Warum tut sich die Politik so schwer damit, aus gemachten Fehlern zu lernen?

Briefe / Mitteilungen
Ausgabe
2019/40
DOI:
https://doi.org/10.4414/saez.2019.18203
Schweiz Ärzteztg. 2019;100(40):1330

Publiziert am 02.10.2019

Warum tut sich die Politik so schwer damit, aus gemachten Fehlern zu lernen?

Frau Kollega Breznik, Sie haben Wünsche für die Zukunft: «Ich würde mir wünschen, dass sich die Schweiz nicht so sehr an die Entwicklung des Gesundheitswesens in Deutschland anpasst. In meinen Augen werden im Eiltempo die gleichen Fehler gemacht.» Sie haben recht und dürfen hoffen. Allein, Ihre Hoffnung wird kaum in Erfüllung gehen. Würde man Sie fragen, wie man es denn machen sollte in unserem Gesundheitswesen, so hätten Sie und viele Kollegen, die im Alltag ihre Arbeit nach bestem Wissen und Gewissen verrichten, einiges zum Gelingen eines guten Gesundheitssystems beizutragen. Doch Sie werden nicht gefragt. «Warum werden Sie nicht gefragt?», werden Sie sich vielleicht fragen. Ich werde auch nicht gefragt. Aber würde man mich fragen, dann würde ich den Leuten vom Bundesamt für Gesundheit sagen wollen, dass keine Probleme zu lösen sind, wenn man die Preise für Generika senkt und deren Verkauf fördert. Und ich hätte so gute Argumente, war­um dem so ist, dass man mich lieber erst gar nicht anhört. Das würde ja am Selbstverständnis rütteln, am Impetus, an der Ko­härenz des eigenen Denkens und an der Konsistenz des eigenen Handelns. Das eigene Selbstverständnis als Selbstmissverständnis zu erkennen, wäre eine narzisstische Kränkung und gefährdete Jobs. Warum tut sich die Politik so schwer damit, aus gemachten Fehlern zu lernen? Kürzlich diskutierten im Eco Talk unter der Leitung von Moderator Reto Lipp unter anderen Pascal Strupler vom BAG und Yvonne Gilli von der FMH miteinander. Frau Dr. Gilli hat auf einfache Weise zu erklären versucht, warum es eben ein Problem sein kann, wenn man einen Patienten von einem Original auf ein Generikum oder von einem Generikum auf ein anderes umstellen sollte. Sie wurde nicht verstanden. Das mag daran liegen, dass im BAG der Chef und die meisten Mitarbeiter keine Ärzte sind. Aber man will das auch gar nicht hören. Schliesslich engagiert man sich für ein bezahlbares Gesundheitswesen, erbringt täglich seine Leistung im Büro und hat einen hohen Ausbildungsstand, das muss genügen! Am 1.1.1996 trat das KVG in Kraft. Die noble Absicht war, dass in diesem Land alle Bürger ungeachtet ihrer wirtschaftlichen Verhältnisse die gleiche Behand­lung im Gesundheitswesen erwarten dürfen. Es gab damals nicht wenige warnende Stimmen, die die Rationierung des Gesundheitswesens als Licht am Ende des Tunnels gesehen haben. So wie sich die Mehrzahl der Menschen in diesem Land keinen Ferrari l­eisten kann, so kann sich die Mehrzahl auch diesen Grundleistungskatalog nicht leisten. Wenn man, wie BAG-Direktor Strupler und sein Team, auf Prävention setzt, ist das sicher klug und unter Umständen gut für die Menschen, die sich danach richten. Doch wurde nie gezeigt, dass dadurch die Kosten sinken würden. Denn die Vorstellung, wenn es gelänge, durch ungesunden Lebensstil verursachte Krankheiten zu reduzieren, dass die Menschen einfach gesund altern und dann eine­s Tages tot umfallen würden, ist einfach nur naiv. Es hat sich in der Historie der Medizin gezeigt, dass sich einfach andere Krankheiten anstelle der erfolgreich bekämpften breitmachen. Es bleibt dabei: Wir alle müssen eines Tages sterben. Und die Verlängerung des Lebens per se senkt die Auslagen für Gesundheit und Krankheiten nicht, im Gegenteil. Viele Untersuchungen zeigen, dass die letzten Lebensjahre die teuersten sind. Wann diese letzten Lebensjahre beginnen, ändert an dieser Tatsache nichts.