Meine Teilnahme an den diesjährigen Sportweltspielen der Medizin in Budva

Die Plantaraponeurose von Montenegro

Horizonte
Ausgabe
2019/33
DOI:
https://doi.org/10.4414/saez.2019.18060
Schweiz Ärzteztg. 2019;100(33):1093

Affiliations
Dr. med., St. Gallen

Publiziert am 13.08.2019

Die Schweiz im Medaillenspiegel vor Russland, Kanada und den USA! In welcher Sportart ist das möglich? Der Titel dieser Geschichte lässt auf etwas Medizynisches schliessen: Es handelt sich um die jährlich stattfindenden Sportweltspiele der Medizin, eine inoffizielle WM aller Medizinalberufe – aber im sportlichen, nicht beruflichen Sektor. Wer jetzt denkt, das ist etwas für die Jungen, sieht nur die halbe Wahrheit; denn die mittelalterlichen und uralten Kategorien sind genauso gut besetzt.
Bei meinen bisherigen 14 Sportweltspielen, auch Medigames genannt, hat es mit Ausnahme der völlig unvorbereiteten ersten Teilnahme im 100-m-Sprint jeweils zu einer Medaille gereicht, so soll es auch in Budva sein! Auch die für uns völlig überraschend phantastische ­Gegend mit hohen Bergen, aber auch wunderbaren Stränden bot ausserordentlich viel, umrahmt von einer enormen Gastfreundschaft, von der wir viel lernen könnten.
Obwohl auch mit Tennisschläger und Pétanque-­Kugeln angereist, ist mein persönlicher sportlicher ­Höhepunkt der 100-m-Sprint. Dass zwischen der Startnummernausgabe und dem Wettkampf nur gerade eine Viertelstunde liegt, ist ein kleiner Schönheitsfehler; denn für mich völlig überraschend werden zuerst die Kategorien der Alten aufgerufen, und mit 67 Jahren gehöre ich mittlerweile zur zweitältesten Gruppe.
So geht’s dann halt schon bald mit angezogenen Nagelschuhen an den Start. Da in dieser Saison trainings­halber erst dreimal geschnürt, wären Letztere wohl besser in der Tasche geblieben. Dem katapultähn­lichen Start folgt ein Steigerungslauf bis etwa siebzig Meter, als ein Blitz in die rechte Fusssohle einschlägt. Ein ganz kurzes Zögern und dann die Gewissheit, dass der Fuss bei nahezu 30 km/h hält, lassen mich auch die Restdistanz noch überwinden, und mit der Zeit von 13,19 Sekunden habe ich nicht nur meine zwei Konkurrenten geschlagen, sondern dies wäre auch gleich noch Schweizer Rekord bei den Ü65, erkauft allerdings mit einer gerissenen Plantaraponeurose.
Trotz des rezidivierenden Siegs der Ärzte in der Sendung Ärzte vs Internet im Schweizer Fernsehen entscheide ich mich für Dr. Google, der mir beruhigend versichert, dass nichts Operatives indiziert ist und dass der «Return to Sport» meistens nach drei Monaten der Fall ist. Dies ist zwar auch ein kleiner Schock, doch die Mitteilung, dass Peyton Manning, der berühmte Quarterback der Denver Broncos trotz Riss der Plantaraponeurose kaum ein Spiel im American Football verpasste, lässt uns die Pétanque-Kugeln einpacken, um am gleichen Abend auf der sogenannten Bocci-Bahn die nächste Disziplin zu absolvieren.
Unsere Triplette ist also bereit, das Team besteht aus meiner Frau, dem altbewährten Tennis-Doppelpartner und pensionierten St. Galler Chef-Schulzahnarzt und aktuellen Silbermedaillengewinner im Herren Einzel und mir. Das auf dem Programm stehende Pétanque kann beginnen, doch realisieren wir, dass die über zwanzig Meter lange Bocci-Bahn viel eher einer italienischen Bocciabahn als einem französischen Bouleplatz entspricht. Zudem sind Kugeln bereitgestellt, die deutlich grösser und doppelt so schwer sind wie unsere eigenen, unnötigerweise eingeflogenen, Pétanque-Kugeln. Die beiden französischen Teams, gegen die wir in den beiden Vorrunden äusserst knapp verlieren und die später im Final um Gold und Silber kämpfen, belehren uns, dass diese Sportart in Frankreich Pétanque Lyonnaise heisst und die Kugeln mit viel Anlauf geschossen werden. Für mich ist dies so ­etwas wie ein schwarzer Schimmel; denn Pétanque stammt von den Wörtern Pes tancus, also fixierter Fuss. Nehmen Sie mal Anlauf mit zwei fixierten Füssen und einer gerissenen Sehnenplatte am Fuss! Die Medaille im Pétanque wird deshalb an die Algarve verschoben, wo in einem Jahr die nächsten Medigames ausgetragen werden, wir freuen uns alle darauf!
P.S.: Ich habe bisher nicht herausgefunden, weshalb die Schweiz an diesen Spielen immer extrem untervertreten ist. Da kommen mehr Frauen und Männer aus Argentinien, Japan, ja sogar Kasachstan oder Usbekistan als aus der viel näher gelegenen Schweiz. Vielleicht liegt es am viel restriktiveren Fiskus, dass trotz des wissenschaftlichen Begleitprogramms nicht alles als Fortbildung gilt? Schon vor zwanzig Jahren war kaum ein Echo auf meinen Artikel in der Ärztezeitung vorhanden.
Dr. med. Hans-Ulrich Backes
Oberarzt Notfallstation
Hirslanden Klinik ­Stephanshorn
St. Gallen
hans-ulrich[at]backes.ch