Zuckerbrot und Peitsche: Choose wisely!

FMH
Ausgabe
2019/33
DOI:
https://doi.org/10.4414/saez.2019.18109
Schweiz Ärzteztg. 2019;100(33):1053

Affiliations
Dr. med., Vizepräsident der FMH, Departementsverantwortlicher Daten, Demographie und Qualität / SAQM

Publiziert am 13.08.2019

Nach der ungewollten Annäherung zweier Maschinen hat das Bundesgericht ein weitergezogenes Urteil gegen einen Flugverkehrsleiter von Skyguide bestätigt (Urteil 6B_1220/2018 vom 27.6.2019). Nachdem die FMH seit 2001 immer wieder gesetzliche Rahmenbedingungen für Fehlermeldesysteme gefordert hat, welche eine Sicherheits- und Lernkultur fördern sollten, ist dieses Urteil nun Ausdruck einer Gesellschaft, für die offenbar das sanktionierende Element im Vordergrund steht. Dass die negativen Nebenwirkungen einer solchen Vorgehensweise bedeutend höher sind als deren beabsichtigte positive Wirkungen, ist fachlich breit anerkannt: Fehler zu verschweigen, weil das Zugeben zur juristischen Blossstellung führen kann, ist nicht erstrebenswert. Darüber hinaus werden sich nun Defensivpositionen ergeben, welche auch in der Medizin zu ­Problemen führen: Die Absicherungsmedizin, welche lediglich dazu dient, Medizinalpersonen vor potentiellen Klagen zu schützen, wird uns nicht nur viel Geld kosten, sie wird darüber hinaus durch medizinisch nicht notwendige Vorkehrungen negative Auswirkungen auf die Versorgungsqualität und damit auf die Pa­tientensicherheit haben.
Umso wichtiger erscheint es der SAQM der FMH, mit ihrem Qualitätspreis Innovation Qualité in dieser Entwicklung Gegensteuer zu geben. Gerade der Themenschwerpunkt «Feedback als Qualitätsinstrument» – dieses eigentlich fast banal anmutende Element, welches jedoch enorme kulturelle Auswirkungen hat – besitzt das Potential, eine positive Fehlerkultur zu fördern. Der dringend notwendige kulturelle Wandel hin zu einer konstruktiven Offenheit und zu ehrlichen Rückmeldungen, hin zu einer no-blame-culture statt des leider nur zu hinlänglich bekannten Schwarzpeter-Spiels tut dringend not. Damit werden auch gleich die Anliegen der zweiten Kategorie des Qualitätspreises unterstützt, nämlich der Patientensicherheit. Wenn auch alle davon sprechen, so verstehen doch alle etwas anderes darunter: Ist es nun die Sicherheit der Patienten oder die Sicherheit vor den ­Patienten, welche hier gemeint ist? Für mich ist die Antwort klar: Die Sicherheit des Patienten muss im Zentrum stehen – auch wenn eingangs erwähntes Urteil leider in eine andere Richtung zeigt. Die dritte Kategorie, diejenige für Qualitätsprojekte von Schweizer Berufsorganisationen der Ärzteschaft, soll all diejenigen motivieren, welche im Rahmen der mittlerweile 73 Organisationen, welche die Qualitäts-Charta der SAQM unterzeichnet haben, mit der konkreten Umsetzung von Qualitätsansprüchen vorangehen. Dass die Ärzteschaft dies tut, widerspiegelt sich auch in der regelmäs­sig durchgeführten Inventarerhebung der Qualitäts­aktivitäten der Ärzteorganisationen, welche Sie, sehr verehrte Leserinnen und Leser, ebenfalls in dieser SÄZ-Ausgabe vorgestellt bekommen.
Die FMH will in erster Linie motivieren und fördern! Es gilt, eine Qualitätskultur zu schaffen, welche ein lernendes System ist. Wo gearbeitet wird, muss mit Fehlern gerechnet und konstruktiv damit umgegangen werden. Auch Nichtstun kann ein Fehler sein! Der dumme Fehler ist derjenige, aus welchem keine Lehren gezogen werden. Gleichzeitig sieht die FMH sehr wohl auch, dass Sanktionen ihren Platz haben müssen. Die Rollen hierzu hat der Gesetzgeber verteilt. Jedoch primär mit Sanktionen zu steuern, erachtet die FMH als kontraproduktiv.
In diesem Sinne ermuntere ich nun alle, welche sich durch die Ausschreibung unseres Qualitätspreises ­Innovation Qualité angesprochen fühlen, nicht zu zögern und ihr wertvolles Projekt einzureichen! Damit zeigen Sie auf, wie vielfältig und breit die diversen existierenden Aktivitäten sind, welche unsere hoch­stehende Qualität im Schweizer Gesundheitswesen weiter voranbringen wollen. Ich danke Ihnen dafür!