilfreich).
Die ganz grossen Herausforderungen für Aus- und Weiterbildung sind die Veränderungen der Strukturen und Rahmenbedingungen im Gesundheitswesen mit der immer stärkeren Gewichtung ökonomischer und effizienzorientierter Faktoren, die Digitalisierung mit ihren vielschichtigen Konsequenzen und die offenen Fragen der Ärztedemographie. Die Verlagerung vieler operativer Eingriffe vom stationären in den ambulanten Sektor beispielsweise wird ernsthafte Auswirkungen auf die Weiterbildung in den chirurgischen ­Fächern haben, zumal es dabei ausgerechnet um die Operationen geht, die zum Basistraining der Weiterzubildenden gehören. Da sind wir gefordert.
Andere Entwicklungen, über die wir nicht nur reflektieren dürfen, sondern an denen wir aktiv arbeiten müssen, sind die Lernzielkataloge, die in vielen Fachbereichen dringend aktualisiert und an die effektiven Bedürfnisse der zukünftigen Berufsausübung angepasst werden müssen. Für das Studium befindet sich gegenwärtig ein ganz neuer Lernzielkatalog (PROFILES) in Einführung. Er sucht die Nachteile ellenlanger Listen von einzelnen Lernzielen zu vermeiden und führt die «entrustable professional activities» (EPA) als neue Methode in das Studium ein. Dabei handelt es sich um integrierte Kompetenz-Sets, deren Beherrschung den Studierenden auf der Basis einer sorgfältigen Evaluation bestätigt werden muss – ein nicht zu unterschätzender Aufwand, der etwas zeitverschoben auch auf die Weiterbildungsstätten zukommen wird, da die EPA aller Voraussicht nach auch Bestandteil der Facharztweiterbildung werden.
Als gegen Ende der Tagung die Schlussdiskussion zu den «to do’s» eröffnet wurde, herrschte Konsens, dass wir von den Fakultäten über das SIWF und die Weiterbildungsstätten bis zu den Fachgesellschaften heute gefordert sind, die diagnostizierten Probleme aktiv anzugehen und den Weg in die Zukunft für die ärztliche Bildung nicht nur zu planen, sondern zu bauen. Speziell Mut dafür machte das Gastreferat von Prof. Manu Kapur zum Thema «Produktives Scheitern», der dazu aufrief, Lernende geeignete Aufgaben frisch und munter anpacken zu lassen, bevor sie den theoretischen Hintergrund schon in extenso serviert bekommen ­haben. Oft seien die Ergebnisse erstaunlich und auch bei Fehlern oder einem anfänglichen Misserfolg sei der Lerneffekt beträchtlich. Also: Die Küche wartet auf die Köche.