Die erste nationale Überlebensstrategie bei Kreislaufstillstand

Weitere Organisationen und Institutionen
Ausgabe
2019/48
DOI:
https://doi.org/10.4414/saez.2019.18321
Schweiz Ärzteztg. 2019;100(48):1615-1617

Affiliations
a Präsident des Swiss Resuscitation Council SRC und Direktor des Interverbandes für Rettungswesen IVR; b Präsident BLS-Faculty des SRC und Geschäftsführer am Schweizer Institut für Rettungsmedizin SIRMED
Die Publikation erfolgt im Namen des ­SRC-Vorstands, dessen Mitglieder unter www.resuscitation.ch benannt sind.

Publiziert am 26.11.2019

Pro Jahr erleiden in der Schweiz rund 8500 Personen einen plötzlichen Kreislaufstillstand. Das ist ungefähr jeder tausendste Einwohner. Rund zwei Drittel dieser Notfallsituationen ereignen sich im häuslichen Umfeld. Weltweit überlebt nur ­jeder zehnte Betroffene ein solches Ereignis. Da Grund zu der Annahme besteht, dass sich diese Überlebenschancen steigern lassen, haben nun unter dem Dach des Schweizer Wiederbelebungsrates SRC verschiedene Expertenorganisationen erstmals eine nationale Überlebensstrategie bei Kreislaufstillstand verabschiedet.

Ausgangslage

In der Schweiz bestehen vielfältige und z.T. sehr erfolgreiche lokale und regionale Projekte zur Verbesserung von Reanimationsergebnissen bei Kreislaufstillstand. Eine übergeordnete Strategie zur Integration und Lenkung dieser Engagements fehlte bis anhin, wodurch die Aktivitäten i.d.R. unverbunden blieben. Die viel verwendete Analogie der sogenannten Überlebenskette symbolisiert jedoch insofern das Ineinander­greifen und die wechselseitige Abhängigkeit der unterschiedlichen Projekte als jede Kette sprichwörtlich nur so stark ist, wie ihr schwächstes Glied. Also müssen systematisch alle Glieder der Überlebenskette gestärkt werden.

Potential

Seit einigen Jahren wird unter dem Leitsatz «It takes a system to save a life» die Bedeutung einer integrierten Versorgung betont, bei der das volle Potential zur Er­höhung der Überlebenschancen nur dadurch ausgeschöpft werden kann, dass verschiedene Beteiligte entlang der Überlebenskette aufeinander abgestimmte Engagements betreiben.
Während eine planwirtschaftliche Herangehensweise jedoch weder erfolgswahrscheinlich noch – aufgrund der heterogenen Situation des schweizerischen Gesundheitswesens – durchsetzbar wäre, besteht guter Grund zu der Annahme, dass eine Koordination auf Basis einer Gesamtstrategie von den verschiedenen Beteiligten angenommen würde und helfen kann, dass diese ihre Engagements bewusst gestalten.
Auf dieser Erkenntnis aus dem ersten Schweizer Reanimationsgespräch vom 27. September 2018 fusst die nun vorgelegte Überlebensstrategie. Seinerzeit wurde dem Swiss Resuscitation Council SRC von den Beteiligten die Aufgabe zugedacht, diese koordinative Aufgabe zu übernehmen.
Tabelle 1
The Chain of Survival [1]
1. Vorbereitung & Bereitschaft
2. Rasch erkennen und um Hilfe rufen – um einen Herzkreislaufstillstand zu vermeiden
3. Frühe CPR – um Zeit zu gewinnen
4. Frühe Defibrillation – um das Herz zu starten
5. Postreanimationsphase – um die Lebensqualität wieder herzustellen
6. Nachsorge
Es bestehen unterschiedliche Beispiele für nationale Strategien zu Gesundheitsthemen, sowohl in der Schweiz wie auch im Ausland, von denen einige in den Vorbereitungsarbeiten berücksichtigt wurden. Zum 16. Oktober 2019 – dem «World Restart a Heart Day» – wurde nach einjähriger Arbeit nun erstmals eine na­tionale Überlebensstrategie vorgestellt (Volltext unter www.resuscitation.ch).

Aufbau

Das Dokument besteht im Wesentlichen aus 27 strategischen Zielen, jeweils in einer präklinischen und einer klinischen Version. Diese sind in sieben Ordnungskategorien aufgegliedert und jeweils für ausser- wie auch innerklinische Kreislaufstillstände beschrieben.
Der dazu angestrebte Erreichungsgrad quantifiziert, welcher Zielerreichungsgrad aus einer systemischen Perspektive wünschenswert und möglich erscheint. Zur Erreichung der Ziele werden mögliche Mass­nahmen skizziert und Messkriterien sowie Mess­instrumente bzw. Datenquellen vorgeschlagen. Mit den zur Verfügung stehenden Instrumenten ist es heute vielfach noch nicht möglich, alle diese Erreichungsgrade zu messen, was als Ansporn verstanden werden kann, die geeigneten Messkriterien und ­Messinstrumente zu entwickeln. Diese sollen von den möglichen Beteiligten, die sich aufgrund von Interesse, Zuständigkeit und/oder Expertise differenziert mit den jeweiligen Zielen beschäftigen, bearbeitet und in die Weiterentwicklung der Strategie eingebracht werden.

Zwei beispielhafte Ziele

Einige der Ziele scheinen trivial. Bei genauer Überprüfung der Realitäten lässt sich jedoch feststellen, dass in vielen Bereichen selbst vermeintlich einfache Massnahmen noch nicht systematisch etabliert sind. So lautet ein präklinisches Ziel: «Ersthelfer werden im Rahmen der Alarmierung von Disponenten standardisiert und strukturiert zur Reanimation angeleitet (T-CPR).»
Und auch das folgende Ziel können einige Spitäler ­bereits als vollumfänglich erfüllt ansehen, während andere hier noch deutliches Potential haben: «Für Pa­tienten ohne Aussicht auf ein gutes neurologisches Outcome nach Kreislaufstillstand wird zusammen mit Patienten und Angehörigen ein DNAR-Status festgelegt, kommuniziert und im Falle eines Kreislaufstillstands respektiert.»

Swiss Resuscitation Council SRC

Der Swiss Resuscitation Council SRC wurde im Jahr 2001 mit dem Zweck gegründet, zur Steigerung der Überlebenschancen nach Kreislaufstillstand beizutragen.
Die Vision des SRC ist es, dass «in der Schweiz jeder Betroffene im Falle eines Kreislaufstillstandes die optimale Versorgung erhält, um mit bestmöglicher Qualität zu überleben».
Ordentliche Mitglieder des SRC sind einige der wichtigsten Organisationen im Themenkontext Reanimation. Damit ist der SRC breit getragen und in seiner Verantwortung für das Thema gut akzeptiert.
• Interverband für Rettungswesen (IVR)
• Sanitätsdienst der Armee
• Schweizer Berufsverband der Pflegefachfrauen und Pflegefachmänner (SBK)
• Schweizerische Gesellschaft für Allgemeine Innere Medizin (SGAIM)
• Schweizerische Gesellschaft für Anästhesiologie und Reanimation (SGAR)
• Schweizerische Gesellschaft für Intensivmedizin (SGI)
• Schweizerische Gesellschaft für Kardiologie (SGK)
• Schweizerische Gesellschaft für Notfall- und Rettungsmedizin (SGNOR)
• Schweizerische Gesellschaft für Pädiatrie (SGP)
• Schweizerische Gesellschaft für Unterwasser- und Hyperbarmedizin (SUHMS)
• Schweizerische Herzstiftung (SHS)
• Schweizerische Rettungsflugwacht (Rega)
• Schweizerische Vereinigung für Betriebssanität (SVBS)
• Schweizerische Zahnärztegesellschaft (SSO)
• Schweizerisches Rotes Kreuz und über dieses die Rotkreuz­organisationen (SSB, SLRG, SMSV)
• Vereinigung Rettungssanitäter Schweiz (VRS)

Messen und verbessern

Die nationale Überlebensstrategie bildet nun zusammen mit dem seit Mitte 2017 laufenden Schweizerischen Reanimationsregister Swissreca das Rückgrat für den Ordnungsrahmen der Reanimation in der Schweiz. Im Rahmen von Swissreca beträgt die Abdeckung für die Erfassung präklinischer Reanimationsdaten bereits heute fast 90% der Wohnbevölkerung. Damit wurde die Grundlage geschaffen, um die Wirksamkeit unterschiedlicher Interventionen zu messen.
Über die Verfügbarmachung von Outcomedaten aus Swissreca besteht die Möglichkeit, künftig die Wirksamkeit von Projekten besser zu beurteilen und einen nationalen und internationalen Quervergleich zu tätigen.
Die nun folgende Implementierung steht auf drei Standbeinen:
– Zunächst erfolgt die Kommunikation der Strategie an alle Beteiligten. Dieser Beitrag ist Teil davon.
– Danach werden dezentrale Engagements koordinativ unterstützt.
– Der Dreh- und Angelpunkt ist die freiwillige, nicht formalisierte Integration all derer, die schon heute einen grossen Beitrag an das Thema leisten, wie aber auch derer, die sich noch stärker für die Über­lebenschancen nach Kreislaufstillstand einsetzen und sich in ein nationales System einbringen wollen.

Erfolgsaussichten

Je mehr Organisationen bereit sind, ihre eigenen ­Vorgehensweisen bei Kreislaufstillstand anhand der 27 strategischen Ziele zu überprüfen und z.B. gezielte Massnahmen abzuleiten, desto grösser wird die Wirksamkeit auf die Überlebenschancen sein.
Erstmals im Frühjahr 2021 wird die Strategie kritisch überprüft und bei Bedarf adaptiert.

Das Wichtigste in Kürze

• Das Dokument besteht im Wesentlichen aus 27 strategischen Zielen, jeweils in einer präklinischen und klinischen Version.
• Diese Ziele sind in sieben Ordnungskategorien aufgegliedert und jeweils für ausser- und innerklinische Kreislaufstillstände beschrieben.
• Zur Erreichung der Ziele werden mögliche Massnahmen skizziert und Messkriterien sowie Messinstrumente bzw. Datenquellen vorgeschlagen.
• Erstmals im Frühjahr 2021 wird die Strategie kritisch überprüft und bei Bedarf adaptiert.
Swiss Resuscitation Council SRC
Gabriela Kaufmann
Geschäftsführerin
Wattenwylweg 21
CH-3006 Bern
info[at]resuscitation.ch
1 Deakin Ch. (2018). The chain of survival: Not all links are equal, Resuscitation 126 (2018) 80-82 (modifiziert SRC 2019).