Viele Initiativen führen zum Globalbudget

FMH
Ausgabe
2019/3132
DOI:
https://doi.org/10.4414/saez.2019.18046
Schweiz Ärzteztg. 2019;100(3132):1014

Affiliations
Verantwortlicher Public Affairs der FMH

Publiziert am 31.07.2019

Mehr als die Hälfte der 100 000 Unterschriften für die Kostenbremse im Gesundheitswesen habe die CVP ­bereits gesammelt, sagte der Präsident der Partei Ende Juni gegenüber SonntagsBlick. Und das gfs-Forschungsinstitut hat im diesjährigen Gesundheitsmonitor soeben festgestellt, dass zum jetzigen Zeitpunkt die Stimmberechtigten grundsätzlich mit dieser Initia­tive einverstanden seien [1]. Das ist der Partei erstens durchaus zu gönnen. Zweitens sind die Befunde nicht wirklich überraschend. Für tiefere Prämien zu sorgen ist ein Postulat, gegen das man nur schwer opponieren kann. Allerdings könnte gefragt werden, ob die Bürger, die unterschreiben, wirklich an das Versprechen der Initiative glauben. Es ist derselbe gfs-Gesundheitsmonitor, der zu bedenken gibt, dass die Stimmberechtigten weiterhin klar von zunehmenden Gesundheits­kosten und Krankenkassenprämien ausgehen [2].
Zweifellos hilft der Initiative, dass sie sich nicht in die Niederungen der Auseinandersetzung über spezifische Massnahmen und deren Wirkungen und Neben­wirkungen begibt. Kommt die Initiative zustande, werden Bundesrat und Parlament Wege finden müssen, um die Kostenbremse umzusetzen. Der Initiativtext gibt keine Hinweise. Und die Initianten sind vorsichtig genug, Angriffsflächen zu vermeiden und keine konkre­ten Massnahmen zu nennen. So möchte man namentlich nicht mit Globalbudgets in Verbindung ­gebracht werden.
Das ist verständlich: 91 Prozent der befragten Stimmberechtigten assoziierten im letztjährigen gfs-Gesundheitsmonitor Globalbudgets mit längeren Wartezeiten beim Arzt und gingen von der Einschränkung der freien Arztwahl aus. 86 Prozent stimmten der Aussage zu, dass Globalbudgets die Qualität der Versorgung verschlechtern. Eine Mehrheit (54%) traute dem Globalbudget auch keine bremsende Wirkung auf die Prämien zu [3].
Den Begriff Globalbudget mag man auch im Departement des Innern (EDI) nicht (mehr). Bevorzugt wird von Zielvorgaben für das Gesamtkostenwachstum gesprochen, welche zum Beispiel mittels Globalbudgets im ambulanten Bereich oder degressiver Tarife zu sanktionieren wären. Letzteres Instrument dürfte in der Botschaft des EDI zum ersten Kostensenkungspaket als Steuerung der Kosten durch die Tarifpartner enthalten sein, welche nach den Sommerferien dem Parlament unterbreitet werden wird [4]. Das Departement strebt damit an, sich subsidiär die Kompetenz für die Durchsetzung von degressiven Tarifen und Tarifreduktionen erteilen zu lassen. Schliesslich ist für Ende Jahr die Eröffnung der Vernehmlassung über die globale Steuerung der obligatorischen Krankenversicherung mittels (un-)verbindlicher Zielvorgaben angekündigt [5].
Die Versicherungsnehmer, Prämienzahler und Patienten werden mit Interesse die Diskussionen über diese Projekte verfolgen. Denn das in der Verfassung verankerte Versicherungsprinzip wird zur Disposition stehen. Dieses Prinzip besagt, dass im Falle des Risikoeintritts die vertraglich abgesicherte Leistung erbracht wird. Der Versicherungsnehmer wird wissen wollen, ob und wie die direkte Begrenzung der Leistungsmenge über Globalbudgets in seinem individuellen Fall die versprochene Leistung limitieren wird. Der Patient wird sich für die Folgen interessieren, welche die ungenügende Tarifierung von ärztlichen Leistungen für ihn als obligatorisch versicherten Patienten haben könnten. Wird er eine Zusatzversicherung abschlies­sen müssen, um Wartezeiten zu vermeiden, oder wird er sich allenfalls von Fall zu Fall einen anderen Arzt suche­n müssen? Er wird sich mit Sorge fragen, ob für ihn als obligatorisch versicherten Patienten weiterhin das medizinisch Notwendige oder nur noch das wirtschaftlich Mögliche zur Verfügung stehen wird.
bruno.henggi[at]fmh.ch
1 Bieri Urs, et al. Qualität vor Kosten, sinkende Bereitschaft zu Verzicht, in: Das Wichtigste in Kürze zum Gesundheitsmonitor 2019, hrsg. von Interpharma 2019, S. 22.
2 Bieri Urs, et al. Qualität vor Kosten, sinkende Bereitschaft zu Verzicht, in: Das Wichtigste in Kürze zum Gesundheitsmonitor 2019, hrsg. von Interpharma 2019, S. 11.
3 Bieri Urs, et al. Experimente unerwünscht, aber wachsende ­Ansprüche an die Versorgung, in: Das Wichtigste in Kürze zum Gesundheitsmonitor 2018, hrsg. von Interpharma 2018, S. 8.
4 Bundesamt für Gesundheit. KVG-Revision: Massnahmen zur Kostendämpfung – Paket 1. Vernehmlassung vom 14. September 2018.
5 Bundesamt für Gesundheit. Bundesrat lässt Zielvorgabe für die Kostenentwicklung im Gesundheitswesen erarbeiten. Medien­mitteilung vom 8. März 2019.