Art. 2

Briefe / Mitteilungen
Ausgabe
2020/04
DOI:
https://doi.org/10.4414/saez.2020.18592
Schweiz Ärzteztg. 2020;101(04):98

Publiziert am 21.01.2020

Art. 2

Die Menschheit schreibt das Jahr 13 800 000 000. Die wissenschaftl. Zeitrechnung ist ungenau: 13,8 Milliarden ± x Jahre. Die menschengemachten Zeitrechnungen sind genau, also falsch, Glaubenssachen (jüdisch: 5778; christlich: 2020; islamisch: 1442), Anthropozentrismen, die Herrschaft der einen über andere Menschen und die Erde begründen, wodurch die Menschheit entzweit wurde und Verbrechen an ihr mit Millionen von Opfern begangen wurden.
Der Stammbaum der Medizin. Wissenschaft hängt ab von der Zeitrechnung: Wurzelt er im Big Bang oder im dreiköpfigen Monotheismus? Ist die Medizin den Menschen verpflichtet oder dient sie den vorübergehenden Institutionen, wie Theologie oder Markt?
Organismen bauen sich auf aus Organen, Zellen, Molekülen, Atomen, von denen im Menschen das Wasserstoffatom am zahlreichsten ist (63%). Die Evolution lehrt: Als erstes Atom kurz nach dem Big Bang entstanden, ist H ein 13,8 Milliarden Jahre altes Bau- und Funktions­element des Lebens.
Dies stellt die Frage nach der Herrschaft: Wem gehört H? Wer ist sein Herr und Meister, sein Besitzer? Und wessen Eigentum sind die übrigen Atome?
Terrestrisches Leben und Gesundheit erscheinen vor 4 Milliarden ± y Jahren. Die DNA übertragt beide, sei es generationell (Schwangerschaft) oder individuell im Inneren der Lebewesen. Der menschl. Körper bildet jeden Tag 200 Milliarden neue Zellen, welche die uralte Gesundheit erneuern.
Daher die Erkenntnis: Zellen sind Gesundheitszentren.
Auch dieses Wissen stellt die Herrschaftsfrage: Wem gehört die Zelle? Wer ist ihr Herr und Meister, ihr Besitzer? Wer war’s vor einer Milliarde Jahren? Wer ist’s heute?
H, andere Atome, Moleküle, DNA, Zellen, Organe bilden die Materie von Leben und Gesundheit. Sie sind älter als die Menschheit und existieren ohne sie, ohne Hirn, Kultur und Markt. Sie sind wesentlich, unveräusserlich. Sie sind keine Waren, denn Waren sind unwesentlich, weil käuflich.
Darum die dritte Frage: Wem gehört die Gesundheit? Wer ist ihr Herr und Meister, ihr Besitzer? Und wer besitzt das Leben?
Die wissenschaftl. Antwort steht in Art. 2 der FMH-Deontologie: «Es ist Aufgabe des Arztes und der Ärztin, menschliches Leben zu schützen, Gesundheit zu fördern und zu erhalten …» Medizin hat kein Besitzverhältnis zum Leben und zur Gesundheit und strebt nicht danach.
Die Negation dieser Tatsachen steht im ­Zentrum des Gesundheitswesens, seit es sich dem «Gesundheitsmarkt» verschrieb. Dieser Markt impliziert Besitz und Veräusserung eines Gutes, das, unveräusserlich, niemandem gehört. Im Markt sind «Gesundheitszentren», «Gesundheitshäuser» usw. Einkaufszentren und unterstehen den Marktgesetzen: Gewinn, Wettbewerb, Wachstum. Und die Unterordnung des Gesundheitswesens unter diese ­Gesetze befördert es ins Bruttoinlandprodukt (BIP), worin es heute der grösste Wachstumsfaktor ist.
Die kleinste Fliege jedoch beweist dem Menschen, der Prämien an die Krankenkassen zahlt, dass der «Gesundheitsmarkt» ein Popanz ist: Schuf er die Gesundheit der Fliege? In welchen «Gesundheitszentren»? Wie zahlt sie ihre «Gesundheitskosten»? Und wie heissen ihre Konsumkrankheiten? Jene Krankheiten, die erst die Märkte zu Epidemien verallgemeinern, den Marktepidemien Tabak, Alkohol, Zucker etc.
Als Vertreter des «Gesundheitsmarktes» untersteht das Gesundheitssystem dem Prinzip Markt, was zur Negation der Marktepidemien führte. Der Schutz von Gesundheit und Leben gegen die Epidemie-fördernden Märkte ist weniger lukrativ für den «Gesundheitsmarkt» als die Behandlung der Opfer, die zudem den Wohlstand und das BIP vergrössert.
Beide Negationen zeigen: Markt und Medizin sind unvereinbar: Als Arzt bekenne ich, Gesundheit weder zu machen noch zu besitzen, gemäss Art. 2.