Ein weiterer Schritt im Bereich der personalisierten Medizin

Bessere Operationsvorbereitung dank dem 3D-Drucklabor

Tribüne
Ausgabe
2019/2728
DOI:
https://doi.org/10.4414/saez.2019.17964
Schweiz Ärzteztg. 2019;100(2728):947-948

Affiliations
Wissenschaftsjournalist

Publiziert am 02.07.2019

Bei Herzmissbildungen, Frakturen, Fehlstellungen, Tumor- und Gefässerkrankungen können dreidimensionale Kunststoffmodelle in Originalgrösse aus dem 3D-Drucker den behandelnden Ärztinnen und Ärzten einen beachtlichen Mehrwert bieten – sowohl im Bereich der Visualisierung als auch der Therapie. Das Universitätsspital Basel bietet seinen Mitarbeitenden diese Dienstleistung deshalb seit 2016 über ein hauseigenes 3D-Druck-Labor an.
Der Tumor hat die Grösse eines Pfirsichkerns und sitzt in der Herzscheidewand. Welche Operationstechnik eignet sich am besten, um diese krankhafte Wucherung zu entfernen und wie leicht lässt sie sich vom gesunden Gewebe abgrenzen? Mit diesen Fragen gelangten die Chirurgen des Universitätsspitals Basel (USB) an das 3D-Druck-Labor, welches eine interdisziplinäre Einrichtung der Klinik für Radiologie und Nuklearmedizin und der Klinik für Mund-, Kiefer- und Gesichtschirurgie ist. Um im besagten Fall helfen zu können, bereiteten die Radiologen die Daten aus der Computertomographie so auf, dass das Herz des Patienten samt dem darin eingewachsenen Tumor als dreidimensionales Modell den Herzchirurgen übergeben werden konnte.
Das Modell im Massstab 1:1 zeigte den Spezialisten, dass der Tumor gut abgrenzbar ist und ohne grössere Schä­digung des Herzmuskels entfernt werden kann. Der operative Eingriff konnte, unter anderem dank der opti­malen Vorbereitung, erfolgreich ausgeführt werden.
Der Mund-, Kiefer- und Gesichtschirurg ­Florian ­Thieringer (links) und der Radiologe ­Philipp Brantner (rechts) leiten gemeinsam das 3D-Druck-Labor.

Potential frühzeitig erkannt

«Die Operationsplanung ist eine zentrale Hilfestellung unseres Drucklabors», sagt Philipp Brantner. Der USB-Radiologe leitet mit dem Arzt und Zahnarzt Florian Thieringer aus der Mund-, Kiefer- und Gesichtschir­urgie das 3D-Druck-Labor. Im 3D-Druck-Bereich hat das USB in der Schweiz die Nase vorne. «Unser Spital­management erkannte das Potential dieser Technik frühzeitig», erzählt Brantner. So wird am Basler Universitätsspital das hauseigene 3D-Druck-Labor im Rahmen des Innovationsmanagements nicht nur finan­ziell unterstützt. «Die Spitalleitung und die ärztliche Seite müssen für eine solche Innovation grundlegend offen sein und auch den potentiellen Mehrwert darin erkennen. Diese Voraussetzungen sind bei uns gegeben», ergänzt der Spezialist.
Der Mehrwert von 3D-Modellen liegt zurzeit vor allem in drei Bereichen: in der Operationsvorbereitung, in der präoperativen Fertigung massgeschneiderter Implantate und in der Informationsvermittlung sowohl in der ärztlichen Aus- und Weiterbildung als auch im Patientengespräch.

Verschiedene Einsatzmöglichkeiten

Am USB nutzen Chirurgen immer häufiger 3D-Modelle bei der Vorbereitung komplizierter Eingriffe. Im Weichteilbereich sind dies hauptsächlich Resektionen von Tumoren oder Eingriffe an Gefässen. In der Orthopädie erlauben die Modelle beispielsweise, präoperativ patientenbezogene Schnittschablonen anzufertigen. Brantner erinnert sich an einen solchen Fall: «Nach ­einer Schlüsselbeinfraktur litt ein Patient an einer Fehlkonsolidierung im Schulterbereich.» Die Mitarbeitenden des 3D-Druck-Labors fertigten von der gesunden Schulter ein gespiegeltes 3D-Modell an. Darauf ­basierend konnte der Chirurg eine entsprechende Schablone fertigen, die ihm dann intraoperativ half, die Symmetrie im Schulterbereich wiederherzustellen. Ebenfalls im Orthopädiebereich liegt ein weiterer ­Nutzen der drei­dimensionalen Kunststoffmodelle im Massstab 1:1 – «Implantate wie Knochenplatten oder ­Titannetze können bereits vor der Operation angepasst werden. Damit verkürzt sich schlussendlich die Operationsdauer.»
Im Labor stehen eine Vielzahl an unterschiedlichen 3D-Druckern.
Doch nicht nur im Operationssaal bringen 3D-Modelle einen Mehrwert. Philipp Brantner und sein Team drucken vermehrt auch Modelle für anstehende Patientengespräche. «Komplexe Eingriffe lassen sich so einfacher erklären», weiss der Radiologe aus eigener Erfahrung. Zur Veranschaulichung nimmt Brantner ein Herz­modell vom Regal und erklärt: «Bei diesem Fall handelt es sich um das Herz eines wenige Wochen alten Säuglings mit einem schweren Herzfehler.» Dank dem Modell in Originalgrösse konnten sich die Eltern im wahrsten Sinne des Wortes ein Bild des kranken Herzens und der geplanten Operation machen, was für alle Beteiligten in dieser Situation eine grosse Hilfe darstellte.
Der edukative Aspekt liesse sich in Zukunft vermehrt auch in die medizinische Aus- und Weiterbildung einbetten – beispielsweise im Bereich der interventionellen Radiologie oder beim Training bestimmter Operationstechniken.

Steile Lernkurve

Im Gesundheitswesen stellt sich bei jeder Innovation auch immer die Frage nach den Kosten. «Die reinen Materialkosten liegen für einfache Kunststoffmodelle im Schnitt unter fünfzig Franken», weiss Philipp Brantner. Dazu muss noch die Zeit für die Aufbereitung der durch die röntgenologische Untersuchung gewonnenen Daten in das Druckprogramm gerechnet werden. Doch auch diese hält sich in Grenzen. Denn: «Wir erhalten im Rahmen der routinemässig eingesetzten Bildgebungsverfahren bereits alle Daten, die eine dreidimensionale Darstellung erlauben.» Für einen massstabgetreuen Ausdruck ist es dann jedoch entscheidend, die darzustellende Struktur vom Umgebungsgewebe möglichst exakt zu extrahieren. Dabei gilt: Je grösser der Kontrast zwischen der Struktur, die man als Modell ausdrucken möchte, und dem umgebenden Gewebe, desto einfacher die Segmentation. Bei dieser Arbeit werden die Radiologen am USB von einer medizinisch zertifizierten Segmentations-Software unterstützt. Brantner fügt an: «Der Datenfluss muss vollumfänglich nachvollziehbar sein.» Schliesslich würden sich kleinste Fehler im Segmentationsprozess auf die Massstabtreue des 3D-Modells auswirken.
Die Möglichkeiten für den 3D-Druck im medizinischen Bereich sind vielfältig.
Das Potential des 3D-Drucks ist beachtlich. Neben dem vermehrten Einsatz in der ärztlichen Weiterbildung und der Operationsvorbereitung werden wohl in naher Zukunft Ausdrucke mit implantierbarem Material im Spitalalltag ihren Platz finden – personalisierte ­Implantate sozusagen. Die Frage beantworten zu können, in welchen Bereichen solche massgeschneiderten Implantate einen tatsächlichen Nutzen bringen könnten, ist ebenfalls Teil der Aufgabe des 3D-Druck-Labors am USB. «Im Bereich von Orbita- und Actetabulumfrakturen sowie bei Prostataerkrankungen führen wir entsprechende Begleitstudien durch», sagt Philipp Brantner. Eines steht für den Experten bereits jetzt fest: «Die Lernkurve ist sehr steil.»
mscholer[at]emh.ch