Aus dem Nähkästchen eines ReMed-Beraters

„Endlich hat mir jemand zugehört“

FMH
Ausgabe
2020/03
DOI:
https://doi.org/10.4414/saez.2020.18545
Schweiz Ärzteztg. 2020;101(03):45

Affiliations
Dr. med., ehemaliges Mitglied Leitungsausschuss ReMed

Publiziert am 15.01.2020

Auf die Frage, was für Probleme die Ratsuchenden bei ReMed denn hätten, antworte ich jeweils: alles, was Du Dir vorstellen kannst und noch viel mehr.
Aber längst nicht alle Anfragen sind kompliziert oder existentiell, im Gegenteil: Häufig braucht es nur wenig, um dem Menschen am andern Ende der Telefonleitung einen Schritt weiterzuhelfen. Es genügt manchmal, einfach mit Empathie zuzuhören, klug und verständnisvoll nachzufragen, die angedachten Lösungswege zu unterstützen oder einen Tipp für das weitere Vor­gehen zu geben. Allein die Gewissheit, dass sich die Ratsuchenden jederzeit wieder melden dürfen, ist hilfreich. Ein paar Beispiele:
– Geht es um Konflikte in der Institution, ist es wichtig zu wissen, ob es dort vertrauenswürdige Ansprechpartner gibt, bevor die institutionellen Wege beschritten werden. Vielleicht braucht es sogar Rechtshilfe, z.B. durch den VSAO.
– Die Unvereinbarkeit von Weiterbildungsvorschriften mit familiären Aufgaben ist häufig sehr verzwickt, beispielsweise braucht ein Kind nach einer Operation vorübergehend viel mehr Betreuung und es darf nicht in die Krippe. Oder eine Pensumsreduktion ­gefährdet das Weiterkommen, die verfügbaren Ressourcen sind ausgeschöpft. Als selber erfahrener Grossvater rate ich gelegentlich, doch nochmals die Eltern um einen Sondereinsatz zur Überbrückung zu bitten, bis eine Nanny gefunden ist.
– In Gruppenpraxen bestehen häufig komplexe Kon­stellationen. Der Blick von aussen kann helfen, die Situation zu analysieren, Zuständigkeiten zu klären und einen nächsten Schritt in Angriff zu nehmen. Allenfalls bieten wir auch unsere Dienste für eine Mediation an.
– Viele Assistenten fühlen sich beim Übertritt in die Klinik total überfordert und zweifeln an ihren ­Fähigkeiten. Da tut es gut zu hören, dass man hier ganz und gar nicht allein ist! Zum Beispiel bietet sich die Teilnahme an einer Coachinggruppe von ReMed an.
– Der erste Todesfall im Nachtdienst verunsichert recht häufig gewissenhafte Kolleginnen und Kollegen. Sie fühlen sich alleingelassen, haben Gewissensbisse und sind einfach froh, jemandem davon erzählen zu können. Sie brauchen vielleicht eine ­Ermunterung, in der Klinik mit einer geeigneten Kaderperson den Fall in Ruhe zu besprechen.
– Jeder von uns kann in eine Überforderungssituation geraten, wenn sich verschiedene Belastungen kumulieren: Vielleicht familiäre Probleme, die ­Drohung einer Haftpflichtklage oder der Ausfall ­einer wichtigen Mitarbeiterin. Da kann es sich im Gespräch durchaus zeigen, dass die Ratsuchenden eigentlich alles richtigmachen und die moralische Unterstützung für den Augenblick genügt.
– Es kommt auch vor, dass sich Angehörige oder Kollegen melden. Beispielsweise wegen Suchtproblemen oder des Verdachts auf andere Gefährdungen oder Fehlverhalten. Nach gründlicher Betrachtung der Umstände ist es meist sinnvoll, vor allem die Mitbetroffenen zu ermutigen, die Probleme anzusprechen und auf konkreten Schritten zu beharren.
Es gäbe noch viele Beispiele. Was mich nachdenklich stimmt, ist, dass in letzter Zeit auch Chefärzte bei uns ihr Herz ausschütten – ein Indiz für den zwischenmenschlichen Umgang, der immer häufiger Respekt und Wohlwollen vermissen lässt.
Zum Abschluss noch ein Originalzitat aus einem Dankesbrief: «Die Möglichkeit zu sprechen, einen geduldigen Zuhörer zu haben sowie Verständnis für meine Situation zu erfahren hat mir sehr geholfen.»

ReMed ist für Sie da

Brauchen Sie oder jemand aus Ihrem Umfeld professionelle Hilfe? Wenden Sie sich an ­ReMed: Das Unterstützungsnetzwerk für Ärztinnen und Ärzte respektiert das Arztgeheimnis und berät Sie kompetent. Auch bei anderen beruflichen und persönlichen Krisen kann Ihnen ReMed Lösungswege aufzeigen. Dieses Angebot gilt auch für Personen aus dem Umfeld von Ärztinnen und Ärzten, 24 Stunden am Tag. Die ärztlichen Beratenden melden sich innerhalb von 72 Stunden: www.swiss-remed.ch, help[at]swissremed.ch, Tel. 0800 0 73633.

ReMed-Intervisionen für Erstberatende und Netzwerkmitglieder

Neben den Unterstützungsangeboten für ratsuchende Ärztinnen und Ärzte führt ReMed seit 2009 auch regionale Intervisionen zum Erfahrungsaustausch für Kolleginnen und Kollegen durch, die Ärztinnen und Ärzte als Patienten betreuen. Diese ermöglichen Vernetzung und ­Bildung von Peergroups (jeweils 6–8 Teilnehmer, 2–3 Treffen pro Jahr), welche gemeinsam Fallfragen zu Mentoring, Coaching, Beratung, Therapie oder anderen Aspekten (juristisch, versicherungsrechtlich etc.) erarbeiten. Setzen Sie sich mit uns in Verbindung, nehmen Sie an einer Sitzung teil, und lernen Sie unsere Arbeit kennen.
Kontakt und Anmeldung: Dr. med. Sabine Werner, Mitglied Leitungsausschuss ReMed, dr.s.werner[at]hin.ch. Daten 2020: 12. März, 23. April, 14. Mai, 11. Juni, 17. September und 19. November, jeweils 14–18 Uhr, in Zürich.
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