Haft führt zu erhöhten Gesundheitsrisiken

Briefe / Mitteilungen
Ausgabe
2020/07
DOI:
https://doi.org/10.4414/saez.2020.18638
Schweiz Ärzteztg. 2020;101(07):214

Publiziert am 11.02.2020

Haft führt zu erhöhten ­Gesundheitsrisiken

Dass medizinische Leistungen in Haft zum Teil nicht mehr finanziert werden, ist aus verschiedenen Gründen besonders problematisch:
1. Viele Inhaftierte sind randständige Personen oder kommen aus Ländern mit einem schlechten Gesundheitswesen, so dass ihr ­Gesundheitszustand schon beim Haftantritt schlecht ist. Sie benötigen ganz besonders eine gute Medizin, auch wenn sie dafür nichts bezahlen können.
2. Haft kann auch bei vorher gesunden Personen zu einer Verschlechterung der Gesundheit führen, durch die psychische Belastung infolge von Freiheitsentzug und Verlust von Kontakten zu Personen ausserhalb des Gefängnisses oder auch, wenn die bei uns üb­liche Gesundheitsvorsorge in Bereichen wie Zahnmedizin oder Gynäkologie nicht mehr erfolgen kann.
3. Im Gefängnis kann das Risiko erhöht sein, sich mit Infektionskrankheiten anzustecken. Dazu gehören nicht nur STD wie HIV oder ­Hepatitis B/C, sondern auch Tuberkulose.
Ein trauriges Beispiel dafür, dass auch Personen mit überdurchschnittlichen Ressourcen, die ihrer Gesundheit immer Sorge getragen haben, im Gefängnis eine Verschlechterung ihres Gesundheitszustandes erleiden können, sind neun katalanische Spitzenpolitiker und Präsidenten von NGOs, die seit über zwei ­Jahren im Gefängnis sind und zu Strafen zwischen 9 und 13 Jahren wegen «Aufstand» verurteilt wurden, weil sie ein Referendum über die Unabhängigkeit Kataloniens ermöglicht haben. Eine der Inhaftierten, die frühere Sozial- und Arbeitsministerin Dolors Bassa, hat vor kurzem berichtet, dass alle diese Personen seit der Inhaftierung unter Zahnproblemen, Stürzen oder anderen Gesundheitsproblemen leiden, die sie vorher nicht gekannt haben. Eine Person hat sich zudem in der Haft mit Tuber­kulose infiziert.
Es kann nicht sein, dass besonders verletzliche Personen wie Gefangene keine genügende medizinische Behandlung erhalten oder dass der Staat dieses Problem auf dem Buckel der behandelnden Ärzte löst, die unnötigen administrativen Aufwand leisten müssen oder riskieren, dass ihre Rechnungen gar nicht oder nur mit grosser Verspätung bezahlt werden.