ÄPOL-Ärzte fordern ein Moratorium für Organspenden nach Herztod

Briefe / Mitteilungen
Ausgabe
2019/25
DOI:
https://doi.org/10.4414/saez.2019.17977
Schweiz Ärzteztg. 2019;100(25):841-842

Publiziert am 18.06.2019

ÄPOL-Ärzte fordern ein Moratorium für Organspenden nach Herztod

1. Forscher der renommierten Yale School of Medicine, New Haven, USA, konnten totgeglaubte Hirnzellen von Schweinen vier Stunden nach Stopp der Sauerstoffzufuhr wieder teilweise zum Funktionieren bringen [1]. Damit wird massiv in Frage gestellt, dass die Hirnzellen beim Menschen fünf Minuten nach Herzstillstand irreversibel abgestorben sind und diese Menschen für tot erklärt werden können. Dies aber ist gemäss Schweizer Transplantationsgesetz für die Feststellung des Todes und die nachfolgende Organentnahme erforderlich (Artikel 9, Todeskriterium und Feststellung des Todes, Absatz 1: «Der Mensch ist tot, wenn die Funktionen seines Hirns einschliesslich des Hirnstamms irreversibel ausgefallen sind»). Eine Bestätigung der Studienresultate in Zukunft könnte zu ­einem Verbot von Organentnahmen fünf ­Minuten nach einem Herztod, wie sie heute in der Schweiz durchgeführt werden, führen. (Solche Organspenden sind übrigens in Deutschland seit jeher verboten, und die Spitäler lehnen alle Organe ab, die von solchen Entnahmen stammen.)
Die Studienresultate wurden in der renommierten wissenschaftlichen Zeitschrift ­Nature zusammen mit einem Kommentar [2] publiziert. Aber auch die New York Times [3] und die Frankfurter Allgemeine Zeitung (FAZ) [4] sind überzeugt, dass diese Resultate grossen Einfluss auf die Organspende-Debatte haben. Die FAZ titelt: «Der Tod schlägt Funken. Ein Experiment befeuert die Debatte um Organspenden: Wie leblos ist ein Gehirn, das Stunden nach der Enthauptung Regungen zeigt?» Weiter schreibt sie: «Nach dem in einigen Ländern [wie der Schweiz] zulässigen DCDD-Protokoll (Donation after cardiac determination of death) werden den Organspendern Organe nur wenige Minuten nach einem Herzstillstand entnommen … Die Ärzte dort gehen ­davon aus, dass alle Hirnzellen nur kurz nach dem Abbruch der Blutversorgung irreversibel geschädigt sind. Im Tierversuch könnte das jetzt als widerlegt gelten.»
2. In einer weiteren Studie aus dem Jahr 2016 kommen Wissenschaftler aus den USA und der Schweiz zum Schluss, dass ein fünfminütiger Ausfall der Blutversorgung des Hirns nicht genügt, um die Irreversibilität des Funktionsausfalls des Hirns nachzuweisen [5]. Sie weisen auf mehrere wissenschaftliche Arbeiten hin, die belegen, dass bei Patienten mit Herzstillstand auch nach 20- bis 30-minü­tigem Ausfall der Blutversorgung des Hirns ­Reanimationen mit guten neurologischen ­Resultaten erfolgt sind. Sollte dies zutreffen, wäre abzuklären, ob Organspenden fünf Minuten nach Herztod nicht gegen Artikel 9 des Schweizer Transplantationsgesetzes verstos­sen.
Aus diesen Gründen fordern wir mit einer Petition an den Bundesrat ein Moratorium von Organspenden nach Herztod (siehe https://act.campax.org/p/aepol).
1 Vrselja Z, Daniele SG, Sestan N. Restoration of brain circulation and cellular functions hours ­post-mortem. Nature. 2019;568:336–43.
2 Youngner S, Hyun I. Pig experiment challenges ­assumptions around brain damage in people. ­Nature. 2019;568:283–4.
3 ‘Partly Alive’: Scientists Revive Cells in Brains from Dead Pigs. New York Times. 17.4.2019.
4 Der Tod schlägt Funken. Frankfurter Allgemeine Zeitung. 18.4.2019.
5 Dalle Ave AL, Bernat JL. Using the brain criterion on organ donation after the circulatory determination of death. Journal of Critical Care. 2016;33:114–8.