Weniger Kostenbegrenzung wäre billiger!

Briefe / Mitteilungen
Ausgabe
2019/44
DOI:
https://doi.org/10.4414/saez.2019.18341
Schweiz Ärzteztg. 2019;100(44):1457

Publiziert am 29.10.2019

Weniger Kostenbegrenzung wäre ­billiger!

Eigentlich hätte Frau XY am Folgetag aus dem Spital entlassen werden können. Ihre wegen einer ernsthaften Infektion unerlässliche intra­venöse antibiotische Therapie hätte ebenso gut ambulant durchgeführt werden können. Wenn die Krankenkasse denn eine Kostengutsprache für intravenöses Flucloxacillin erteilt hätte. Mit Verweis auf die Spezialitätenliste, auf welcher das entsprechende Antibiotikum in der iv-Form seit kurzem nicht mehr aufgeführt ist, bezahlt sie aber nicht. Also bleibt die Patientin – trotz ambulant vor stationär – halt im Spital. Für die Krankenkasse evtl. billiger, ­gesamthaft aber sicher teurer und aus Sicht des Patienten – und unserer – unsinnig, aber offenbar erwünschter.
Oder: Da wird behauptet, ein HIV-Screeningtest müsse nicht von der Krankenkasse ­übernommen werden. Was natürlich nicht stimmt. Aber via Art. 12d Bst. a KLV führen die im BAG-Bulletin (18.5.2015) formulierten Bedingungen offenbar dazu, dass die Krankenkasse nun automatisch ein Schreiben an uns ausspuckt. Das ich beantworten muss. Und bei der Krankenkasse vermutlich auch wieder jemand lesen. Was das wohl kostet? Dies alles wegen eines Tests von ca. 25 Franken.
Auch wenn die EKIF eine Pneumokokken-Impfempfehlung (PCV13) für erwachsene Risikopersonen ausspricht und im BAG-Bulletin veröffentlicht, heisst dies nicht, dass der Impfstoff auch kassenpflichtig ist. Dieser ist bei Swissmedic (im Gegensatz zur EMA, Europa) nur für Kinder registriert, für Erwachsene also off-label, und wird nicht bezahlt. Wäre schön, wenn EKIF, BAG und Swissmedic sich auf eine Version einigen könnten.
Ganz skurril wird es, wenn man am gleichen Tag von der Krankenkasse zwei Briefe zum gleichen Patienten erhält. Der eine Brief macht korrekt darauf aufmerksam, dass ein bestimmtes HIV-Medikament nur in Kombination mit einem anderen eingesetzt werden darf. Und verlangt daher eine Begründung, warum man es ohne den Kombinationspartner einsetzt. Im zweiten Brief steht dasselbe, nur bezieht man sich auf das andere der beiden verwendeten HIV-Medikamente – eben den Kombinationspartner. Da ist man sprachlos.
Da ich eine Reihe von Infektionen wie z.B. eine Syphilis nur mit ausländischen Präparaten behandeln kann, kenne ich den Art. 71b Abs. 1 oder 2 OAMal inzwischen bestens. Bloss, soll ich den Patienten mit der Syphilis wirklich erst behandeln, wenn nach 1–2 Wochen die Antwort auf das Kostengutsprachegesuch eintrifft? Wer ist bis dann auch noch angesteckt?
Die Beispiele lassen sich fast endlos fort­setzen. Versuche der Kostenbegrenzung und der Steuerung von Leistungen führen zu ­unzähligen sich ständig ändernden Limita­tionen und einschränkenden Verordnungen, welche in ­einer Folie à deux bei den Krankenkassen dann ­automatisiert Nachfragen für deren Einsatz auslösen. Oder Medikamente sind im Gegensatz zum restlichen Europa schon gar nicht verfügbar. Die ganze sich exponen­tiell vermehrende Schreiberei kostet Zeit und Geld.
Liebe Politiker, Zulassungsbehörden, Krankenkassenverantwortliche und Verordnungsschreiberinnen: Etwas weniger Vorschriften, etwas mehr Vertrauen in fachliches Know-how, gesunden Menschenverstand ­sowie das (auch finanzielle) Verantwortungsbewusstsein aller Beteiligten wäre billiger und vernünftiger.
Und liebe Kolleginnen und Kollegen: Verliert nicht den Mut und steht hartnäckig für eine fachlich korrekte, kostenbewusste Medizin auch im Angesicht eines Dschungels nicht nachvollziehbarer Vorschriften ein!